TE hat sich Texte der SPD-Richterkandidatin Ann-Katrin Kaufhold der Jahre 2021 und 2024 vorgenommen. Das hätte eigentlich die CDU/CSU-Fraktionsspitze tun sollen, ehe sie den eigenen Leuten die schließlich am 11. Juli im Bundestag gescheiterte Wahl nicht nur von Frauke Brosius-Gersdorf, sondern auch von Ann-Katrin Kaufhold zu Verfassungsrichterinnen vorschlug.
TE gehörte zu den ersten Magazinen, die sich überhaupt der Kandidatin Kaufhold widmeten; bislang surfte sie im Windschatten der Debatten um Brosius-Gersdorf nahezu unbeachtet mit.
Zur Erinnerung, an welchen Stellschrauben Kaufhold seit geraumer Zeit dreht:
- 2022 war Kaufhold Mitglied der von den Grünen und Linken initiierten Berliner Expertenkommission zur Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit von Enteignungen. 2023 legte die Kommission ein Gutachten vor: Darin steht, dass eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen juristisch möglich sei – auch dann, wenn Entschädigungen unterhalb des Verkehrswerts liegen würden. SPD-Richterkandidatin Kaufhold schrieb am geplanten Berliner „Vergesellschaftungsgesetz“ mit.
- Auch zu Wahlen hat Kaufhold ein spezielles Verhältnis. Sie sollen in Zukunft quasi überflüssig sein, denn man wisse genau, was die Bevölkerung wolle. Das entspricht einer Forderung der „Smart-City-Agenda“, In dieser Agenda heißt es unter Punkt „6. Post-voting society“: „Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ Mit (gläsernen?) „verhaltensbezogenen Daten“, sind unter anderem die Konsumgewohnheiten der Bürger gemeint.
- Nicht nur Brosius-Gersdorf hat sich für ein AfD-Verbot ausgesprochen. Auch Kaufhold hat dies getan. In einer Diskussionsrunde im Salon Luitpold vom 18. Juni 2024 meinte sie, ein AfD-Verbot dürfe nicht das Ende der Maßnahmen gegen Rechts und gegen Demokratiefeinde sein. Sie habe „Angst, dass man nach einem Verbot dann als Mehrheitsgesellschaft nicht mehr gegen Rechts machen würde“.
Nachfolgend zwei weitere von Kaufholds Verirrungen.
1. Kaufholds Vorstellungen von „Klimaanpassung“
Kaufhold ist eine Klimabewegte, sie meint, dass die Politik die angeblich nötige „Klimaschutzanpassung“ nicht schnell genug voranbringe. Sie möchte Klimaschutz an Parlament und Regierung vorbei über Gerichte und Zentralbanken durchsetzen. Im Zusammenhang mit dem Klimaschutz erklärte sie auch, dass die Deutschen dafür zahlen müssten: „Wenn Wohlstand bedeutet: Es muss alles so weitergehen wie bisher – dann wird das nicht klappen.“
Die Lektüre der 67 Seiten „Rechtsgutachten“ ist eine Zumutung, soll es wohl auch sein, denn dann bleibt dem bei der Lektüre gelangweilten Bürger und Abgeordneten verborgen, was hier angestrebt wird. Am Rande: Solche Rechtsgutachten werden von Ministerien mit hohen vierstelligen bis mittleren fünfstelligen Beträgen honoriert.
Kaufhold/Heitzer schreiben gleich zu Beginn: „Klimaschutz, Klimaanpassung und Biodiversitätsschutz gehören zu den zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Unsere Verfassungsordnung ist auf diese Herausforderungen jedoch bislang nur zum Teil vorbereitet …. Im Zentrum der Untersuchung stehen mithin Möglichkeiten der gemeinsamen Kostentragung, nicht hingegen Änderungen auf der Einnahmenseite wie etwa Modifikationen bei der Verteilung des Steueraufkommens.“ Allein dieser Eingangspassus lässt aufhorchen: Wer alles bezahlen soll, ist den Autorinnen egal. Kaufhold/Heitzer halten sich denn auch gar nicht auf mit konkreten Maßnahmen der „Klimaanpassung“. Heizgesetz, Verbrennermotoren, Windenergie, Wasserkraft, Photovoltaik, Atomkraft, Gasturbinen, Kohlekraft usw. kommen nicht vor.
Die Kernaussage des „Rechtsgutachtens“ kann man auf den Nenner bringen: Es sei eine Erweiterung des GG-Artikels 91a nötig. Dort heißt es seit 2006, also seit der Föderalismusreform I: „(1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 1. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, 2. Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.“ Die Erweiterung des GG-Artikels 91a ist also der Autorinnen Pudels Kern: Auf diesen GG-Passus wird im „Gutachten“ mehr als 200mal Bezug genommen.
Der bestehende 91a ist den beiden Autorinnen jedenfalls zu eng. Sie möchten, dass der Bund hier „Handlungsspielraume“ bekommt bis hin zur Anlage von Mooren und der Renaturierung von Flüssen. Von „vulnerablen Regionen“ schreiben Kaufhold/Heitzer, ohne zu definieren, was das ist. Hauptsache der Bund legt es fest. Kaufhold/Heitzer erwarten nach einer Erweiterung des 91a denn auch für jede neue Aufgabe ein eigenes Gesetz. So das Schlussresümee auf S. 67 des Gutachtens. Dafür notwendige Enteignungen umschiffen die Autorinnen. Das Ganze soll in Abstimmung zwischen Bund und Ländern erfolgen, aber ohne Mitwirkung der Kommunen, die ja vor Ort am besten einschätzen könnten, was notwendig und sinnvoll ist.
Rechtsfragen der gemeinsamen Finanzierung
von Maßnahmen der Klimaanpassung und des Naturschutzes
durch Bund und Länder
Rechtsgutachten
im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz,
nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV)
erstattet von
Prof. Dr. Ann-Katrin Kaufhold und Dr. Sonja Heitzer, LL.M.
Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht
Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München
München, 22. Juli 2024
2. Kaufholds Vorstellungen von Eingriffen des Staates in Managervergütung, Mindestlohn und Mietpreis
Ein Fachaufsatz von Kaufhold/Heitzer dazu aus dem Jahr 2021 beginnt samtpfotig:
„… Der Staat nutzt Entgeltregelungen zum einen, um die Funktionsfähigkeit des Marktes bzw. des marktwirtschaftlichen Preisbildungsmechanismus zu sichern oder erst herzustellen … Entgelte werden zum anderen reguliert, um Verbraucher zu schützen oder um im Interesse des Gemeinwohls bzw. zum Schutz von Gemeinschaftsgütern ein bestimmtes Wettbewerbsergebnis zu gewährleisten. Vergütungsregelungen dienen heute somit sowohl dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb als auch seiner sozialen Korrektur und sind in diesem Sinne zentral für die soziale Marktwirtschaft in Deutschland … Vor allem das Sozialstaatsprinzip und kollidierende Grundrechte können staatliche Vorgaben für Vergütungsvereinbarungen nicht nur rechtfertigen – Entgeltregelungen dienen auch zur Erfüllung sozialstaatlicher oder grundrechtlicher (Schutz-)Pflichten.“
Am Ende schreiben Kaufhold/Heitzer: Eine soziale Marktwirtschaft sei auf Vergütungsregelungen angewiesen – um „des Marktes“ wie um „des Sozialen“ willen. Die beiden Autorinnen schreiben: „Trotzdem hält sich der Eindruck beharrlich, der Gesetzgeber wage Ungeheuerliches, wenn er den Preis für eine Leistung normiert und die Vergütungsfreiheit damit einschränkt.“ Kaufhold/Heitzer kokettieren genau mit solchen Einschränkungen.
Alles in allem: Es wird höchste Zeit, dass sich die CDU/CSU, die Partei Ludwig Erhards, intensiv mit den ordnungspolitischen Vorstellungen der Kandidatin Kaufhold befasst. Denn was sie regelmäßig von sich gab, ist lupenreine rot-grüne Programmatik.