Tichys Einblick
Die Konsequenzen-Forderer ducken sich weg

Affäre Gelbhaar: Was soll vertuscht werden?

Wollen die Grünen aufklären oder diesen Skandal mithilfe der ihnen gewogenen Medien aussitzen und vertuschen? Was weiß Habeck? Was Andreas Audretsch? In der Aufklärung um diese Affäre geben die Grünen ein Bild der Schwäche ab.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Am Sonntag informierte die Journalistin Roberta Bieling von RTL Aktuell, dass Robert Habeck Journalisten untersagte, ihm Fragen zur Affäre Gelbhaar zu stellen: „Hinter mir spricht gerade Robert Habeck auf einer Wahlkampf-Veranstaltung und danach führe ich ein Interview mit ihm. Was dabei ausdrücklich nicht erwünscht ist, sind Fragen zum Parteiskandal um Stefan Gelbhaar. Dazu möchte er sich ausdrücklich nicht äußern.“

Dass der Grünen-Chef von grünaffinen Medien nur Devotion gewohnt ist, vor einer Diskussion mit der Kollegin Kanzlerkandidatin von der AfD, Alice Weidel, flieht, wie er ohnehin nur Diskussionen mit Gleichgesinnten eingeht, Medien-Veranstaltungen und Interviews liebt, wie er an keinem Mikrophon vorbeigehen kann, vorausgesetzt, sie sind von willigen Propagandisten zu seiner Huldigung aufgestellt, ist bekannt. Zuvor hat er eine kleine improvisierte Pressekonferenz nach einer Wahlveranstaltung ausfallen lassen, weil er vor der Wahlveranstaltung von einem Bild-Reporter auf die Affäre Gelbhaar angesprochen wurde. Da schwante ihm, dass er nicht nach seinen Großtaten, sondern möglicherweise nach seinen Kleintaten in der Affäre Gelbhaar gefragt werden würde. Was so gar nicht die Art des „Kandidaten für seine Menschen“ ist, ließ Habeck die kleine Pressekonferenz absagen, weil sie wohl kaum launig und kaum ohne unangenehme Fragen verlaufen wäre, und gab durch den Hintereingang, was auch nicht seinen Gewohnheiten entspricht, Fersengeld. Jedenfalls entfernte er sich von den Journalisten schneller als Speedy Gonzales, der schnellsten Maus von ganz Mexiko, es gekonnt hätte.

Andreas Audretsch, der Nutznießer der Affäre, behauptete indessen schmallippig: „Ich weiß nicht, welche Frauen Vorwürfe erhoben haben und habe mit dem gesamten Vorgang nichts zu tun.“ Mehr kommt da nicht. Mein Name ist Audretsch, ich weiß von nichts. Nicht einmal ein mitfühlendes Wort für einen Parteifreund, dem übel mitgespielt wurde. Stattdessen droht Audretsch in typisch grüner Bescheidenheit, als handelte es sich um einen Akt von Majestätsbeleidigung: „Jeder Versuch, mich in eine solche Verbindung zu bringen ist unzulässig und unredlich.“ Wer das noch nicht wusste, weiß es jetzt, Andreas Audretsch, Habecks Wahlkampmanager, ist das eigentliche Opfer der Intrige, nicht Stefan Gelbhaar.

Halten wir fest, am Sonntag weigert sich Habeck als Chef von Andreas Audretsch, als Spitzenkandidat der Grünen und Parteifreund von Stefan Gelbhaar sich zu dem gravierenden Skandal und zu der innerparteilichen Intrige gegen Gelbhaar zu äußern. Er taucht ab. Habeck, der Mann, der Kanzler werden will, versteckt sich und zeigt sich unfähig zur Krisenkommunikation. Es ist dann die Außenministerin Annalena Baerbock, die dann als erste den Skandal notgedrungen kommentiert. Offensichtlich fühlt sie sich dem innerparteilichen Leben ihrer Partei entrückt, denn als Außenministerin könne sie zu dem Fall nichts sagen. Gefragt wurde sie ja auch nicht als Außenministerin, sondern als Politikerin der Grünen, die dem Führungszirkel der Partei angehört. Geradezu russisch verwies sie darauf, dass die zuständigen Organe, also die Parteizentrale und die Ombudsstelle der Partei, sich darum kümmern würden. Doch besonders wichtig war ihr zu betonen: „Der Wahlkampfmanager hat damit auch nichts zu tun“, wo sie doch zu dem Fall nichts sagen könne, schon gar nicht als Außenministerin?

Oder weiß sie etwas – und betont deshalb besonders, dass, obwohl sie nichts weiß, genau wisse, dass der Wahlkampfmanager damit „auch“ nichts zu tun. Und was heißt „auch“? Hat Andreas Audretsch damit nichts zu tun, wie auch Robert Habeck, der Wahlkampfmanager wie der Kanzlerkandidat damit nichts zu tun hat? Weshalb äußert sich die Außenministerin, nicht aber der Kanzlerkandidat und oberste Wahlkämpfer der Partei, wo es um den Wahlkampf, wo es um die grünen Wahlkämpfer geht?

Darf und muss man nicht von einem Kanzler erwarten, dass Krisenkommunikation zu seinen Grundfähigkeiten gehört, über die Robert Habeck offensichtlich nicht verfügt?

In der Affäre gibt er ein Bild der Schwäche ab. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann kommentierte gegenüber BILD: „Dass ausgerechnet die Grünen solche falschen Beschuldigungen als Kavaliersdelikt abtun, ist unerträglich. Es ist naiv zu glauben, dass der Profiteur dieser Affaire – Habecks oberster Wahlkampfmanager Andreas Audretsch – nichts davon wusste. Robert Habeck muss sein Schweigen brechen. Bei einem solchen Verdacht in seinem engsten Umfeld kann er sich nicht länger wegducken.“

Nun endlich, nachdem anscheinend seine Mitarbeiter dem ratlosen Wahlkämpfer ein Statement verfasst hatten, äußerte sich Habeck auf wachsenden Druck: „Die Vorgänge im Berliner Landesverband sind gravierend und auch schockierend.“ Warum konnte er das gestern noch nicht sagen? Waren die Vorgänge gestern und vorgestern noch nicht schockierend? Hat er mit Andreas Audretsch nicht einen Mann an seiner Seite, der als Mitglieder der Berliner Grünen die „Vorgänge“ genau kennt? Um dann die Plattitüde zu formulieren: „Es muss unbedingt schnell und rücksichtslos aufgeklärt werden, was da eigentlich passiert ist, und auch die Konsequenzen gezogen werden.“ Ansonsten die russische Antwort, die man schon von Baerbock kennt, dass der Parteivorstand „komplett dran“ sei, mit anderen Worten, dass die zuständigen Organe ihre Arbeit aufgenommen haben. Außer diesen Floskeln wollte Habeck nichts äußern, nichts zu dem handfesten Skandal sagen.

Die Frage steht, wollen die Grünen aufklären oder vertuschen? Das hängt davon ab, wer in die Affäre verwickelt ist. Was weiß Habeck? Was Andreas Audretsch? Wie steht es um den Abgeordneten, bei dem Shirin Kreße bis zum Wochenende angestellt war, der wie Audretsch dem linken Parteiflügel angehört? Wurde von interessierter Seite eine kleine Intrige gegen Stefan Gelbhaar gestartet, die sich dann aber verselbständigte und außer Kontrolle geriet? Soll Shirin Kreße zur „Alleintäterin“ stilisiert werden, um andere zu schützen?

Zu viele Fragen stehen im Raum – und alle hängen sie mit der „demokratischen“ Kultur innerhalb der Partei der Grünen zusammen.

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