Tichys Einblick
Stromlinienförmige Wissenschaft

Historikerverband fordert Anti-Fake-News-Fortbildung für Lehrer

Die Wissenschaft als willfähriger Gehilfe der Ideologie: Der deutsche Historikerverband VHD will, dass sich Lehrer gegen "Fake News" fortbilden. Angesichts seiner eigenen Positionierung liegt jedoch der Verdacht nahe, dass damit in erster Linie Informationen gemeint sind, die öffentlich gepflegten Narrativen widersprechen.

Lutz Raphael, Vorsitzender des VHD

picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Der Vorsitzende des 3.000 Mitglieder zählenden Historiker-Verbandes Deutschlands (VHD), Lutz Raphael, fordert in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung verpflichtende Geschichtslehrer-Fortbildungen wegen „Fake News“.

Raphael, von 1996 bis 2021 Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Trier, argumentiert so: Angesichts zunehmend mangelnder Geschichtskenntnisse vor allem bei jüngeren Menschen und der Zunahme von Fake News müssten die Fachkräfte, die Geschichte unterrichten, weiterqualifiziert werden.

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Sie müssten auf „die Höhe der Probleme gebracht werden“ und dürften „nicht vor einer Mischung von pubertärer Provokation und Halbwissen, das ihnen um die Ohren gehauen wird, kapitulieren“, so Raphael, der eine jüngere Umfrage der Jewish Claims Conference bemüht. Danach können rund 40 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in Deutschland die Zahl der in der NS-Zeit ermordeten Juden nicht angeben. Nur zwei von drei Befragten kannten den Namen Auschwitz und zwölf Prozent gaben an, den Begriff Holocaust noch nie gehört zu haben. Auf eine Auswertung hinsichtlich des kulturellen Hintergrunds der jungen Leute wurde wohlweislich verzichtet.

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Geschichtsunterricht gehöre zur Demokratiebildung, hob Raphael hervor. „Angesichts der Durchschlagskraft sozialer Medien mit Fake News“ müsse diese Demokratiebildung intensiver unterrichtet werden. Aha! Ist das eine Bewerbung des VDH um Gelder aus dem 182-Millionen-Euro-Topf des staatlichen Indoktrinationsprogramms „Demokratie leben!“?

Warum es keine Weiterbildungspflicht für Lehrer gebe, verstehe er, Lutz Raphael, ansonsten nicht und halte das auch „für fahrlässig“. Eine solche Verpflichtung wie etwa für Ärzte ließe sich auch für Lehrer einführen. Allerdings täuscht sich der Vorsitzende des VHD. Die Verpflichtung zur Fortbildung von Lehrern ist nämlich geregelt, etwa in Bayern im Lehrerbildungsgesetz (Art. 20 Abs. 2 BayLBG). Hier gilt sie als erfüllt, wenn Fortbildung im Zeitumfang von zwölf Fortbildungstagen innerhalb von vier Jahren nachgewiesen ist. Pro Jahr sind das also drei verpflichtende Fortbildungstage.

Die Versäumnisse des VHD

Der VHD sollte ansonsten erst einmal vor der eigenen Türe kehren. Wo war seine Stimme, als das Fach Geschichte in einigen deutschen Ländern abgeschafft wurde und in einem Sammelsuriumfach namens „Gemeinschaftskunde“ aufging? Wo war seine Stimme, als die Lehrpläne zu Leerplänen ausgedünnt wurden, weil es ja als unzumutbar galt, dass Schüler historische Namen und Daten auswendig lernen sollten? Wo war die Stimme des VHD, als sich herausstellte, dass Schüler in Deutschland fast nichts über die DDR oder auch über die Gräuel kommunistischer Gewaltherrschaften wussten?

Ja, vor allem hier greift ein historischer Analphabetismus um sich. Mehr als die Hälfte der Schüler kennt das Jahr des Mauerbaus nicht. Nur jeder Dritte weiß, dass die DDR die Mauer gebaut hat. Dieses defizitäre Wissen schlägt sich auch in der Einordnungsfähigkeit nieder. Fast die Hälfte der Schüler kann nicht zwischen den Merkmalen von demokratischen und diktatorischen Systemen unterscheiden. Ist dies ein später Sieg der Diktaturen? Und eines dürfte auch klar sein: Je mehr sich die Schule auf NS-Geschichte konzentriert, quer durch alle Fächer und alle Jahrgangsstufen, desto mehr gehen bei Schülern die Jalousien herunter. „Nie wieder!“ sei ja richtig, aber doch nicht ein ständiges „Schon wieder!“

Die ideologischen Verirrungen des VHD

Auch sonst gab es immer wieder Ereignisse, bei denen sich der Historikerverband nicht mit Ruhm bekleckert hat. Beim Historikertag 2018 wurde Merkels Grenzöffnung von 2015 mit großer Mehrheit als »Pflicht zur Hilfeleistung in humanitären Krisensituationen« gutgeheißen. Es wurde behauptet, Migration habe »die beteiligten Gesellschaften insgesamt bereichert«. Im gleichen Aufwasch wurde »gegen rechts« zu Felde gezogen. Begründet wurde eine Resolution des Historikertages mit der Gefahr, die unserer Demokratie »von rechts« drohe.

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Widerspruch gab es nur von wenigen. »Gegen Gruppendruck und Bekenntniszwang« schrieben die Professoren Dominik Geppert (Universität Potsdam) und Peter Hoeres (Universität Würzburg) an. Sie kritisierten »die intellektuelle Sackgasse, in die man gerät, wenn man Fachkompetenz für politische Zwecke funktionalisieren möchte«. Und weiter: »Politisch töricht war die Aktion, weil sie nach unserer Auffassung genau die Tendenzen befördert, die zu bekämpfen sie vorgibt. Pegida und AfD leben davon, dass in Deutschland das Justemilieu die Diskursgrenzen immer enger ziehen und vieles, was gesellschaftlich umstritten ist, aus dem Kreis des legitimerweise Diskutierbaren ausgeschlossen sehen möchte.«

Im Mai 2024 verurteilte der Historikerverband die Räumung eines in der Freien Universität Berlin rechtswidrig errichteten pro-palästinensischen „Camps“. Der Würzburger Historiker Peter Hoeres verließ in der Folge zusammen mit weiteren Kollegen den Verband. Indirekte Folge für Hoeres und seinen Mitarbeiter Benjamin Hasselhorn war, dass sich beide einer üblen Kampagne der linken Würzburger Studentenschaft gegenübersahen. Ohne von der Hochschulleitung geschützt zu werden.

Zu Recht schrieb Michael Wolffsohn am 16. Mai 2024 in der NZZ: „Was wir zurzeit erleben, ist die Selbstenttarnung der weichen Wissenschaft als
willfährige Dienstmagd von Ideologie und Politik.“

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