So etwas wie die „Repräsentative Wahlstatistik“ des Bundeswahlleiters gibt es so umfangreich und detailliert sonst nirgendwo auf der Welt.
Die gigantische Datenbasis macht das Werk zu einer Goldader für Demoskopen und Wahlanalytiker. Von den 95.000 Wahlbezirken in der Bundesrepublik sind knapp 2.700 erfasst. Drei Prozent aller Wähler sind mit ihren Daten hinterlegt – also gut 1,6 Millionen der 49,9 Millionen Menschen, die bei der Bundestagswahl am 23. Februar 2025 ihre Stimme abgegeben haben.
Und in den Zahlen schlummern einige Überraschungen.
Je jünger, desto linker
Besonders sticht das Ergebnis der „Linken“ in der jüngsten Wählergruppe heraus: Bei den 18- bis 24-Jährigen holten die Erben der SED mit 27,3 Prozent über acht Prozentpunkte mehr als die AfD – das ist doppelt so viel, wie Infratest dimap es in seinen Nachwahlbefragungen angegeben hatte. Selbst in Bayern erzielte die „Linke“ in der jüngsten Altersgruppe das beste Ergebnis aller Parteien.
Fast die Hälfte all ihrer Zweitstimmen holt die Partei bei Wählern, die unter 35 Jahre alt sind. Je älter die Wähler werden, desto mehr wenden sie sich allerdings von den Linkspopulisten ab.
Genau umgekehrt ist es bei der Union: Je älter die Menschen werden, desto häufiger wählen sie CDU/CSU: Bei den 18- bis 24-Jährigen kommen Merz, Söder & Co. nur auf 13,0 Prozent. Mit jeder Altersklasse werden es dann mehr. Bei den über 70-Jährigen wählen 41,4 Prozent CDU oder CSU.
Keine andere Partei hat durch die Altersklassen hindurch so eine lineare Entwicklung wie Union und „Linke“.
Die AfD bleibt, anders als bei früheren Wahlen, bei den jüngsten Wählern mit 19,0 Prozent der Zweitstimmen diesmal unter ihrem Gesamtergebnis (20,8 Prozent). Weit unter ihrem eigenen Schnitt bleibt die Partei auch bei den Ü-70ern, da bekommt sie nur 11,5 Prozent. Den stärksten Zuspruch bekommen die Blauen in den mittleren Altersklassen: In den beiden Segmenten der 35- bis 59-Jährigen holt sie deutschlandweit fast so viele Stimmen wie die Union.
Fast jede vierte abgegebene Stimme kam von einem über 70-Jährigen, nur jede 14. Stimme von einem unter 25-Jährigen. In beiden Altersklassen ist die durchschnittliche Abweichung vom Gesamtergebnis der Parteien etwa gleich: nämlich fast viermal so groß wie in der Kohorte 60 bis 69. Dort wurde am dichtesten am letztlichen Gesamtergebnis gewählt.
Bei den jungen Wählern unter 25 hätten FDP und BSW klar die Fünf-Prozent-Hürde geschafft. In einem reinen Ü-70-Bundestag hätte die schwarz-rote Koalition dagegen fast eine Dreiviertelmehrheit.
Frauen links, Männer rechts
Frauen haben bei dieser Wahl durch alle Altersklassen viel öfter links gewählt als Männer: mehr „Linke“, mehr SPD, mehr Grüne und mehr BSW – weniger CDU/CSU, viel weniger FDP und sehr viel weniger AfD.
Besonders massiv zeigt sich das in den beiden Kohorten unter 35 Jahren: Hier liegen „Linke“ und AfD bei den Zweitstimmen fast gleichauf (die „Linke“ hat etwa 80.000 Stimmen mehr). Doch Heidi Reichinnek verdankt zwei Drittel dieser Stimmen den Wählerinnen, Alice Weidel verdankt zwei Drittel ihrer Stimmen den Männern.
Hätten nur Frauen gewählt, säße Sahra Wagenknecht mit ihrem BSW im Bundestag. Die schwarz-rote Koalition hätte trotzdem eine Mehrheit, die wäre allerdings etwas kleiner. Hätten nur Männer gewählt, hätte Schwarz-Rot immer noch eine Mehrheit. Die wäre aber noch knapper – denn dann hätte die AfD noch einmal 30 Sitze mehr als jetzt.
Der Osten ist blau, der Westen ist schwarz
Außerhalb von Berlin hat die AfD bis auf den Wahlkreis Leipzig II sämtliche ostdeutschen Direktmandate gewonnen. Und nur in ganzen drei östlichen Wahlkreisen holte sie nicht die meisten Zweitstimmen.
In Ostdeutschland hat die AfD folgerichtig mit weitem Vorsprung vor allen anderen Parteien gewonnen. Sie ist doppelt so stark wie die zeitplatzierte CDU. Bei den Ossi-Männern erreicht sie in der Alterskohorte zwischen 45 und 59 sogar die absolute Mehrheit, und einstellige Ergebnisse verzeichnet die AfD nur noch bei den westdeutschen Frauen über 70.
Der Rest der Republik ist zu drei Vierteln schwarz. Bei den Zweitstimmen sieht es für die SPD besonders düster aus: Da gewinnen die Sozis lediglich in Hamburg und Bremen, in drei einsamen Wahlkreisen in Niedersachsen und in ein paar Wahlkreisen im Ruhrpott.
Diese Zahlen machen es zu einem immer größeren Rätsel, weshalb Friedrich Merz den Sozialdemokraten so große Zugeständnisse macht.