Die Grünen können politisch nur überleben, indem sie den Bürgern die Freiheit der Wahl, die Freiheit der Meinung und die Freiheit eines selbstbestimmten Lebens absprechen, indem sie andere Politiker entmenschlichen, indem sie andere Parteien und andere Politiker in eine Art modernen Gulag zu sperren gedenken. Die Grundmaximen dieser Partei lauten Verbote und Gängelungen. Freiheit ist ihnen ein Gräuel. Robert Habeck empfindet es sogar schon als Zumutung, Alice Weidel die Hand zu geben. Die normale Kultur des Umgangs bleibt Neu-Versailles Chefideologen fremd.
Der Mann, der den Niedergang des deutschen Wirtschaftsstandortes zu verantworten hat, führt einen Wahlkampf, der ein einziges Desaster darstellt, statt Fakten, Rationalität, Argumente zu bringen, billiges politisches Märtyrertum, dem Leiden an der eigenen Bedeutungslosigkeit. Unterstützt wird er hierin vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk und wohl am stärksten vom Handelsblatt, das sogar den einstigen Merkel-Fan Herfried Münkler mit der peinlichen Äußerung zitiert: „Das sind schlichtweg die Vorläufer einer neuen Weltordnung, in der es nur noch eine Währung gibt: Macht.“ Ach Münkler, ging es denn in der Geschichte schon einmal um etwas anderes als um Macht? Der arme Professor sitzt im Elfenbeinturm der woken Humboldt-Universität fest, an der man auch Hamas-Aktivisten gewähren ließ.
Und wie immer trägt natürlich nicht Robert Habeck, dessen Politik viele ruiniert und in Schwierigkeiten gebracht hat, die Schuld am Niedergang des Landes, auch nicht daran, dass sein Wahlkampf nur die Überzeugten überzeugt. Dabei hat der Kandidat der Menschen am Sonntag seine Wahlniederlage bereits eingestanden, ohne dass er das selbst bemerkt hätte. Doch kann ihn am Ende noch folgendes Paradoxon retten: Zwar wird Robert Habeck die Wahl verlieren, kann aber die Regierung gewinnen, woran an letzterem einzig und allein Friedrich Merz die Schuld trüge. Während Alice Weidel die Wahl zwar gewinnen könnte, weiterhin aber fern der Regierung gehalten würde, wofür an letzterem wiederum Friedrich Merz die Verantwortung trüge.
Der letzte Steigbügelhalter Robert Habecks heißt Friedrich Merz. Der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass Merz und die Union gewinnen, obwohl sie verlieren werden, denn selbst bei 30 Prozent der Stimmen lägen sie 7 bis 9 Prozentpunkte unter ihrem Potential, das sie bei der schlechten Performance der Ampel hätten spielend leicht ausschöpfen können.
Robert Habeck jedenfalls hatte schon einmal gejammert, dass bei der Bundestagswahl am Sonntag die AfD ein „sehr starkes AfD-Ergebnis“ einfahren würde. Schuld daran sei nicht etwa Robert Habeck, der niemals auch nur an irgendetwas schuld sein kann, auch nicht Wladimir Putin, der gewöhnlich in der Welt von Robert Habeck, in der es vor finsteren Verschwörungen nur so wimmelt, Quelle allen Ungemachs ist, nicht nur die „drei Morde oder drei Anschläge, die wir in Deutschland erlebt haben“, sondern „weil die AfD in diesem Wahlkampf ein Stück weit normalisiert wurde“.
Schuld am Aufstieg der AfD sind also auch die „drei Morde oder drei Anschläge“. Robert Habeck mag es am Tisch in der Küche des Elfenbeinturms nicht mitbekommen haben, aber es sind nicht nur drei Morde, sondern in Magdeburg 6, in Aschaffenburg 2, in München 2. Allein in diesem Jahr wurden zehn Menschen, darunter Kinder, brutal und kaltblütig ermordet. Doch für den Kanzlerkandidaten der Grünen handelt es sich lediglich um „drei Morde oder drei Anschläge“. Ein Erlebnis. Wie narzisstisch, wie empathielos, wie hemmungslos eitel und wie selbstverliebt muss man sein, die Terroranschläge und das Leid der Menschen zu bagatellisieren, und das aus den nackten Gründen schieren Machterhalts?
In Habecks Welt sind die Grünen eine normale Partei, die AfD nicht. Doch Normalität ist der falsche Begriff, wenn es sich denn im Gebrauch des rhetorisch ewig Strauchelnden um einen Begriff und nicht nur um eine Floskel handelt. Normalität bedeutet die Geltung der Norm. Und die AfD erfüllt die demokratischen Normen – und ist mithin eine normale Partei.
Doch Schuld am Aufstieg der AfD ist für Habeck die Normalisierung der Partei. Schuld sei die Union, die mit der AfD im Bundestag gemeinsam für eine Politik gestimmt habe, die verhindert, dass diese „drei Morde oder drei Anschläge“ sich in Deutschland wiederholen. Weshalb hat Robert Habeck nicht für die Entschließung und für das Zustrombegrenzungsgesetz im Deutschen Bundestag gestimmt? Weil er das Erleben der „drei Morde oder drei Anschläge“ für normal hält?
Doch für Robert Habeck sind an der „Normalisierung“ nicht nur die Union und die FDP schuld, sondern auch das öffentlich-rechtliche Fernsehen. Erstaunlich, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das erwiesenermaßen alles dafür getan hat, die AfD zu behindern, sie schlecht, sie „unnormal“ aussehen zu lassen, sie zu dämonisieren, soll nun nach Ansicht von Robert Habeck ausgerechnet die Mitverantwortung für die Normalisierung der AfD tragen? Vielleicht überdenkt man im ÖRR mal die Nibelungen- und Vasallentreue gegenüber den Grünen. „Normalisiert“ wurde die AfD nämlich nach Habecks Meinung auch „durch die Einbeziehung in die Wahlkampfarenen, durch die Art, wie diese Wahlkampfarenen dann gemacht wurden“. Demokratie ist für Habeck ein Problem, Gleichberechtigung auch, ein fairer Wahlkampf vor allem.
Habeck erbost sich darüber, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ihm Folgendes antun konnte: „Wir standen immer schön nebeneinander und haben zwar in der Sache uns gestritten. Aber am Anfang gibt man sich die Hand und am Ende gibt man sich die Hand. Also auch das Bild war so dann ein normales Bild und das dringt schon vor in die Gesellschaft.“ Habeck hält es für einen Skandal, dass Alice Weidel, die Kanzlerkandidatin der Partei, die sich fast doppelt so viele Wähler vorstellen können zu wählen, an den Wahlkampfduellen teilnehmen darf, sie nicht an den Schandpfahl gebunden, sie nicht in einen Käfig gesperrt, ihr nicht der Ketzerhut aufgesetzt wird, sondern sie sogar reden, sogar – Gipfel des Sakrilegs – neben Robert Habeck stehen und ihm widersprechen darf mit Argumenten, ihm, der über kein einziges Argument verfügt. Es ist bekannt, dass Robert Habeck vor dem Duell mit Alice Weidel permanent auf der Flucht war. Wenn man seinen weitgehend faktenfreien Äußerungen, seinen zuweilen auch Pöbeleien folgte, versteht man auch warum.
Robert Habeck, der Apothekersohn, der Wehrdienstdrückeberger, das Wohlstandskind aus Deutschlands westlichem Norden unterstellt den Ostdeutschen, dass ihre „autoritaristischen Grundwerte … noch nicht wirklich weg“ sind. Es müssen diese „autoritaristischen Grundwerte“ gewesen sein, als die Ostdeutschen 1989 gegen eine hochgerüstete Staatsmacht auf die Straße gegangen sind, ohne Gewissheit, ob sie am Abend wieder in ihre Wohnungen zurückkehren. Ein einziges konkretes Beispiel für die „autoritaristischen Grundwerte“, von denen Habeck schwurbelt, mag genügen. Am Morgen des 7. Oktober 1989 hatte in Berlin eine Zivilstreife eine 20-jährige Frau und deren zwölfjährige Schwester in der Mendelssohnstraße verhaftet, weil sie an Laternenpfähle und Häuserwände Zettel klebten, auf denen stand:
„Werdet aktiv! Tausende von Bürgern verlassen unser Land, Demonstrationen werden niedergeknüppelt, eine Opposition ist illegal. Eine greise starre Regierung feiert sich in unglaublicher, verdächtiger Weise (Fackelzug usw.), stellt sich: blind – taub – stumm. Nur wenn alle endlich den Mund aufmachen und gemeinsam handeln, gibt es für unser krankes Land eine Hoffnung.“
Die junge Frau und das Mädchen wurden in das Polizeirevier in der Keibelstraße verschleppt. Den Mut, den sie aufbrachten aufgrund ihrer „autoritaristischen Grundwerte“, hatte ein Habeck niemals aufgebracht. Die Mutter erfuhr fünf Stunden später von der Festnahme ihrer Töchter. Die 12-jährige Tochter wurde im Beisein der Mutter verhört, die darüber berichtete: „Im Rahmen der polizeilichen Untersuchungen erfolgte dann eine für uns unvorstellbare Maßnahme: Von den Geschwistern wurden jeweils Fingerabdrücke aller Finger und beider Hände, Porträt- und Profilfotografien gemacht und eine ›Geruchskonserve‹ sichergestellt.“ Nach neun Stunden auf dem Polizeirevier durfte das 12-jährige Kind die Polizeiinspektion mit der Mutter verlassen. Ihrer älteren Schwester hingegen wurde am 8. Oktober gegen 17.15 Uhr ein Strafbefehl verlesen, durch den sie zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.
Die Schriftstellerin Christa Wolf schrieb am 18. Oktober 1989 an den Generalstaatsanwalt der DDR, Günter Wendland: „Ich kann Ihre Aussage, die Sie gestern in Ihrem Interview in der Aktuellen Kamera trafen, nicht unwidersprochen stehen lassen: Es entspricht nicht den Tatsachen, dass das gewaltsame Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten und Unbeteiligte am 7. Und 8. Oktober in der Hauptstadt der DDR durch Gewalttätigkeit vonseiten der Bürger provoziert wurde. Ich habe eine Reihe von Augenzeugenberichten, mündliche und schriftliche, die diese Behauptung widerlegen und darüber hinaus erschütternde Einzelheiten über brutale, teilweise sadistische Behandlung durch Polizisten bei der Festnahme, auf den Polizeirevieren, in Garagen usw. schildern.“ Wolfs Tochter Annette gehörte zu den vorübergehend Festgenommenen. Die Schriftstellerin wusste also aus erster Hand über den brutalen Einsatz von Polizei und Stasi Bescheid.
Doch wer sich den wirklichen Grund für den desaströsen Wahlkampf nicht eingestehen will, benötigt viele Gründe. Am Ende tragen am Aufstieg der AfD und Habecks Versagen im Wahlkampf natürlich Russland und die USA dann doch wieder die Schuld: „Dass der Wahlkampf beeinflusst wurde, dass es russische Beeinflussung gab oder auch vielleicht sogar amerikanische Beeinflussung gab, ist absolut sicher.“ Absolut sicher? In Habecks Welt voller Verschwörungen staatssicher.
Fassen wir Habecks Weltbild zusammen: Die deutschen Bürger werden die Grünen nicht mit großer Mehrheit wählen, damit auch nicht Robert Habeck zum Bundeskanzler. Stattdessen wird die AfD wohl beachtliche Wahlgewinne erzielen, weil die Union und die FDP die AfD normalisierten, weil drei Morde oder Anschläge auf Deutsche stattgefunden haben, weil die AfD von den öffentlich-rechtlichen Sendern zu Wahlkampfsendungen eingeladen wurde und Robert Habeck Alice Weidel die Hand geben musste, weil die Ostdeutschen „autoritaristischen Grundwerten“ folgen, Putin und Trump und die Marsmenschen in den deutschen Wahlkampf eingegriffen haben.
Je unbedeutender das Ego, umso größer die Manie. Hass entsteht, wenn die Diskrepanz des Glaubens und der Wirklichkeit eigener Bedeutung so groß ist, dass sie nicht mehr rational, sondern nur noch emotional geschlossen werden kann – und zwar auf Kosten des Realismus. Dass Alice Weidel wichtiger ist als der Mann des Gestern, als Robert Habeck, kann und will er zwar nicht erkennen, aber er kann diese Tatsache nicht ignorieren, wie ein Autofahrer, der seinen Wagen gegen die Wand gesetzt hat, sich nicht der Beobachtung verschließen kann, dass sein Gefährt kaputt ist. Er kann die Schuld dafür nur noch der Wand geben. Zwischen sich und dem Wahlsieg, glaubt Robert Habeck, stünde die AfD. Der Kanzlerkandidat der Grünen möchte so gern die Uniform der Kieler Matrosen, so gern die Uniform der Volksmarinedivison tragen, doch hat es nur für einen Matrosenanzug gereicht.
Von 1989 aus betrachtet stehen die Grünen der Demokratie am fernsten. Deshalb werden sie im Osten auch nicht gewählt, weil die Erfahrung der Diktatur, die man niemals wieder haben möchte –ganz gleich in welchen Farben, denn Diktatur ist farbunabhängig –, fester Bestandteil des Bewusstseins ist.
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