Tichys Einblick
Kritik an Donald Trump

Olaf Scholz und sein Gerd-Moment

Der deutsche Kanzler kritisiert den designierten amerikanischen Präsidenten wegen dessen Grönland-Ambitionen. Medien titeln begeistert, Scholz habe Trump eine klare Ansage erteilt. Das Netz lacht. Denn die Menschen wissen sehr genau: auf der Weltbühne nimmt Deutschland schon lange niemand mehr ernst.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Harald Schmidt ging ganz nahe an die Kamera ran, wandte sich an den Bundeskanzler und flüsterte: Er, Gerhard Schröder, habe schon verstanden, dass er sich jetzt die Wahl kaufen könne? Es war der August 2002 und die Elbe hatte im Osten des Landes gewütet. Im Kanzleramt saß mit Schröder ein Sozialdemokrat, der sehr wohl verstanden hatte, was Schmidt meinte. Er zeigte sich an der Elbe als Kümmerer, ließ zehn Milliarden Euro an Steuergeld fließen und drehte einen Wahlkampf, in dem er scheinbar aussichtslos gegen Edmund Stoiber (CSU) zurückgelegen hatte.

Handwerklich war Schröder mitunter mangelhaft. Doch in Fragen der PR gab es kaum einen Politiker, der ihm das Wasser reichen konnte. Das bewies er 2002 nicht nur, als im Osten das Wasser durch die Dämme ging. Auch eine außenpolitische Frage half ihm, die Wahl in Deutschland zu drehen. In Washington amtierte George W. Bush und bereitete einen Angriffskrieg gegen den Irak vor, weil der vermeintlich Massenvernichtungswaffen besaß. Nach dem 11. September 2001 hatte Schröder noch Deutschlands „uneingeschränkte Solidarität“ mit den USA versichert und die Bundeswehr in den Einsatz nach Afghanistan geschickt. Doch nun brauchte Schröder das Irak-Thema, um seine eigene Herrschaft abzusichern – und griff zu.

Diese Chance bietet sich nun auch Olaf Scholz. In Washington tritt Donald Trump in gut einer Woche seine zweite Amtszeit an. Öffentlich spricht er davon, auf Kanada, den Panama-Kanal und Grönland zugreifen zu wollen. Bei der dänisch regierten Arktis-Insel schließt Trump nicht einmal die Anwendung militärischer Gewalt aus. Das wäre jetzt die Chance für Olaf Scholz, der wie Schröder in einem aussichtslosen Wahlkampf steckt, nachdem er im Bundestag zugeben musste, dass seine rot-grüne Regierung nicht mehr die Kraft hat, das Land zu führen.

Und Scholz wird aktiv. Die Bild titelt sogar: „Scholz stellt sich gegen Trump“. Ist das der Gerd-Moment für Olaf Scholz? Nutzt er jetzt ebenfalls einen unbeliebten amerikanischen Präsidenten, um in Deutschland eine Wahl zu gewinnen? Nun ja. Gerd Schröder war ein PR-Genie, jemand, der wusste, wann er deutlich formulieren muss, um Menschen mitzunehmen. Und Olaf Scholz … Wer will, kann sich ein Bild von dem machen, was der amtierende Kanzler gesagt hat: „In meinen Gesprächen mit unseren europäischen Partnern ist ein gewisses Unverständnis deutlich geworden, was aktuelle Äußerungen aus den USA angeht.“ Ja. Daraus kann man durchaus die Überschrift machen: „Scholz stellt sich gegen Trump.“ Aber dann ist einem Klickbetteln halt wichtiger als journalistische Aufrichtigkeit.

Scholz erlebt seinen Schröder-Moment. Donald Trump liefert ihm eine Vorlage, mit der ein sozialdemokratischer Spitzenkandidat den aussichtslosen Wahlkampf drehen könnte. Würde der deutsche Kanzler sich wirklich entschlossen gegen den designierten amerikanischen Präsidenten stellen, könnte er nach Rechts mobilisieren, wo viele Wähler zuhause sind, die sich an der amerikanischen Vorherrschaft in der Welt stören. Gleichzeitig könnte Scholz nach Links mobilisieren. Dort herrscht ein noch stärkerer Antiamerikanismus als auf der Rechten – und Donald Trump ist für deutsche Linke eine Mischung aus Satan, Lord Voldemort und dem Schiedsrichter, der Deutschland bei der EM den Elfmeter gegen Spanien verweigert hat.

Vor allem bei den Wählern der Grünen könnte Scholz mit klaren Aussagen gegen Trump wildern. Die einstige Friedenspartei, deren Wurzeln im Protest vor amerikanischen Kasernen und Militärlagern liegt, hat sich über die Ukraine-Frage zu der Partei der härtesten Atlantiker entwickelt. Unter der Führung von Joe Biden sind die Grünen dem amerikanischen Engagement gegen den russischen Angriffskrieg am entschiedensten gefolgt. Mit dem Machtwechsel in Washington treibt sie das an die Seite Trumps – also des Mannes, der für grüne Wähler wie eine Party mit Coca Cola, Fleischbüffet und Laila in Dauerschleife ist. Die Friedensbewegten und Anti-Amerikaner unter den Grünen könnte Scholz jetzt durchaus abgreifen.

Könnte. Konjunktiv. Im Indikativ ist Olaf Scholz Olaf Scholz. Und sagt: „Die Unverletzlichkeit von Grenzen ist ein Grundprinzip des Völkerrechts.“ Das mag die Kirchentagsgefühslage einer Katrin Göring-Eckardt ein wenig kitzeln oder einem Rolf Mützenich das ins Gesicht treiben, was er unter einem Lächeln versteht. Aber um eine Wahl zu drehen, ist das viel zu wenig. Olaf Scholz erlebt derzeit seinen Gerd-Moment. Aber er verpasst ihn. Auch die Bild hat das mittlerweile eingesehen und titelt einen halben Tag später: „Muss Deutschland vor Trump zittern?“ Unter der Führung eines Mannes wie Olaf Scholz gibt es darauf nur eine Antwort: ja.

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