Tichys Einblick
Debatten über die Debatte

Intl. Medien: „Chance groß, dass Merz eine Lösung vorschlägt, die er nicht umsetzen kann“

Nach einer an Krisen und Wendungen reichen Woche ist einiges klar geworden. Die Union wollte die Sache mit der „Zustrombegrenzung“ nur mal ausprobieren. Rot-Grün agierte derweil als einheitlicher, sturer Block. Am Ende könnte die AfD am meisten profitieren.

IMAGO/dts

Diese Debatte war eine Chance, die aber von sofort an genutzt werden muss. Die Chance bestand darin, dass vielleicht erstmals eine generelle Diskussion über das wichtige Migrationsthema im Bundestag stattfand, die über die Verwaltung des Asylsystemsnotstandes hinausging. Friedrich Merz, Wolfgang Kubicki und andere aus den „Altparteien“ der rechten Parlamentshälfte sprachen die Opfer und die Toten dieser ungeordneten, massenhaften, illegalen Zuwanderung an. Sogar von den „täglichen Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylbewerbermilieu“ sprach Merz. Damit ist es nicht mehr nur eine Partei, die diese Tatsachen benennt und die zeigt, dass ihr das Leben der Bürger noch etwas wert ist. Das muss sich nun verstetigen. Das Heulen auf der linken Seite des Plenums war groß.

Aber Friedrich Merz zeigt auch durch seine Kommentierung im Nachhinein („Erlebnis der besonderen Art“), dass er die Abstimmung eher als interessantes Experiment betrieben hat. Mal gucken, was die Roten und Grünen machen, wenn ich so etwas einbringe, mal sehen, ob die Umfragen dann anziehen. Und die Zustimmung der AfD muss man eben hinnehmen.

Deutlich wurde immerhin das Verbiegen der Wahrheit durch die Roten und Grünen. In jedem halbwegs normalen Land hätten SPD, Grüne und natürlich auch die Linkspartei damit ihren Untergang besiegelt. In der Debatte vom Freitag wurde, egal ob Scholz oder Baerbock sprach, nur eines klar: Beide Parteien möchten an ihrer offenbar rechtswidrigen Unterstützung der illegalen Zuwanderung festhalten.

Es zeigte sich die große Einigkeit zwischen Annalena Baerbock und Nancy Faeser, die sich hinter dem „Kampf gegen rechts“ verstecken, aber den Kampf gegen die Bürger verstetigen. Auch Olaf Scholz durfte als Grüßaugust für eine Fortsetzung der illegalen Zuwanderung eintreten, die sich unter dem Mäntelchen des „Anspruchs auf Asyl“ versteckt. Mit Zähnen und Klauen wurden dabei ideologische Grundsätze verteidigt, bis in die sichere Niederlage halten Sozialdemokraten und Grüne die zerfetzte Fahne eines abgewrackten, dabei kostspielig finanzierten Asylsystems hoch, das zudem mit vielfältigen Nachteilen für die Bürger behaftet ist. Die Toten stehen an erster Stelle. Doch vielleicht ist das resultierende Klima für die Überlebenden noch wichtiger.

Was die Sozialdemokraten wirklich wollen, ist: die deutschen Vorstädte mit Menschen aus dem islamischen Raum fluten. Und sie haben dafür vermutlich eine Vielzahl an Gründen. Aber Nancy Faeser – so eine aktuelle Meldung – kann nicht einmal den Bedarf bei den Integrationskursen richtig vorausberechnen und spart gerade genau an dieser Stelle. Wollen die linken Gestalten das Chaos? Derweil werden CDU-Zentralen im halben Land (Berlin, Bremen, Hamburg, Hannover, Lingen, Lüneburg) beschmiert oder gleich besetzt und verwüstet. In Berlin und Ludwigsburg fühlten sich CDU-Politiker mit Mord bedroht – mit Worten oder durch eine auf dem Wahlkampfbus abgelegte Patrone.

Endet eine Ära des Kompromisses oder beginnt eine neue?

Und was sagt das Ausland? In Frankreich meint der Mitte-rechts-stehende Figaro in seiner Schlagzeile: „Bei der Migrationsfrage beharrt die CDU darauf, mit der extremen Rechten zu stimmen“. Die CDU habe zuvor „gegen alle politischen Traditionen, die in Deutschland seit der Nachkriegszeit vorherrschten“, mit der „extremen Rechten“ gestimmt. Drei Wochen vor den Neuwahlen habe die Merz-Initiative „ein politisches Erdbeben ausgelöst, das die für Deutschland typische Kultur des Kompromisses erschüttert“. Aber hat das Beben diese Kultur nicht eigentlich erweitert? Ein Kompromiss nicht nur mit denen, die zum „inneren Kreis“ gehören sollen? Aus französischer Sicht ist jedenfalls klar: In dieser Woche wurde „der Cordon sanitaire gegenüber der extremen Rechten gesprengt“, und das gleich zweimal, wie Mediapart vermerkt.

Im britischen Spectator – neutral zwischen Tories und Reform – wird vermutet, dass die „einstürzende Brandmauer“ in Deutschland der AfD eine „Turboladung“ schenken könnte. Der Autor Leon Mangasarian hält es dennoch für alternativlos, dass Merz die „sozialdemokratisch-grüne Dominanz in der Migrationspolitik“ zu brechen suchte. Festgehalten wird aber auch, dass gemäß Phoenix-Reporter von Fallois „alle Parteien der Mitte“ zu den Verlierern des Tages zählen.

Merken muss man sich jedenfalls und allerdings die Erklärung von Thorsten Frei (CDU), dass eine Brandmauer im realen Leben dazu da sei, die Ausbreitung eines Feuers zu verhindern oder zu verlangsamen. Das sei aber in diesem Falle – bei der AfD und ihren Wählern – nicht gelungen. Der „Brand“ – so falsch man das Bild auch finden mag – breitet sich aus, findet immer neue Nahrung, immer neue Anhänger. 67 Prozent der von INSA Befragten befürworten das jetzt vorgelegte Zustrombegrenzungsgesetz der CDU, das nur ein sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung gewesen wäre.

Aus Österreich hat sich Sebastian Kurz gemeldet und sagte zum neuen CDU-Kurs, der sei „nicht nur richtig, sondern absolut notwendig“. Es sei inzwischen „amtlich“, dass die „unkontrollierte Migration“ nach Europa „nicht gut“ für den Kontinent ist.

Die österreichische Zeitung „Die Presse“ konstatiert, dass Friedrich Merz nach der Wahl vor einem schwierigen Verhandlungstisch steht, da er eine Koalition mit der AfD ausschließt und eine Mehrheit mit der FDP kaum zu erreichen scheint: „Denn Merz schließt aus, mit der AfD zu regieren. Und für eine Mehrheit mit der FDP dürfte es kaum reichen. Das heißt auch: Die Chance ist groß, dass Merz eine Lösung vorschlägt, die er gar nicht umsetzen kann.“ Was zu wenig bis keiner Veränderungen für die deutsche Bevölkerung führen würde. „Außer Merz macht es wie die Österreicher und reißt die Brandmauer nach Rechtsaußen doch noch ein. Dann hätte Europa seine politische Mitte verloren.“

Wird Merz zum „Yezilgözchen“?

Im niederländischen Volkskraant findet sich die Warnung eines Historikers und Deutschland-Experten von der Universität Amsterdam. Willem Melching meint: „Friedrich Merz hat auf doppelt oder gar nichts gesetzt. Er weiß, dass seine Partei der AfD nur mit einer strengeren Migrationspolitik Stimmen abnehmen kann.“ Tatsächlich habe Merz mit diesem Manöver mehr Bewegungsfreiheit erlangt, weil er sich der Einengung auf eine Kooperation nur mit SPD und Grünen entzogen hat. „Das Risiko ist, dass er zu einem ‚Yesilgözje‘ wird und die AfD, wie die PVV in den Niederlanden, die Gewinne für sich einstreichen kann.“ Diese Bemerkung zielt auf die Chefin der rechtsliberalen VVD, Dilan Yesilgöz, ab, die versuchte sich mit migrationskritischen Tönen als Rutte-Nachfolgerin zu bewerben. Wie bekannt, erhielt Geert Wilders mit seiner PVV danach die meisten Stimmen. Merz als „Yezilgözchen“ würde also bedeuten, dass die CDU bei den Wahlen hinter der AfD vom Platz geht.

Das rechtsstehende Giornale aus Italien zeigt sich wenig begeistert von den strategischen Fähigkeiten der Deutschen wie von Friedrich Merz im besonderen: „Die Deutschen zeichnen sich nicht durch strategische Fähigkeiten aus, wie ihre Niederlage in den beiden Weltkriegen zeigt.“ „Merz’ Selbstmord im Parlament“ heißt denn auch die Zeile. „Dramatisch verfehlt“ habe der CDU-Chef sein Ziel, die Migrationspolitik seines Landes radikal zu ändern. Tatsächlich habe Merz aber schlicht Angst, dass die Union an Unterstützung „zugunsten der extremen Rechten verliert, mit der er nach eigenen Angaben keine Regierung bilden will, obwohl er deren Unterstützung sucht“. Das erinnert bereits an die Lage in Frankreich, in der die aktuelle Regierung wie die vorausgehende Michel Barniers auf die Unterstützung des Rassemblement national (RN) angewiesen sind, ohne dass sie sich damit wirklich abfinden können.

„Deutsche Politiker senden Signal an syrische Asylbewerber“

Ein klares Zeichen entnimmt schließlich die nicht als sonderlich konservativ bekannte Washington Post den deutschen Befindlichkeiten: „Deutsche Politiker senden Signal an syrische Asylbewerber: Es ist Zeit, nach Hause zu gehen“. Eine „scharfe Wende hin zu einer härteren Gangart gegenüber Migranten“ zeichne sich ab und bilde auch ein Echo der neuen Trump-Regierung. Man merkt, dass Washington aktuell zur MAGA-Sphäre geworden ist. Das schärft den Blick für ähnliche Entwicklungen anderswo. Aus der Innenperspektive muss man sagen, dass dieses Signal der „deutschen Politik“ an die Migranten aus Syrien noch relativ schwach bleibt, jedenfalls vor diesen Wahlen im Februar, die einiges verändern könnten.

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