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Antisemitismus: Ein Problem „mitten in der Gesellschaft“?

Karin Prien will gegen Antisemitismus vorgehen. In ihrer Analyse blendet sie alles aus, was nicht ins Lagebild der „Gesellschaftsministerin“ passt. Will sie im Kampf gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit ernst genommen werden, muss sie die Ursachen des Antisemitismus beim Namen nennen.

Screenprint: CBS

Karin Prien vom linken Flügel der CDU ist seit dem 6. Mai 2025 „Bundesministerin für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend“ und – so ihre eigene Lesart – für alles zuständig, was die „Gesellschaft“ betrifft. Eine Nummer kleiner geht es nicht; ihr Ministerium versteht sie jedenfalls als „Gesellschaftsministerium“. Dementsprechend will Prien – ganz in den Fußspuren der verflossenen Bundesministerinnen Nancy Faeser (SPD) und Lisa Paus (Grüne) – alles bekämpfen, was nicht zu ihrer Vorstellung von Demokratie passt.

Erst kürzlich sagte sie vor der linksgestrickten Community „re:publica“ über digitale Plattformen: „Um Regulierung kommen wir nicht drumherum, wenn wir unser liberales, demokratisches System retten wollen.“

Unter anderem hat sich Karin Prien den Kampf gegen Antisemitismus vorgenommen. Sie fühlt sich diesem Kampf vor allem aufgrund ihrer eigenen Biographie bzw. ihrer Familiengeschichte verpflichtet. Prien wurde1965 in Amsterdam geboren, wohin ihre Großeltern vor den Nationalsozialisten geflohen waren. Sie entstammt nämlich einer jüdischen Familie; ihre Urgroßmutter wurde in einem KZ ermordet. Über sich selbst sagte Prien, sie sei die erste jüdische Ministerin Deutschlands seit 1945. Und: „Insofern bin ich eine jüdische Ministerin, auch wenn ich keiner jüdischen Gemeinde angehöre und auch nicht bekennend religiös bin.“

Weniger Bildung, mehr Bevormundung
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Am 29. Mai nun hat Karin Prien dem US-Sender CBS – in etwas schwerfälligem Englisch – ein Interview gegeben, in dem es vor allem um den Kampf gegen Antisemitismus geht. Prien erklärte dort, sie wolle ihre Möglichkeiten nutzen, um dem zunehmenden Antisemitismus sowie der Fragilität der Demokratie entgegenzutreten. Wörtlich. „I decided, I have to do something about it. Democracy is not something you can take for granted.”

Damit habe sie, so Prien über sich selbst, in den frühen 2010er Jahren als Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft begonnen, indem sie eine Dokumentation über antisemitische Vorfälle in Schulen erstellte. Dem Kampf gegen Antisemitismus widmete sie sich ab 2017 auch als Bildungsministerin in Schleswig-Holstein. In einer Rede vor dem Kieler Landtag sagte sie am 24. Mai 2025: „Auch in Schleswig-Holstein steigt die Zahl der antisemitischen Vorfälle. 2023 wurden 120 antisemitische Delikte verzeichnet.“ Über die Täter sagte sie nichts.

Priens Narrativ lautet: Antisemitismus sei nicht mehr nur auf politische Randgruppen beschränkt, er komme auch aus der Mitte der Gesellschaft. Wörtlich sagt sie im CBS-Interview: „Wir haben antisemitische Tendenzen am Rande, aber auch in der Mitte der Gesellschaft.“ Nur über drei Ecken lässt Prien erkennen, dass Antisemitismus in Deutschland mit Zuwanderung zu tun haben könnte. Sie sagt im CBS-Interview: „Wir sind eine Einwanderungsgesellschaft … Aber wir sind nicht sehr gut darin, Kindern, die unter schwierigeren Bedingungen starten, faire und gleiche Chancen zu bieten.“ Heißt das folgerichtig: Wenn es Deutschland nicht gelingt, Hunderttausende von muslimischen Schülern „fair“ zu behandeln, muss man sich nicht wundern, dass …?

Das sind die Realitäten

Man kann es durchaus so drastisch sagen wie der verstorbene Karl Lagerfeld (1933 – 2019) im November 2017: „Wir können nicht, selbst wenn Jahrzehnte zwischen den beiden Ereignissen liegen, Millionen Juden töten und Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land holen“, so der damals 84-Jährige in der französischen TV-Show „Salut les Terres“ des Senders Canal 8. Ein wenig Realismus dieser Art würde man sich von Karin Prien wünschen. Den individuellen, sozialen, religiösen und ideologischen Hintergrund des um sich greifenden Antisemitismus aber beschweigt sie, um auch im Ausland ein schiefes Bild von Deutschland zu zeichnen.

Anders als im BKA-Bericht
Berliner Verfassungsschutz: Größte Bedrohung durch Islamisten und Israelhasser
Selbst die zu Recht umstrittene, sonst monomanisch dem Kampf gegen „Rechts“ verschriebene Amadeu Antonio Stiftung weiß: „Seit dem Angriff auf jüdisches Leben am 7. Oktober 2023 hat der offene Antisemitismus in Deutschland zugenommen. Islamismus wird verharmlost und israelbezogener Antisemitismus verbreitet, was zu einer beispiellosen Radikalisierung führt. Dabei nehmen die Berührungsängste zwischen islamistischen, antiimperialistischen und sich selbst als progressiv verstehenden Milieus immer weiter ab. Im Zuge dessen wird Islamismus verharmlost und israelbezogener Antisemitismus verbreitet.“ Zum Begriff „antiimperialistisch“: Es ist die verharmlosende Umschreibung für „linksextrem“.

Und was weiß man aus der Polizeilichen Kriminalstatistik und aus Berichten der Verfassungsschutzämter. Nehmen wir den am 20. Mai 2025 vorgestellten Berliner Verfassungsbericht für 2024. Danach geht die größte Bedrohung von islamistischen Terrororganisationen und israelfeindlichen Gruppen aus. Vereinfacht gerechnet stehen in Berlin 1.450 „Rechte“ in der Summe 7.920 Personen aus den Spektren „Auslandsbezogener Extremismus“, „Islamismus“ und „Linksextremismus“ gegenüber. Wobei es ideologische Schnittmengen gibt. Zum Beispiel bzgl. Antisemitismus, Hass gegen Israel und Homophobie.

All das scheint nicht in das Lagebild der „Gesellschaftsministerin“ Karin Prien zu passen. Will sie bei ihrem Kampf gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit indes wirklich ernst genommen werden, muss sie endlich anfangen, jene beim Namen zu nennen, die Antisemitismus propagieren.

 

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