Tichys Einblick
Bericht der Wehrbeauftragten

Das Comeback der Wehrpflicht und eine offene Frage

Die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) hat ihren jährlichen Bericht vorgestellt. Der begründet den Wunsch nach Wehrpflicht und liefert das Bild von einer desaströsen Armee, an die sich das Land allmählich gewöhnt hat – wobei eine Frage im Raum steht.

IMAGO - Collage: TE

Rund 70 Milliarden Euro hat Deutschland im vergangenen Jahr für die Verteidigung ausgegeben. 50 Milliarden Euro aus dem regulären Etat des Bundes, 20 Milliarden Euro über das „Sondervermögen Bundeswehr“. Israel hat laut Statista.de im Jahr 2023 rund 30 Milliarden Euro für die Verteidigung gezahlt. Zwar hat die Sicherheit des bedrängten Landes am 7. Oktober 2023 versagt, als die Kindermörder, Vergewaltiger und Leichenschänder der Hamas einfielen. Danach hat die israelische Armee aber im Gaza-Streifen, im Libanon, in Syrien und im Iran gezeigt, wozu eine mit 30 Milliarden Euro ausgestattete Armee in der Lage sein kann.

70 Milliarden Euro erhält die deutsche Armee. Mehr als das Doppelte. Angesichts dessen ist das Bild nicht zu verstehen, das die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) in ihrem Jahresbericht von der deutschen Armee zeichnet: Kasernen und andere Liegenschaften „immer noch teilweise in einem desaströsen Zustand“. Es fehle an Großgeräten und Ersatzteilen. Nicht mal über genug Munition verfügten die deutschen Soldaten. 70 Milliarden Euro hier, 30 Milliarden Euro dort. „Nicht verteidigungsfähig“ hier, erfolgreich in mehreren feindlichen Ländern gleichzeitig dort. Das wirft eine große Frage auf: Wo geht das Geld der Deutschen für ihre Armee hin?

Rentner-Staat Deutschland
Wehrpflicht? Nein, danke!
Die Wehrbeauftragte beklagt auch die „überbordende Bürokratie“ rund um die Bundeswehr. Das weckt Erinnerungen an lustige Anekdoten. Wie die einstige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Umstands-Uniformen bestellt und bestimmt hat, dass die Luftwerte in den Panzern so gut sein müssen, dass Schwangere darin mühelos ihren Dienst verrichten können. Doch der eigentliche Hintergrund ist nicht lustig.

50 Milliarden Euro Steuergeld bringen die Deutschen Jahr für Jahr für ihre Armee auf. Dazu kommen 100 Milliarden Euro an Schulden, die Sondervermögen heißen. Und trotzdem räumt selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ein, dass genau diese Armee nicht verteidigungsfähig ist. Beklagt die Wehrbeauftragte Jahr für Jahr die gleichen Mängel. Wo geht das Geld für die deutsche Armee hin? Die Frage kennt nur zwei mögliche Antworten: Entweder ist das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung bis ins Absurde hin unfähig – oder korrupt.

Der Verteidigungsminister räumt die fehlende Wehrtüchtigkeit ein. Die Wehrbeauftragte beweint jährlich die gleichen Mängel. Doch an der Unfähigkeit oder Korruption des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung setzt kein Politiker an. Stattdessen sind sich CDU, CSU, SPD, Grüne und nun sogar unter Bedingungen die Linken einig, dass Deutschland künftig ungebremst viel Geld für die Verteidigung ausgeben soll. „Whatever it takes“, wie der mutmaßlich nächste Kanzler Friedrich Merz (CDU) es formuliert. Die deutsche Armee und ihr Beschaffungsamt sind ein Loch, in dem das Geld auf ungeklärte Weise verschwindet – die Kartellparteien wollen das Loch stopfen, indem sie ungebremst neues Geld hinterherwerfen. Was immer es kostet.

Für diese Bundeswehr soll künftig die junge Generation dienen. Auch Högl wirbt für die Wehrpflicht. Eine Armee, die daran scheitert, genug belebbare Kasernen für 180.000 Soldaten bereit zu stellen, soll künftig daran scheitern, Kasernen für bis zu 500.000 Soldaten zu öffnen. Und die mit Munition versehen. Woran die politische Führung und das Beschaffungsamt jetzt schon scheitern. Gut durchdacht klingt das nicht.

Vielmehr weckt die Diskussion über das Comeback der Wehrpflicht den Eindruck, dass die Politik ihre Politik auf dem Rücken der Bürger abwälzen will. Wieder einmal. Besonders hart trifft es dabei die junge Generation. Wieder einmal. Wie schon in der Corona-Politik oder in der Haushaltspolitik. Gut 200.000 Soldaten sollte die Bundeswehr eigentlich aktuell stark sein. 180.000 Soldaten bekommt sie zusammen.

Auch daran scheitert die Führung, an deren Spitze der Sozialdemokrat Pistorius steht. Die Wehrpflicht, wie sie die Politik jetzt diskutiert, soll mehr das aktuelle Loch von 20.000 fehlenden Soldaten stopfen, als das Fundament für eine vom Volk getragene Verteidigungsarmee sein. Die „große Koalition“, die Grünen und unter Bedingungen die Linken glauben, dass dies alles besser wird, wenn nur ungebremst viel Geld fließt. Die deutsche Verteidigungspolitik hat damit den Bereich des Rationalen verlassen und den des Religiösen erreicht.

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