Tichys Einblick
Anträge der Union zur Einwanderung

Wie eine Posse – aber am Ende fällt die Brandmauer doch

Inhaltlich ist es egal, ob die AfD den Anträgen der Union zur Einwanderung zustimmt. Auch wenn sie im Bundestag eine Mehrheit finden, ändert das erst einmal nichts. In der Realität. Für die Zukunft der Brandmauer gilt das aber nicht.

IMAGO / IlluPics

Am Dienstag nach Pfingsten treffen sich Katholiken im luxemburgischen Ort Echternach – zur Springprozession. Der Legende nach heißt es, dass deren Teilnehmer zwei Schritte vor und einen zurück machen. Doch das ist nirgendwo geregelt. Jeder kann nach eigenem Muster springen, das keiner Regel oder keinem Zweck folgen muss. Womit wir bei Friedrich Merz wären.

Der Kanzlerkandidat der Union will am Dienstag nach Pfingsten der zehnte Bundeskanzler der deutschen Geschichte sein. Würde er an der Echternacher Prozession teilnehmen, wäre er mutmaßlich ein Verfechter des freien Springens. Zwei Schritte vor und einer zurück wären dem Sauerländer noch zu zielstrebig. Zumindest strebt seine Politik noch wirrer und langsamer nach vorne – wenn überhaupt. Nun bringt der Fraktionsvorsitzende der Union zwei Anträge in den Bundestag ein, die vom Geist der Echternacher Springprozession geprägt sind. Voraussichtlich wird das Parlament sie am Mittwoch behandeln. Doch seit die Ampel Geschichte ist und die CDU/CSU „Zufallsmehrheiten“ mit der AfD vermeiden will, ist die Tagesordnung des Bundestages nur noch von flüchtigem Charakter.

Kommen die beiden Punkte so wie geplant – Stand Montag, 11:08:33 Uhr – beantragt die Union zwei Gesetzesänderungen. Im Paragrafen 18 des Asylgesetzes steht bisher, dass illegal Einreisenden der Zugang nach Deutschland verweigert werden soll, wenn sie aus einem „sicheren Drittstaat“ kommen. Künftig soll dies auf Wunsch der CDU/CSU um die konkretere Formulierung „durch Zurückweisung an der Grenze“ ergänzt werden. Den Paragrafen 1 des Aufenthaltsgesetzes will die Union insofern ergänzen, dass neben der „Steuerung“ künftig auch die „Begrenzung“ der illegalen Einwanderung zum staatlichen Ziel wird.

Stimmt der Bundestag diesem Antrag am Mittwoch zu, kommt die Gesetzesänderung erst einmal in die Ausschüsse. Dort benötigt sie wieder eine Mehrheit. Dann erst kommt die Vorlage zur zweiten und dritten Lesung in den Bundestag, um dort tatsächlich zum Gesetz zu werden. Bis dahin hat es aber vermutlich eine Neuwahl gegeben, ist wieder Dienstag nach Pfingsten, und Friedrich Merz wird mehr Sprünge hinter sich haben als alle Echternacher Pilger zusammen. Einfacher ausgedrückt: Vor der Wahl passiert gar nichts. Der Antrag könnte zwar auch in einem beschleunigten Verfahren durch den Bundestag gehen und noch diese Woche zum Gesetz werden. Da Linke, SPD und Grüne dem aber nicht zustimmen wollen, wird das realistischerweise nicht passieren. Für ein beschleunigtes Verfahren braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag.

Der zweite Antrag ist ein Entschließungsantrag. Mit solchen Anträgen fordert der Bundestag die Regierung auf, etwas zu tun. Aber: „Das ist rechtlich völlig folgenlos und reine Symbolpolitik“, wie der Anwalt und TE-Autor Ulrich Vosgerau auf X schreibt. Die Grünen haben bereits geäußert, dass die Unionsvorschläge aus ihrer Sicht gegen die Verfassung verstoßen. Das gäbe der Regierung ausreichend Anlass, mindestens bis Pfingsten gar nichts zu tun – außer nach den nächsten Messertoten „ein paar Sätze des Mitgefühls zu äußern“ und zu betonen, dass ihre Gedanken bei den Angehörigen der Opfer seien.

Im Entschließungsantrag fordert die Union die Regierung auf, die Grenzen zu kontrollieren, illegale Einreiseversuche abzuweisen, Ausreisepflichtige nicht unkontrolliert im Land umherirren zu lassen, besonders auf Gefährder und Straftäter zu achten und die Länder im Vollzug der Ausreisepflicht zu unterstützen. Das sind Forderungen, die dazu führen, dass SPD-Generalsekretär Matthias Miersch von einem „fatalen Signal an unsere europäischen Partner“ spricht. Und Karl Lauterbach (SPD), Gesundheitsminister und Geschichtsrelativierer, nennt Merz in einem Atemzug mit Auschwitz – weil dieser die Bundesregierung auffordern will, sich an das Gesetz zu halten und ihre Bürger vor Straftätern und Gefährdern zu schützen. Mittlerweile hat Lauterbach seinen Post gelöscht.

Im Vergleich zur Berliner Politik ist die Echternacher Springprozession ein knallhart durchkalkuliertes und zutiefst rationales Rennen. Das Einhalten von Gesetzen und der Schutz vor Gefährdern als das neue Auschwitz… Die Berliner Politik ist durch. Nur vor diesem Hintergrund ist die Debatte um die Vorschläge der Union zu verstehen. Es geht nicht um Inhalte, es geht nur noch um Symbolik.

Wobei sich Geschichte als Farce wiederholt, wenn sie sich wiederholt. Die Berliner Mauer war ein Teufelswerk, an dem unbekannt viele ihr Leben verloren haben, um ein Leben in Freiheit führen zu können. Die „Brandmauer“ war ein linkes taktisches Manöver, das schon längst gescheitert ist. Als die Berliner Mauer fiel, tat sie das in einem dramatischen Rausch – die Brandmauer fällt in einer Posse. Das heißt: verwickelte Dramaturgie, doch am Ende kommt es gar nicht so sehr auf jeden Twist der Handlung an, sondern darauf, sich zwischendrin amüsieren zu können.

Die Brandmauer fällt. Aber sie fällt wie in einer Posse. Etwa wenn Friedrich Merz als Harlekin den Spagat aufführt, die Brandmauer abzutragen, ohne sie einzureißen. So will er nun zum Beispiel, dass Robert Habeck (Grüne) und Alice Weidel (die Partei, die nicht genannt werden darf) doch mit ihm und Olaf Scholz (SPD) im Kanzlerduell auftreten. ARD und ZDF hatten diese Runde bisher auf die Kandidaten der einst großen Koalition begrenzt. Das Kanzleramt dementierte Berichte, nach denen diese Auswahl auf Druck der Berater des Kanzlers zustande gekommen sei.

Keine direkte Politik. Keine konkreten, sinnvollen Handlungen. Das sicherlich nicht. Ein Rumgehopse wie in Echternach vielmehr. Eine Posse mit verwickelter Handlung. Das alles ist Merz‘ Verhalten viel eher. Doch die „Brandmauer“ fällt so, wie sie existiert hat: als albernes, linkes, taktisches Manöver, das auf Dauer keine Chance hat. Zumal dann nicht, wenn diese „Brandmauer“ Forderungen verhindert wie das Einhalten von Gesetzen oder den Schutz der Bevölkerung vor Gefährdern. Solange es braucht, dieses taktische Manöver zu beenden, so lange ist Politik halt wie eine Posse oder eine Springprozession. Dann sind Geduld und Humor nötig, um zuschauen zu können. Aber am Ende gilt für die Brandmauer: Und sie fällt doch.

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