Tichys Einblick
Globale Atomrenaissance

Merz fliegt mit grünem Autopiloten

Uranaktien zählen derzeit zu den Stars an der Börse. Nach elf Wochen steigender Kurse wird deutlich: Die Kernenergie steht am Anfang eines globalen Booms. Deutschland steht derweil nach seiner energiepolitischen Selbstkastration wie ein geprügelter Hund am Spielfeldrand.

picture alliance / dts-Agentur

Verantwortungsbewusste Politik hätte sich in Deutschland nach der Wahl vor allem auf ein Politikfeld stürzen müssen: Die Energiepolitik. Sie bestimmt die Richtung, die eine Volkswirtschaft grosso modo einschlägt. Energie muss günstig und zuverlässig zur Verfügung stehen, sollte an einer gedeihenden Industrie gelegen sein, deren Kraftzellen sich in die Tiefen der wirtschaftlichen Verästlungen des Wirtschaftslebens wie ein robustes Wurzelwerk, das immer neue Bäume des Wohlstands treibt, hineinbohren.

Doch hat auch der von den Medien einst zum „Wirtschaftsfachmann“ stilisierte neue Bundeskanzler Friedrich Merz gleich zu Beginn seiner Amtszeit klargestellt: Mit ihm wird es kein Comeback der Kernkraft geben. Gleiches gilt im Übrigen auch für eine Abschaffung des Mietendeckels, des Mindestlohns, des Heizungsgesetzes oder der CO2-Besteuerung. Merz ist ein waschechter Etatist, ein grüner Mitläufer, der die Politik seiner Vorgänger im Modus des Autopiloten fortsetzt.

Kindpolitiker haben Stecker gezogen

In Deutschland haben grün-sozialistische Ideologen mit intellektueller Schlagseite dem neuralgischen Kräftefeld der Ökonomie buchstäblich den Stecker gezogen. Was man sich in den Kreisen öffentlich alimentierter Gemütlichkeit nicht vorstellen mag, wurde im grünen Dystopia Deutschland zur Realität: Zehntausende Betriebe schließen, die Industrie wandert ab und Hunderttausende verlieren ihre Existenz in gut bezahlten Segmenten des Gewerbes. Deutsche Industriebetriebe kämpfen mit vergleichsweise grotesk hohen Strompreisen gegen eine Konkurrenz, die in ihren Heimatstandorten vor ideologischen Bruchpiloten und wahnhafter Selbstzerstörung geschirmt wird.

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Industriestrompreise in Deutschland schlagen bisweilen viermal so hoch zu Buche wie an Referenzstandorten in den USA, Frankreich oder China. Industriebetriebe sind in diesem Umfeld nicht mehr konkurrenzfähig und gezwungen, ausweichend zu handeln – mit fatalen Folgen für das sozio-ökonomische Geschehen im Land. Der deutsche Furor, der sich unbeirrt gegen die Säulen des eigenen Wohlstands richtet, mag psychologisch interessant sein. Auch mag er eine Folge einer fundamentalen Fehleinschätzung ökonomischer Grundsätze einer in Teilen satten Erbengeneration sein, die sich mit dem wohltuenden Gedanken angefreundet hat, mit dem Erbe zweier erfolgreicher Nachkriegsgenerationen das Leben auf dem Spielfeld des Moralischen ausklingen zu lassen. Diese privilegierten Bewohner des Steuerzahler-alimentierten Moral-Walhallas lassen sich intellektuell treiben, ganz nach Goethes Faust: „Alles verzehren bis zum End, das ist das beste Testament“
Deindustrialisierung schreitet fort

Die Deindustrialisierung schreitet im Zuge der Energiepreisexplosion mit alarmierender Geschwindigkeit voran. Seit 2023 befindet sich die deutsche Wirtschaft in der längsten Rezession der Nachkriegsgeschichte, das Bruttoinlandsprodukt dürfte auch 2025 weiter schrumpfen, lediglich der Staat hält mit fruchtlosen Kreditprogrammen die Illusion ökonomischer Stabilität aufrecht. Besonders energieintensive Branchen wie die Chemie, Stahl oder der Automobilbau verlagern Produktion ins Ausland und bauen massiv Stellen ab – allein 2024 gingen rund 70.000 Industriearbeitsplätze verloren, 2025 werden weitere 100.000 folgen.

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Investitionen werden zurückgestellt, die Wettbewerbsfähigkeit leidet, während hohe Energiepreise und politische Unsicherheiten den Standort Deutschland zunehmend unattraktiv machen. Die Politik steht unter Zugzwang, endlich entschlossen zu handeln und marktwirtschaftliche Reformen einzuleiten, um den industriellen Kern Deutschlands zu retten. Doch wie bereits eingangs gesagt: Merz fliegt mit Autopilot, während die deutsche Wirtschaft auf einen Crash zusteuert. Eine Rückkehr zur Kernkraft wäre ein symbolischer erster Schritt, ein deutliches Handzeichen der deutschen Politik: Wir sind wieder im Spiel, wir nehmen die Herausforderung an!
Kernkraft bleibt Teil des Energiemixes

Zur Einordnung der Kernkraft in der globalen Energiematrix: Kernenergie bleibt auch in der Zukunft ein unverzichtbarer Eckpfeiler der globalen Stromerzeugung. Die Zahlen sind auch nach dem Verklingen grüner Veitstänze vor den abgeschalteten deutschen Meilern unbestechlich: 2022 lieferten Kernkraftwerke weltweit 2.800 Terawattstunden Strom, was etwa 10 Prozent des weltweiten Energiebedarfs deckte. Bis 2050 wird ihre jährliche Produktion voraussichtlich auf über 6.000 Terawattstunden steigen, um den glücklicherweise massiv wachsenden Energiehunger der Menschheit zu stillen. Er ist Ausdruck ökonomischer Tätigkeit und des Willens, das zivilisatorische Niveau zu heben – Energie ist das Fundament, auf dem Zivilisationen ihre immer komplexeren Strukturbauten errichten.

Ausstieg vom Ausstieg
Deutschland 2045: Teurer Klimaplan – Kernkraft als günstigere Option
Bis 2050 könnten weltweit bis zu 300 neue Kernkraftwerke ans Netz gehen und die bestehende Flotte von 420 Meilern erweitern. Der Ausbau konzentriert sich vor allem auf die Regionen Asiens: China plant in den kommenden 15 Jahren den bestehenden weitere 40 Meiler hinzuzufügen. Indien, Südkorea und selbst Japan, das seinen Fukushima-Schock längst verkraftet hat, investieren ebenfalls große Summen Kapitals in den Ausbau, während auch die USA und Frankreich Neubauten und Modernisierungen vorbereiten oder bereits in die Umsetzungsphase eingetreten sind. Insgesamt werden bis 2050 weltweit zwischen 700–750 Reaktoren ihren Beitrag zur notwendigen Erzeugung des wichtigsten Treibstoffs unserer Zivilisation leisten. Der Ausbau wird den Anteil der Kernkraft an der gesamten Stromerzeugung mehr oder weniger konstant halten.
Ideologische Fallgrube Green Deal

Während die Weltwirtschaft auf Fortschrittstechnologien wie die weiterentwickelte Kernkraft vertraut, erneuerbare Energieträger dort einsetzt, wo der Markt ihre Integration erlaubt, stellt sich Deutschland wie ein dummes Kind stur und zwingt mit seiner ideologischen Ignoranz einen halben Kontinent in energiepolitische Fragilität und Notstände. Der Blackout auf der Iberischen Halbinsel vor wenigen Woche sollte als Wetterleuchten der neuen Zeit verstanden und nicht als Kuriosität mit politischer Nonchalance übergangen werden.

Energiewende-Wende?
Atom-Wiedereinstieg möglich: Neun Kernkraftwerke zur Rettung der Wirtschaft
Merz energiepolitischer Blindflug zeigt zweierlei: Er ist zum einen bereit, weite Teil der deutschen Wirtschaft zu opfern, um die Illusion der zentral gelenkten grünen Transformationswirtschaft am Leben zu halten. Zum anderen ist dem Zentralplaner mit unleugbarem politischen Linksdrall nicht klar, dass auf schwere ökonomische Schocks gravierende soziale Krisen folgen, die nicht selten das Potenzial entfalten, politische Systeme schwer zu beschädigen. Merz hätte sich neben einer vertiefenden Mises-Lektüre unbedingt mit der Geschichte europäischer Wirtschaftskrisen befassen sollen, anstatt sich als BlackRock-Funktionär von den dort herrschenden Praktiken des Korporatismus einlullen zu lassen. Merz hat sämtliche Chancen liegengelassen, Deutschland einen neuen Spin zu geben. Und er hat dies mit voller Überzeugung getan.
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