Tichys Einblick
Urteil im Fall Mia

Von Wien bis Rotherham: Die unerträgliche Banalisierung sexueller Gewalt

Über ein Dutzend Jugendliche, allesamt mit Migrationshintergrund, vergewaltigen die zwölfjährige Mia monatelang. Einer von ihnen wurde nun freigesprochen. Wo juristische Härte erforderlich ist, erfolgt richterliche Nachsicht. Das ist weder vermittel- noch nachvollziehbar. Die Wut in der Bevölkerung über solche Urteile wächst.

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Während die systematische sexuelle Ausbeutung britischer Mädchen durch zumeist pakistanische Kinderschänderringe neuerlich mediale Aufmerksamkeit erfährt, macht in Österreich ein nicht weniger erschreckender Fall Schlagzeilen: 2023 und 2024 war die damals zwölfjährige „Mia“ von einer Gruppe Jugendlicher mit Migrationshintergrund über Monate hinweg vergewaltigt worden.

Die mutmaßlichen Täter, zwischen 13 und 18 Jahren alt, hatten die Taten zum Teil gefilmt, das Mädchen damit erpresst und weitere sexuelle Handlungen erzwungen. Einer von ihnen, ein zum Tatzeitpunkt erst fünfzehnjähriger Syrer, wurde nun vom Vorwurf, das Mädchen zu Oralverkehr gezwungen zu haben, freigesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, anders als im Fall eines 16-jährigen aus der Gruppe, der im Dezember von dem Vorwurf, „Mia“ vergewaltigt zu haben, ebenfalls freigesprochen wurde.

Die Taten weisen dieselbe frauenverachtende Dynamik auf, wie sie im Rotherham-Skandal aufscheint: Das weibliche Wesen als Objekt, mit dem der Mann umgehen kann, wie er will, dazu eine unfassbare Unverfrorenheit, wenn die Taten ans Licht kommen.

Eine neue Qualität sexueller Gewalt

Dass sich in Europa von Großbritannien bis Österreich eine solche Haltung gegenüber Frauen ausbreiten kann, ist besorgniserregend. Dass die daraus resultierenden Straftaten zuweilen weniger juristische Konsequenzen nach sich ziehen als Regierungskritik in den Sozialen Medien, ist kaum vermittelbar.

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Obgleich sexueller Missbrauch keinesfalls ein genuin „migrantisches“ Problem ist, wie nicht erst der Fall Pelicot, sondern auch zahlreiche Kinderschänder- und Kinderpornografieskandale von Dutroux bis Lügde beweisen, zeigt sich hier eine besondere Qualität, die man nicht ignorieren darf: Ein chauvinistisch-archaisches, oft muslimisch geprägtes Frauenbild geht mit der durchpornografisierten Promiskuität westlicher Prägung eine explosive Mischung ein.

Leidtragende sind vor allem junge Mädchen: Diese wachsen in einem Umfeld auf, das ihnen kaum Selbstwertgefühl vermittelt, dafür aber suggeriert, dass sie sexuell verfügbar zu sein hätten. So werden sie Jungen und Männern ausgeliefert, deren Bild von Männlichkeit sich darin erschöpft, sich gemäß des Rechts des Stärkeren nehmen zu dürfen, was sie wollen.

Westliche Gesellschaften stehen dem Phänomen hilflos gegenüber

Das Tragische daran: Westliche Gesellschaften können die Legitimität von sexuellen Kontakten nur noch über den Parameter der „Einvernehmlichkeit“ bestimmen. Genau dieser Parameter ist hier aber nutzlos: „Mia“ etwa hatte den jungen Syrer über die Sozialen Medien kennengelernt, war „freiwillig“ mitgegangen: An welcher Stelle diese Freiwilligkeit aufhört, kann oft nicht zweifelsfrei festgestellt werden. Wenn überhaupt, steht Aussage gegen Aussage.

Irritierend, aber eben folgerichtig ist, dass das Mädchen dem Jungen später selbst Nacktbilder von sich schickte: Was vor Gericht den Verdacht erhärtet, dass es sich hier um einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehandelt habe, ist vielmehr der Ausdruck von völliger Hilflosigkeit und Überforderung eines Mädchens, das Opfer von Früh- und Übersexualisierung, und traumatisiert ist – dass „Mia“ laut psychologischem Gutachten keine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen haben soll, ist schlicht unglaubwürdig.

Wenn ein Kind nicht gelernt hat, dass eine Weigerung ihm nicht nur zusteht, sondern die einzig richtige Verhaltensweise ist, wird das für eine juristische Bewertung so wichtige „Nein“ womöglich nicht oder nicht klar genug erfolgen, obwohl Ekel und Widerwillen bestehen.

Die Aussagen der Richterin: Demütigung und Hohn

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Dem entsprechen die Aussagen der Richterin, die den Freispruch verantwortet. Zwar habe es womöglich “eine innere Ablehnung” seitens des Mädchens gegeben. Es sei aber “nicht erwiesen, dass das für den Angeklagten erkennbar war.” Die Anwendung von Gewalt sei nicht zweifelsfrei feststellbar. Die österreichische „exxpress“ zitiert sodann einen Satz, der das ganze Ausmaß der Ignoranz offenlegt: “Es passiert oft, dass man zuerst Nein sagt und sich dann durch Zärtlichkeiten überzeugen lässt”, so die Richterin.

Eine Begründung, die klingt wie aus einem sadistischen misogynen Albtraum. Nicht nur, dass sie das Alter und die mangelnde Reife des Opfers wie des Täters außer Acht lässt: Das Empfinden des Mädchens wird verworfen, dem des Jungen wird vollumfänglich Glauben geschenkt: Frauenfeindlicher geht es nicht. Wie Feministinnen, die sonst jeden potenziell anzüglichen Blick scharf verurteilen, angesichts solcher Aussagen schweigen können, ist unverständlich.

Und dabei lässt es das Gericht nicht bewenden: Aus dem Repertoire frauenverachtender Topoi darf auch der Hinweis nicht fehlen, dass das Mädchen älter gewirkt habe als zwölf – der Täter habe sie für 14 gehalten.

Derartige Urteilsbegründungen sind ein Schlag ins Gesicht aller Frauen und Mädchen. Die Vorstellung, einem Vergewaltiger hilflos ausgeliefert zu sein, ist für viele Frauen das Horrorszenario schlechthin. Zu dieser Angst tritt immer auch jene, dass dem Opfer nicht geglaubt, und dass es für sein Leiden mitverantwortlich gemacht wird.

Genau jene Muster bedient der Wiener Prozess: Der Gutachter stellt keine tiefergehende Beeinträchtigung fest – als sei das, was „Mia“ erduldet hat, eine Lappalie. Das Mädchen wirke älter – als sei es für seinen Körperbau selbst verantwortlich und damit dafür, als Sexualobjekt wahrgenommen zu werden.

Juristisch mag das Urteil nachvollziehbar sein: Wo Schuld nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, kann auch keine Verurteilung erfolgen. Menschlich ist es eine Katastrophe für das Kind, dessen Leben nicht nur durch den monatelangen Missbrauch gezeichnet ist, sondern nun auch durch die Überzeugung, dass das eigene Leid nicht wirklich „gültig“ ist, und für die Verursacher keine Konsequenzen hat.

Den bitteren Gipfel der Demütigung stellte das Verhalten des Angeklagten dar, der noch im Gerichtssaal dem Anwalt der Familie 100 Euro übergab. Ja, dies mag vielleicht ein hilfloser Versuch sein, das eigene Verhalten zu entschuldigen. Viel eher aber wirkt es wie ein nachträglicher Kauf sexueller Handlungen, zu deren Zustimmung eine Zwölfjährige schlicht und einfach nicht in der Lage ist, da mag die Richterin noch so sehr über „Zärtlichkeiten“ schwadronieren – übrigens behauptet der Täter nicht, dass es solche gegeben habe. Dass er das Mädchen überredet und gedrängt hat, gibt er selbst zu, und bezeichnete dies vor Gericht als „Fehler“. Ein Eingeständnis, das das Gericht dennoch nicht dazu bewog, ihn für diesen Fehler auch zu verurteilen.

Mit dieser „Wiedergutmachung“ wird die Tat praktisch zu einem Akt der Prostitution umgemünzt, das Mädchen wird degradiert.

Im Fall „Mia“ reicht es daher keinesfalls aus, sich lediglich auf die Herkunft der Täter zu kaprizieren, und es bei wohlfeiler Migrationskritik bewenden zu lassen. Der Gesellschaft fehlen die Instrumente, dezidiert migrantische sexuelle Übergriffigkeit einzudämmen, weil sie selbst völlig verroht und moralisch verwahrlost ist. Wut angesichts der Taten und Unverständnis angesichts der juristischen Antwort darauf sind verständlich, bleiben aber folgenlos:

Europäische Justizsysteme und Gesetze sind offensichtlich nicht darauf ausgerichtet, um mit dieser Qualität von sexueller Gewalt umzugehen. Doch es reicht nicht, rechtliche Vorgaben zu ändern:

Richter müssen aufhören, unangemessene Nachsicht mit migrantischen Tätern zu üben, so als ob diese primitive Wilde wären, die zwischen richtig und falsch nicht unterscheiden könnten. Zudem muss man angesichts der immer brutaleren und umfangreicheren Verbrechen auch durch jugendliche Täter – die überdies oft sehr genau wissen, dass sie mit Milde rechnen können – überdenken, wie sinnvolle und nachhaltige Bestrafung nicht volljähriger Täter aussehen muss, insbesondere, wenn sie aus Kulturkreisen stammen, in denen Nachsicht als Schwäche missinterpretiert wird.

Und schließlich muss sich die Gesellschaft dazu durchringen, sexuelle Übergriffigkeit nicht nur da zu ächten, wo sie mit offener Gewalt einhergeht. Dies ist eine Aufgabe, die die Justiz nicht wird einlösen können.

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