Tichys Einblick
Antifa gegen Studentinnen

Kampagnen statt Diskurs: Wie persönliche Angriffe das Diskussionsklima vergiften

Wer sich einer sachlichen Diskussion nicht gewachsen fühlt, weicht gern auf persönliche Attacken aus. Dieser Mechanismus ist verbreitet, aber im Internet und in den Medien kann er zerstörerische Wirkung entfalten. Kampagnen gegen Personen sollten bereits im Keim erstickt werden.

Screenprint: Antifa Regensburg via Instagram

„Doxing“, die Veröffentlichung sensibler persönlicher Daten, insbesondere im Internet, ist in aller Munde, seit Jan Böhmermann die Identität des Youtubers Clownswelt hat auffliegen lassen. Der Fall ist besonders perfide, weil hier ein durch die Gebührenzahler gut alimentierter und durch seine Reichweite mächtiger Sender zugelassen hat, dass einer seiner Entertainer – der seine Privatsphäre streng schützt – einen einfachen Bürger drangsaliert.

Das ist aber nicht der erste und nicht der einzige Fall. Diese Form der Denunziation kann dramatische Folgen haben, und das nicht nur, wenn die Großen gegen die Kleinen nachtreten.

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Beteiligen sich aber gewichtige Akteure an dieser Form des öffentlichen Umgangs miteinander, wird ihre Vorbildfunktion ins Gegenteil verkehrt, und sie bieten auch anderen die Rechtfertigung für ähnliches Handeln. Die so forcierte Verrohung der Kommunikation bedroht nicht nur Individuen, und ist schädlich für das gesellschaftliche Miteinander, sie beschädigt und verunmöglicht auch Sachdebatten.

Diskreditierung und Diffamierung werden vielfach als Ersatz für Auseinandersetzung und Argumente betrachtet, wobei die Art und Weise, wie Menschen mundtot gemacht werden sollen, zum Teil absurde Züge annimmt: Anhänger bestimmter Ideologien skandalisieren bereits normale Aussagen – eindrücklichstes Beispiel ist sicher der Versuch, das Ansehen der Autorin J.K. Rowling zu zerstören, weil diese darauf hinwies, dass Männer, die sich als Frau identifizieren, dennoch Männer sind.

Ähnlich absurd ist nun eine Attacke der Antifa Regensburg auf eine studentische Organisation: ProLife Europe, eine von jungen Erwachsenen 2019 gegründete Lebensrechtsinitiative, setzt sich laut eigener Aussage dafür ein, unter Studenten „eine Kultur des Lebens in ganz Europa zu verteidigen und zu schaffen“: Engagement, das von jungen Leuten ausgeht, und sich an ihre Altersgenossen richtet.

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Die Aktivisten von ProLife Europa stehen auf ihrer Homepage und im öffentlichen Raum mit ihrem Namen und Gesicht für ihre Werte ein – was nicht ohne Risiko ist. Immer wieder müssen sich selbst Professoren und Lehrende gegen Versuche wehren, sie beruflich zu vernichten, wenn sie entsprechend aggressiven Vertretern aus dem links-woken Raum missfallen, wie etwa der Fall Marie-Luise Vollbrecht zeigt; aber selbst renommierte Professoren wie sind vor solchen existenz- und reputationsbedrohenden Vorgängen nicht gefeit. Es ist mutig, wenn sich Menschen am Beginn einer möglichen akademischen Karriere exponieren, und sich damit in Opposition zu teils gewaltbereiten Antifa-Aktivisten begeben.

Nun versuchte sich die Antifa Regensburg an einer Online-Kampagne gegen die Regensburger Hochschulgruppe von ProLife Europe.

Stein des Anstoßes ist die religiöse Verortung einiger beteiligter Studentinnen. Nun ist es für die Beantwortung der Frage, ob man ungeborene Kinder töten darf, unerheblich, ob die Person, die das verneint, an Christus, Krishna oder an den Zufall glaubt.

Allerdings sprachen wissenschaftliche und soziologische Erkenntnisse noch nie so klar gegen Abtreibung, wie heute: Medizinisches Wissen über Embryonalentwicklung macht die Entmenschlichung des Ungeborenen schwieriger. Die an Schwangerschaftswochen gekoppelte Unterscheidung zwischen „noch kein Mensch“ und „jetzt schon Mensch“ ist im besten Falle utilitaristisch – eine Haltung, die viele Menschen praktisch vertreten, während sie zugleich ungern eingestehen, utilitaristisch zu sein –, oder aber willkürlich. Die Tatsache, dass Abtreibung global besonders ungeborene Mädchen trifft, ist nur ein Beleg von vielen dafür, dass Abtreibung ein Instrument zur Unterdrückung, nicht zur Befreiung ist. Soziale Nöte und Härten als „Selbstbestimmung“ und „freie Entscheidung“ zu deklarieren, wirkt zunehmend zynisch.

Weil eine inhaltliche Auseinandersetzung also nicht so leicht zu „gewinnen“ ist, wie von Abtreibungsaktivisten gern behauptet, behilft man sich mit persönlichen Attacken: Eine „Recherche“ will üble Verstrickungen ans Licht bringen, reiht aber im Grunde nur Insinuationen und Spekulationen aneinander. Ressentiments gegen den katholischen Glauben im Allgemeinen und traditionelle und traditionalistische Ausformungen desselben im Besonderen gibt es schließlich zu Hauf, der Rekurs darauf erspart der Antifa eine Menge Arbeit.

Da die wenigen Fakten und zahlreichen Vermutungen nach dem Motto „irgendwas wird schon hängenbleiben“ wenig Anlass für einen Skandal bieten, verlässt man sich darauf, über verkürzende Posts auf Instagram Stimmung gegen die Studentinnen zu machen.

Clara Ott, Gruppenleiterin von ProLife Europe in Regensburg, zeigt sich darüber entsetzt: „Wir waren sehr schockiert. Statt eines sachlichen wissenschaftlichen Diskurses wurde entschieden, die Beteiligten als Person zu diffamieren und psychisch unter Druck zu setzen, vor allem, indem die Familie mit hineingezogen wird.“

Die Studentinnen hätten der Antifa Regensburg ein Gespräch angeboten. Bisher sei keine Antwort erfolgt. „Genau das wünschen wir uns aber, dass man sich zusammensetzen kann und einen fundierten und argumentativ stichhaltigen Diskurs führen kann, ohne die Menschen persönlich anzugreifen.“

Es wäre völlig legitim, wenn Ott und ihre Mitstreiterinnen so weit wie möglich anonym bleiben wollten. Sie treten jedoch offen für ihre Sache ein, beleidigen und bedrohen niemanden. Die Antifa-Aktivisten hingegen treten nicht nur öffentlich schwarz vermummt auf – auch im Netz und auf ihrem Instagram-Account achten sie darauf, Gesichter der eigenen Leute unkenntlich zu machen. Hier versteckt man seine Identität, während man andere sozialmedial einzuschüchtern sucht.

In diesem Fall verfing der Versuch der persönlichen Diffamierung (noch) nicht: Zahlreiche Solidaritätsbekundungen und Lob für die Studentinnen von ProLife Europe auf Instagram belegen, dass das unlautere Verhalten der Antifa auf wenig Gegenliebe trifft. Der Versuch der persönlichen Attacke verfängt nicht. Die junge und vergleichsweise unbekannte Initiative ProLife Europe bekommt indes kostenlos „Werbung“ – allerdings verbunden mit Belastungen für die Betroffenen, die sich und ihre Familien mit einem Einschüchterungsversuch konfrontiert sehen, der durchaus schnell in eine echte Bedrohungslage kippen könnte.

Obwohl die angelaufene Diffamierungskampagne hier noch einmal glimpflich verlaufen ist, ist sie dennoch ein Indikator für eine verrohte, respektlose Diskussionskultur: Am 27. Mai etwa wurde die Lebensrechtsexpertin Cornelia Kaminski von einem wissenschaftlichen Symposium der Juristischen Fakultät der Universität Münster ausgeladen – nur einen Tag vor der Veranstaltung. Linke Aktivisten hatten auch hier vor allem über die Sozialen Medien Druck ausgeübt und eine Drohkulisse geschaffen, vor der die Studenten, die das JuraForum organisieren, kapitulierten: Sie sahen sich außerstande, die Sicherheit der Veranstaltung zu gewährleisten, und sagten Kaminski ab.

Niemand sollte befürchten müssen, auf diese Weise angegriffen zu werden, wenn er seine grundgesetzlich verbrieften Rechte wahrnimmt. Die Konstruktion von „skandalfähigem“ Material, in den Raum der sozialen Medien hineingerufenes Geraune und Unterstellungen sollten den Diskurs nicht bestimmen.

Hier sind auch die Medien in der Pflicht: Nicht zuletzt wäre es im Sinne einer pluralen Gesellschaft und im Sinne ihres Auftrags, wenn gerade gebührenfinanzierte Medien sich ihrer Verantwortung bewusst würden, anstatt durch das Vorleben von Intoleranz die Hemmschwelle für derartige Attacken zu senken.

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