Wolodymyr Selenskyj kam wie stets in Räuberzivil, hatte sich aber zur Feier des Tages einen Pulli übergezogen (Trump: „He is all dressed up today“), um in Washington einen Vertrag über die ukrainischen Rohstoffe zu unterzeichnen. Wie man hört, sollen Öl, Seltene Erden und andere Schätze an die USA gehen, die EU bekommt den Job als Wach- und Schließ-Gesellschaft.
♦ Dann kam es anders. War Selenskyj dehydriert? Oder das Gegenteil? Jedenfalls sah er so verkatert aus wie Kubicki am Morgen nach dem FDP-Aus. Oder ist der Schauspieler – seine TV-Karriere begann mit dem Sieg beim ukrainischen „Let’s Dance“ – einem Drehbuch gefolgt? Wir wissen es nicht. Wir hörten nur, dass Selenskyj keinen Frieden mit Russland mehr schließen will.
♦ Gemeinsame Staatschef-Auftritte vor anwesender Presse dienen gemeinhin der (positiven) Stimmungsmache, Verhandlungen finden anderswo statt. Das hat der Ukrainer in den Camouflage-Klamotten, dem EU-Politiker huldigen, als seien ihm selbst die Kugeln im Donbass um die Ohren geflogen, nie lernen müssen. JD Vance wurde deshalb deutlich: „Sie zerren die Leute an die Front, sie haben keine Soldaten mehr. Und sie kommen in dieses Land, um vor der Presse weiter zu verhandeln? Das ist respektlos.“
Selenskyj frech: „Woher wollen Sie wissen, welche Probleme wir haben?“ Eine Anspielung darauf, dass sich Vance nicht an den Wallfahrten nach Kiew beteiligt hatte.
Trump, schlichtend: „Sie sind in keiner guten Position für solch einen Streit. Sie haben keine guten Karten, und doch zocken Sie um den dritten Weltkrieg. Sie werden den Krieg nicht gewinnen. Wir versuchen Ihnen zu helfen, zu retten, was zu retten ist.“
♦ Damit haben EU, CDU, die Grünen, die SPD und alle, die guten Willens sind – wir werden es in den Talkshows sehen – ihren ersten echten Widerstandshelden, auf den sie so lange gewartet haben. Ausgerechnet für unsere Feministerin Annalena, deren Auftreten ihr nicht genehme Regierungen auf der ganzen Welt brüskiert, hat eine „neue Ruchlosigkeit begonnen“, für CDU-Wüterich Kiesewetter „sind die USA kein Partner mehr“; SPD und Grüne sehen eine neue Chance für die grenzenlose Neuverschuldung, schließlich will auch Norwegen, so die Presse begeistert, „wirtschaftliche Hilfe für die Ukraine erhöhen“. Von einer Million auf zwei?
♦ Nur NATO-Rutte, der Eins und Eins bei Drohnen und Raketen offenbar besser zusammenrechnen kann als unsere Heimatstrategen, riet Selenskyj, seine Beziehung zu Trump zu kitten. „Er kann zurückkommen, wenn er für den Frieden bereit ist“, hatte der erboste Trump dem dreisten Ukrainer hinterhergerufen. „Sie werden entweder einen Deal machen oder wir sind raus.“ Wenn die Amis raus sind, wer ist dann drin? „Wir“? Mit Fritz, Marie-Agnes, Boris und Anton?
♦ Kurz zuvor war Ursel von der Leyen mit gleich 20 EU-Kommissaren bei Selenskyj aufgeschlagen, dazu 13 westliche Regierungschefs im Schlepptau, weitere 24 wurden per Video zugeschaltet. Wahrscheinlich war vorher mit Putin ausgehandelt worden, dass der keine Überschall-„Oreschnik“ vorbeischickt und die EU führerlos macht. Denn unbeirrt ist die vorherrschende Meinung vieler EU-Politiker, dass der Krieg weitergehen muss, also wurden entsprechende Versprechungen gemacht, die vielleicht zu Selenskyjs Hochmut beigetragen haben.
♦ Unsere neue Mitte-Links-Regierung in spe traf sich zum ersten Stelldichein und – wen wundert’s? –, „die Stimmung war gut“, so übereinstimmend die Vertreter der kleinen Linkspartei SPD. Verhandlungs-Chefin Saskia Esken fand das Treffen sogar „ganz wunderbar“. Wurde das Missverständnis wegen der CDU-Anfrage die Steuergeld-Alimentierung von linken NGOs betreffend ausgeräumt? Immerhin ist auch die Gattin von Lars „Hilfe, ich habe die SPD geschrumpft“-Klingbeil in einer solchen Nicht-Regierungsorganisation tätig.
♦ Die Union hatte der noch amtierenden Bundesregierung 551 Fragen gestellt über das mit Steuergeld geförderte Treiben von Organisationen wie „Omas gegen Rechts“, BUND und Greenpeace. Wobei es sich eher um rein rhetorische Fragen handelte wie „Sieht die Bundesregierung in der Website des Vereins Omas gegen Rechts eine parteipolitische Tendenz?“ oder „Gibt es Hinweise darauf, dass der Attac Trägerverein e. V. gezielt gegen bestimmte Parteien oder Politiker Kampagnen führt?“ Nur ein ausgemachter Schwachkopf könnte solche Fragen guten Gewissens mit „Nein“ beantworten.
♦ Die kleine Anfrage war allerdings zeitlich recht ungeschickt gewählt, denn Friedrich Merz braucht für die Wahl zum Frühstücksdirektor der Vereinigten Linken (früher Bundeskanzler) alle seine Freunde der „demokratischen Mitte“ (SPD, Grüne, SED). Moment, werden Sie sagen, zum Regieren muss er doch nur die SPD überreden. Weit gefehlt! Denn ohne die Aufweichung der vermaledeiten Schuldenbremse ist Fritz wie der Lottogewinner, der seinen Spielschein verloren hat. Und für den Blankoscheck braucht er die Zweidrittelmehrheit im 21. Deutschen Bundestag. Die SED hat bereits Zustimmung signalisiert, gegen entsprechendes Entgegenkommen natürlich.
♦ Dabei ist nicht einmal sicher, ob es auch nur zum Frühstücksdirektor reicht. Wir wissen nicht, ob es die SPDler wissen (und wir wollen keine schlafenden Hunde wecken), aber nie waren sie so mächtig wie in den kommenden vier Wochen. Alles, was die SPD seit 160 Jahren immer wieder forderte und forderte, muss sie jetzt nur verlangen, und schon bekommt sie es. Denn die Union ist bereits damit beschäftigt, ihre Posten zu verteilen, und will sich die schönen Planungen nicht kaputt machen lassen, nur weil Klingbeil sagte: „Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, ob die SPD in eine Regierung eintritt, das steht nicht fest.“ Och, komm! Also an den Inhalten wird es nicht scheitern.
♦ Als Verhandlungsmasse bringt die SPD außerdem ein mathematisches Pfund ein. Von den nun nur noch 120 SPD-Abgeordneten sollen „drei Hände voll“ ein Problem damit haben, Merz zum Bundeskanzler zu wählen. Bei einer Mehrheit von 12 Stimmen wären das am Ende drei zu wenig für eine Mi-GroKo (Mittelgroße Koalition). Da muss Merz noch Überzeugungsarbeit leisten. Als Einstieg verspricht er schon mal, auch im neuen Parlament einen AfD-Bundestagsvizepräsidenten zu verhindern.
♦ Wer über das Menschliche in der Politik redet, kommt an der SPD nicht vorbei. Was macht Chef Olaf, wenn er seinen Regierungspalast verlässt? Justiziar bei Warburg? Nur gut, dass die SPD beim Personal trotz der Wahlniederlage bestens aufgestellt ist. Pistorius, Lauterbach, Klingbeil, Heil, Faeser – diese Fachkräfte sind dem Volk inzwischen so ans Herz gewachsen, dass man nur ungern auf sie verzichtet hätte. Auch Saskia Esken hat schon fest versprochen, dass sie ihre segensreiche Tätigkeit als Parteivorsitzende fortsetzen will, schon damit die Völker die „Stabilitätssignale“ weiterhin vernehmen können. Bravo!
♦ Die CDU kritisiert, Rotgrün fliegt ein. Unmittelbar nach der Bundestagswahl landete eine Maschine aus Islamabad am Berliner Flughafen. An Bord 155 direkt importierte Afghanen, die von der Bundesregierung eine Aufnahmezusage bekommen haben.
♦ Zwar ist dem Grünen Habeck das Juristische so fremd wie die Wirtschaft, aber das hat ihn bislang auch nicht davon abgehalten, große Ideen beizusteuern. Warum, schlägt der Robert vor, beschließen wir das Ende der Schuldenbremse nicht einfach mit der „jetzt noch existierenden Zweidrittelmehrheit“ des 20. Bundestages? Ja, das Parlament sei immer noch entscheidungsfähig, stimmte Merz, der nach Advokaten-Lehrgängen in Bonn und Marburg immerhin vom Fach ist, sofort zu. Der „wahrscheinliche künftige Kanzler“ (Handelsblatt) erwägt daher, die Verfassung noch mit den alten (inzwischen abgewählten) Mehrheiten zu ändern. Dazu bräuchte er allerdings die FDP, die angeblich gerade wegen des Bestands der Schuldenbremse die Regierung verlassen hat.
♦ Wundert es jemanden, dass die Wähler der Grünen wegen des Abgangs ihres Energie- und Finanzgenies Robert Habeck trauern? Und so hören wir überall das berühmte alte Lied zum Abschied: Wenn du gehst, dann geht nur ein Teil von dir, aber deine Wärmepumpe bleibt hier.
Schönen Sonntag!
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