140.000 Verdachtsfälle von erschlichenem Kindergeld
Josef Kraus
Für 59 Kinder, die zwar gemeldet, aber gar nicht im Hochhaus „Weißer Riese“, das als sozialer Brennpunkt in Duisburg gilt, leben, wurde Kindergeld gezahlt – im Jahr rund 177.000 Euro. Im Zuge dieses Skandals wurde nun bekannt: Bundesweit gab es 2024 rund 140.000 Verdachtsfälle auf Kindergeld-Missbrauch.
IMAGO / Fotostand
Erst jetzt – nach der Bundestagswahl! – wurde bundesweit bekannt: Ende Oktober 2024 hatten 400 Beamte von Ordnungsamt und Polizei das Hochhaus „Weißer Riese“ im Duisburger Stadtviertel Hochheide durchsucht. In diesem Hochhaus mit seinen 320 Wohnungen auf 20 Stockwerken leben (bzw. sind gemeldet) 1.400 Menschen. Bei der Razzia in den frühen Morgenstunden wurden davon nur 600 angetroffen, so dass der Verdacht nahelag, dass Hunderte nur zum Schein dort gemeldet sind, um Sozialleistungen zu beziehen. Zum Beispiel Kindergeld.
Das Duisburger Stadtviertel hat einen Ausländeranteil von 63 Prozent, davon kommen mit einem wachsenden Anteil und im Rahmen der EU-Freizügigkeit Zugewanderte aus Bulgarien und Rumänien. Der Roma-Anteil beträgt mittlerweile 15 Prozent. Das Viertel hat im Volksmund mittlerweile den Namen „bulgarisch-rumänisches Viertel“ bekommen. Das Hochhaus gilt ohnehin als sozialer Brennpunkt, der regelmäßig für negative Schlagzeilen sorgt. Zuletzt hatten sich DHL-Mitarbeiter wochenlang geweigert, dort Pakete auszuliefern. Die Zusteller wurden immer wieder bedroht und mit Unrat zugeschüttet.
Nun stellt sich nach amtlichen Berechnungen heraus: Für 59 Kinder, die gar nicht im „Weißen Riesen“ leben, wurde Kindergeld gezahlt – im Jahr rund 177.000 Euro.
Im Zuge dieses Duisburger Skandals kam überdies heraus: Bundesweit gab es 2024 rund 140.000 Verdachtsfälle auf Kindergeld-Missbrauch. Christian Weinert, Sprecher der zuständigen Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg, sagte zu Bild: „Im vergangenen Jahr hat die Familienkasse rund 140.000 Verdachtsfälle überprüft und in mehr als 100.000 Fällen ein steuerrechtliches Ermittlungsverfahren angestoßen.“ Ein erheblicher Teil davon sei Betrug. Darunter 8.000 Fälle von bandenmäßigem Betrug. Aus diesen Fällen wurden mehr als 1.500 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Den genauen Schaden konnte (wollte?) die BA auf BILD-Anfrage nicht beziffern. Nach TE-Berechnungen geht es um mindestens 300 Millionen Euro pro Jahr.
Man macht es den Betrügern aber auch leicht: Ist Kindergeld erst einmal bewilligt, wird mindestens bis zum 18. Lebensjahr ausgezahlt. Es sind in der Zwischenzeit keine neuen Anträge nötig. Bei derzeit mindestens 255 Euro pro Monat (= 3.060 Euro pro Jahr, 55.080 Euro für die ersten 18 Lebensjahre) kommen schnell große Summen beim Betrug zusammen. Die Zahlen von Missbrauch zeigen freilich auch, dass Strafandrohungen kaum wirken. Betrügern drohen immerhin Geldstrafen oder bis zu fünf Jahre Haft. Wenn denn die Gerichte das auch so sehen.
Dass solche Betrügereien oft migrantischen Hintergrund haben, will freilich die „Forschung“ nicht so sehen. Ende 2024 meldeten sich „Sozialwissenschaftler“ der Universität Duisburg-Essen (UDE) zu Wort: Sie befürchten bei der Debatte um die Probleme etwa in Duisburg eine Stigmatisierung von EU-Migranten. Zuschreibungen wie „Sozialtourismus“ und „Armutszuwanderung“ seien durch die Studie am Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) widerlegt. Aha!
Weniger Kindergeld, wenn Kinder im Ausland leben?
Die CDU/CSU will sich übrigens dafür einsetzen, „dass das Kindergeld für im EU-Ausland lebende Kinder an die Unterhaltskosten des jeweiligen Landes angepasst werden kann“, so der Wortlaut im Wahlprogramm. Folge wäre: Wenn das Kindergeld an Familien ausgezahlt wird, die in einem Land leben, in dem die Lebenshaltungskosten unter dem Niveau liegen, welches in Deutschland vorherrscht, wird der Betrag nach unten angepasst.
Die Rechtslage ist so: Eltern, die in Deutschland arbeiten und Steuern zahlen, haben Anspruch auf Kindergeld, auch wenn die Kinder im Ausland leben. Es geht um 313.000 Kinder, darunter 307.000 in EU-Ländern lebende Kinder. Die Bundesagentur für Arbeit gibt an, dass im Jahr 2023 Kindergeld in Höhe von rund 525,7 Millionen Euro auf ausländische Konten geflossen ist. Etwa 40 Prozent, also rund 200 Millionen Euro, gingen nach Polen, wo mehr als 120.000 Kinder ihren Wohnsitz haben, deren Familien Anspruch auf Kindergeld haben. Auf dem zweiten Platz landet Rumänien. Dorthin zahlte die Familienkasse im Jahr 2023 insgesamt 27 Millionen Euro aus. Hinter Rumänien positionieren sich Frankreich, Kroatien und Tschechien.
Noch einmal Beispiel Polen: Die Lebenshaltungskosten in Deutschland lagen im Jahr 2023 laut der Eurostat-Datenbank 8,5 Prozent oberhalb des Durchschnitts der 27 EU-Mitglieder. Polen liegt in der Statistik weit unten, die Lebensunterhaltungskosten sind 32,6 Prozent niedriger als im EU-Durchschnitt. Bei Anwendung dieser Prozentsätze ließen sich – π (pi) mal Daumen – etwa 80 der 200 Millionen einsparen, die nach Polen gehen.
Wie groß der bürokratische Aufwand wäre und ob sich dieser dann überhaupt „rechnen“ würde, sei dahingestellt. Der deutsche Sozialstaat indes droht auch hier ein Selbstbedienungsladen zu bleiben.
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