Kaum jemand in Jerusalem zweifelt daran, dass Donald Trumps ehrgeizige Ambitionen den Nahen Osten verändern werden. Trump will als US-Präsident erklärtermaßen ein „Friedensstifter“ werden. „Trump ist auf der Jagd nach dem Friedens-Nobelpreis“, schreibt Ralf Emanuel, bisher US-Botschafter in Japan und früherer Stabschef im Weißen Haus unter Präsident Barack Obama.
Der Demokcrat hatte schon zu seinem Amtsbeginn 2009 sinnfrei und ohne rechte Begründung in Stockholm den Preis erhalten – was Trump in zahlreichen Reden immer wieder kritisierte. Der Republikaner sei nun „besessen“ von dem Wunsch, diesen Nobelpreis zu bekommen, behauptet nicht nur Democrat Emanuel.
Mit dem Amtsantritt Trumps zeichnet sich auch im Nahen Osten eine Zeitenwende ab – allerdings noch ohne klare Konturen. Angesichts seiner ersten Entscheidungen und Äußerungen ist in Israel die Unsicherheit über die künftige Rolle des Verbündeten USA gewachsen.
Viele Israelis fragen sich, welchen Preis der jüdische Staat für eine Befriedung der Region nach Trumps Vorstellungen wird zahlen müssen. Auch Israels Finanzminister Joel Smotrich, Vorsitzender der rechts-religiösen Partei Mafdal – HaTzionut HaDatit, droht mit dem Ausscheiden aus der ohnehin fragilen Koalition, wenn der Kampf gegen die Hamas eingestellt werde, ohne dass deren Strukturen vollständig zerschlagen worden wären.
Der zionistische Politiker glaubt, dass es angesichts der Sicherheitsbedürfnisse Israels keine Alternative zu einer israelischen Besetzung des Gaza-Streifens und der Errichtung neuer jüdischer Siedlungen dort gibt. Es ist sehr fragwürdig, ob Trump, der bisher israelische Siedlungen in Palästinensergebieten nicht grundsätzlich abgelehnt hat, einer solche Entwicklung akzeptieren würde.
Netanjahu vertraut Trump
Netanjahu demonstriert zwar ungebrochen Optimismus und jubelte in seinem Glückwunschschreiben an den neuen US-Präsidenten, dem Bündnis zwischen Israel und den USA stünden nun „die besten Tage noch bevor“. Er beschwor die gemeinsame Absicht, die Geiseln zurückzuholen, „die Hamas zu zerstören“ auf dass sie „nie wieder eine Bedrohung für Israel darstellt“ und zudem „die iranische Terror-Achse zu besiegen“, so Netanjahu in einer Videobotschaft.
Bisher hofften die Israelis, dass Trump sich auch künftig als verlässlicher und solidarischer Verbündeter erweisen werde. Schließlich hatte der Republikaner in seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) die israelische Annexion der früher syrischen Golanhöhen anerkannt, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und das Abraham-Abkommen ermöglicht, das den Weg zu Frieden und Normalisierung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrein ebnen soll.
Trump von Anfang ein sendungsbewusster Machtpolitiker
Nun wecken gemischte Signale Trumps Irritationen in Jerusalem. Schließlich feiern die Hamas und andere Terrororganisationen nicht ohne Grund die Vereinbarung mit Israel als einen großen Sieg und letztendlich auch Erfolg des Überfalls am 7. Oktober 2023 auf Israel, als bei einem Massaker an Israelis mehr als 1.200 Menschen ermordet und 210 als Geiseln verschleppt worden waren.
Es gibt kaum einen Zweifel daran, dass Netanjahu ohne den Druck Trumps dem Abkommen kaum zugestimmt hätte, schließlich lag der Entwurf des bisherigen Präsidenten Joe Biden seit Mai 2024 auf dem Tisch. Genährt wird die Unsicherheit in Jerusalem auch von ersten Äußerungen Trumps als Präsident: „Das ist ihr Krieg, nicht unserer“, betonte Trump am Dienstag mit Blick auf den Konflikt Israels mit der Hamas.
Der neue US-Präsident dagegen macht deutlich, was er möchte: Die Waffenruhe „sollte besser halten“, sagte er dem US-Sender „NBC News“, sonst werde „die Hölle losbrechen“. Diese Formulierung hatte Trump schon einmal benutzt, allerdings eindeutig in Richtung Hamas, die die Geiseln freilassen soll: „Diejenigen, die für die Verschleppung der Geiseln verantwortlich sind, werden härter getroffen werden, als irgendjemand in der langen und geschichtsträchtigen Geschichte der USA jemals getroffen wurde“, so die harschen Worte Trumps an die Hamas. „Lasst die Geiseln jetzt frei“, sonst „wird die Hölle los sein“.
Keine Gelder mehr für UNRWA – Sanktionen gegen IStGH
Nun sprach Trump bei NBC weit weniger eindeutig in eine Richtung. Er habe Netanjahu gesagt: „Tu, was du tun musst. Das muss enden. Wir wollen, dass es endet, aber auch, dass getan wird, was getan werden muss.“ Äußerungen, die vielen Interpretationen Platz lassen.
Trump hat allerdings auch schon Beschlüsse gefasst, die in Israel erfreut aufgenommen werden. Die USA wollen künftig die UN-Flüchtlingsorganisation für Palästinenser, die UNRWA, nicht weiter finanziell unterstützen. Damit folgt Trump einer Forderung Israels, da die UN-Organisation von Hamas-Sympathisanten unterwandert und teilweise dominiert werde. Die USA waren früher der größte Beitragszahler für die UNRWA.
Auch hob Trump Sanktionen gegen israelische Siedler im Westjordanland und zionistische Aktivisten auf. Biden hatte damit auf angebliche Übergriffe von militanten Siedlern gegen Palästinenser reagiert. Zudem erlaubt die neue US-Regierung wieder den Export einiger Waffensysteme nach Israel, die Biden mit einem Ausfuhrverbot belegt hatte. Schließlich soll es künftig wieder Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag geben, der 2023 Israel ins Visier nahm und sogar Haftbefehle gegen Netanjahu und den früheren Verteidigungsminister Joav Galant erlassen hatte.
Bisher glaubt Trump nicht an eine Zwei-Staaten-Lösung
Auch die Ernennung von Senator Marco Rubio als neuer US-Außenminister wird in Israel erfreut aufgenommen. „Sie sind ein unerschütterlicher Freund Israels … Es gibt viel zu tun und ich freue mich auf eine enge Zusammenarbeit, um die großartige Allianz zwischen Israel und den USA zu stärken“, schrieb Israels Außenminister Gideon Sa’ar in seinem Glückwunschschreiben. Auch Trumps Aufforderung an Saudi-Arabien, dem Abraham-Abkommen beizutreten, wurde in Israel positiv aufgenommen.
Entscheidende Bedeutung wird der grundsätzlichen Haltung Trumps zum Nahen Osten und zu Israel zukommen. Wird er den jüdischen Staat weiterhin als einen extrem wichtigen Außenposten der freien Welt ansehen? Wird er Abkommen unterstützen, die ein Wiedererstarken der Hamas und anderer Terrororganisationen ermöglicht? Und wird er sich gegen blauäugige Vorstellungen vor allem seiner europäischen Verbündeten von einer „Zwei-Staaten-Lösung“ mit einem mit Sicherheit fragilen Palästinenserstaat weiterhin verweigern – auch wenn das einer Auszeichnung als Friedensnobelpreisträger sicher im Weg stehen würde?