Aus Donald Trumps Übergangsmannschaft („transition team“) ist angeblich zu hören, dass der gewählte Präsident zu einem frühen Zeitpunkt in seiner zweiten Amtszeit aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) austreten könnte. Vielleicht werde der Austritt schon am ersten Tag der neuen Amtszeit geschehen. Das sagt zumindest der Public-Health-Jurist Lawrence Gostin, Professor für globale Gesundheit in Washington. Vor allem aber ist Gostin der Leiter eines nationalen Global-Health-Rechts-Zentrums (Center on National and Global Health Law), das mit der WHO zusammenarbeitet. Gostin ist sich allerdings auch nicht sicher, ob Präsident Trump auf seine Berater hören wird. Gegenüber der Presse bestätigte das Trump-Übergangsteam die Pläne nicht.
Der Austritt, wenn er denn käme, würde die WHO eines erheblichen Teils ihrer Geldmittel berauben. In den Jahren 2022 und 2023 trugen die USA insgesamt 1,3 Milliarden Dollar zum WHO-Budget bei und dürften damit der größte Zahler gewesen sein. Zuvor, im Biennium 2020–2021, waren es nur 693 Millionen US-Dollar gewesen, während Deutschland damals fast das Doppelte zahlte – auch um die geringeren US-Beiträge auszugleichen.
Trump strich schon einmal die US-Beiträge
Denn der jetzt vermutete Austritt wäre nicht ohne Präzedenzfall: Schon im Frühjahr 2020 hatte Donald Trump die US-Zahlungen an die WHO eingestellt. Trump warf der Weltgesundheitsorganisation damals eine „schlechte Handhabung und Vertuschung“ bezüglich der Ausbreitung des Coronavirus vor. In der Tat war die Kritik der WHO an China, von dem die Corona-Epidemie ausgegangen war, minimal bis inexistent gewesen. Durch das Vertrauen der WHO auf chinesische Angaben habe sich die Εpidemie deutlich verschlimmert, so Trump 2020.
Während der damalige US-Präsident bald mit einem Stopp des Flugverkehrs reagierte, stellte sich die WHO gegen ähnliche Beschlüsse. Auch der WHO-Public-Health-Jurist Gostin hatte die Gefahr, die für US-Bürger vom Coronavirus ausging, im Januar 2020 als „außerordentlich gering“ bezeichnet und musste das später als Fehleinschätzung eingestehen.
Trump vermutete 2020, dass die WHO zu Beginn der „Pandemie“ (also vor deren Ausrufung) mehr gewusst habe, als sie öffentlich bekannt- und zugab. So schrieb er in seinem Brief vom 18. Mai 2020, dass die taiwanischen Behörden schon am 31. Dezember 2019 vor einer Mensch-zu-Mensch-Ansteckung bei Covid-19 gewarnt hatten, wovon aber die WHO, folglich auch die Weltöffentlichkeit, keine Notiz nahmen. Vielmehr beharrte man öffentlich darauf, dass es keine Ansteckung von Mensch zu Mensch gebe. Am 28. Januar lobte WHO-Chef Tedros die chinesische Führung für ihre „Transparenz“.
Ein Impfskeptiker als Gesundheitsminister
Nun hat Trump den Impfstoff-Skeptiker Robert F. Kennedy Jr. als künftigen Gesundheitsminister bestimmt. Dem Kennedy-Neffen RFK unterstünden dann sowohl die Centres for Disease Control and Prevention (CDC), vergleichbar dem deutschen Robert-Koch-Institut, als auch die Food and Drug Administration (FDA), die für die Zulassung von Medikamenten, aber auch für die Lebensmittelsicherheit und anderes mehr zuständig ist
Kennedy hatte sich ursprünglich als unabhängiger Kandidat um die US-Präsidentschaft beworben, aber letztlich die Wahl Trumps öffentlich befürwortet. Ein solches Endorsement bildet häufig die Grundlage für spätere Regierungsämter.
Kennedy bezweifelt nicht allein die Wirksamkeit (und Schadlosigkeit) der neuartigen Corona-Impfstoffe, sondern hat auch traditionellere Impfungen gegen Kinderkrankheiten (etwa Polio) in Frage gestellt, auch wenn er sich nicht als „Impfgegner“ sehen mag und von Impfungen nicht per se abrät. Trotzdem wird Kennedy oft für seine Haltung kritisiert. Der scheidende Vorsitzende der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, warnte, jeder, der sich um eine Bestätigung im Senat bewirbt, müsse den „Anschein einer Verbindung“ mit der Diskreditierung bewährter medizinischer Heilmethoden vermeiden. Doch zugleich haben hunderte US-Ärzte einen offenen Brief geschrieben, in dem sie Kennedys „unerschütterliches Engagement für wissenschaftliche Transparenz und seine Entschlossenheit, die Ursachen von Krankheiten zu bekämpfen“, als eine besondere Qualifikation für die Leitung des Gesundheitsministeriums ansehen, wie CNN auch berichtet.
Lockdownkritiker an der Spitze der nationalen Gesundheitsinstitute
Laut der New York Times soll derweil ein Streit im Trump-Transitionsteam um die Bekämpfung der Fettleibigkeit schwelen. Soll es eher um einen Wandel beim Lebensstil, vielleicht auch um neue Regularien für die Nahrungsmittelindustrie gehen (so angeblich RFK) oder können hier eher Medikamente helfen (so Musk)? Dieser Gegensatz ist vermutlich weitgehend konstruiert. Denn das eine schlösse ja das andere nicht aus.
Neben Kennedy soll der maßnahmenkritische Gesundheitsökonom Jay Bhattacharya Anfang des kommenden Jahres zum Direktor der National Institutes of Health (NIH) ernannt werden. Zu dem Verbund nationaler Forschungsinstitute gehört auch das Nationale Institut für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), das 18 Jahre lang von Anthony Fauci geleitet wurde. Faucis Verbindungen zur mutmaßlichen Entstehung des Coronavirus in einem Labor in Wuhan wurden seit seinem Rückzug von der NIAID-Leitung im Dezember 2022 noch einmal verstärkt diskutiert.
Nun soll also Bhattacharya, Mit-Autor der lockdown-kritischen Great-Barrington-Erklärung, die nationalen Gesundheitsinstitute der USA leiten, was im Falle einer neuen (möge es ausbleiben) „Pandemie“ zweifellos ganz andere politische Akzente setzen würde. Bhattacharya benannte die Covid-19-Lockdowns als den „größten Fehler, den wir im Bereich der öffentlichen Gesundheit je gemacht haben“. Der „Schaden für die Menschen“ sei katastrophal gewesen. Laut den „Twitter Files“ wurde Bhattacharyas Twitter-Profil seit August 2021 auf eine „Schwarze Liste“ gesetzt und die Reichweite seiner Tweets eingeschränkt. Er war nicht die einzige Stimme von Belang – immerhin ist er Stanford-Professor –, die so „auf stumm gestellt“ wurde.
Ökonomie der Gesundheit – ein globales Thema
Das Thema Gesundheitsökonomie hat in den USA aber sicher auch darüber hinaus eine Bedeutung – wie zuletzt das Aufsehen rund um einen Mord auf offener Straße an einem Versicherungsmanager zeigte (der Fall Luigi Mangione).
Natürlich sieht der WHO-Experte Gostin, der Austritt der USA werde „ein riesiges Vakuum in der globalen Gesundheitsfinanzierung“ wie bei der „global health leadership“ hinterlassen. Angeblich werde niemand diese Lücke so bald füllen – doch genau darin könnte Gostin auch laut Kritikern der vermuteten Entscheidung irren. So wird befürchtet, dass der Einfluss Chinas auf die globale Gesundheitspolitik noch wachsen werde. Auch das kann aber bezweifelt werden, denn die Volksrepublik spielte hier auch seit 2020 vor allem defensiv. Aber mit Sicherheit gehen der UN-Organisation so Mittel verloren, die die WHO selbst schwächen werden. Und das mag man begrüßen oder beklagen.
Für den Zweijahreszeitraum 2024–2025 hat die WHO Ausgaben in Höhe von 6,8 Milliarden Dollar geplant, darunter 1,2 Milliarden Dollar für „Gesundheitsnotstände“ (health emergencies), eine weitere Milliarde für „Notfalloperationen und Appelle“ (!), 694 Millionen Dollar für die Ausrottung der Kinderlähmung (Polio), 438 Millionen Dollar für „gesündere Bevölkerungen“ und 1,35 Milliarden Dollar für eine „effektivere und effizientere WHO“. Eine global operierende Organisation gibt ein knappes Viertel der eigenen Ausgaben für „Effizienzsteigerung“ und eine geschätzte halbe Milliarde für „Appelle“ aus. Das ist wirklich ein Treppenwitz der halb-öffentlichen Haushaltsführung.