Tichys Einblick
Davos oder der Wahrheitstrank

Scholz zu Musk: Meinungsfreiheit ja, aber nicht für alle

In Davos lässt Olaf Scholz sich herbei, die Kritik Elon Musks gegen ihn und seine Regierung ganz entspannt im weißen Sessel zu kontern. Meinungsfreiheit soll gelten, meinte der Kanzler, aber nur, wenn man dabei nicht „extrem rechte Positionen“ transportiert. Wie man das vermeidet, das sagte der Kanzler nicht.

picture alliance / Anadolu | Halil Sagirkaya

Warum müssen sie nur immer die Wahrheit sagen? Ist es die klare Alpenluft, die klirrende Kälte auf 1500 Höhenmetern? Irgendetwas muss es sein, das die Mächtigen zu einer gewissen Art Wahrhaftigkeit verleitet. Nun war also Olaf Scholz dran, den Elon Musk bekanntlich als „unfähigen Narren“ bezeichnet hatte, nachdem in Magdeburg fünf Menschen durch eine Attacke gestorben waren – letztlich starben sechs, hinzu kommen hunderte Verletzte.

Und dieser Angriff auf friedlich versammelte Bürger soll nun noch nicht einmal offiziell als Terrortat eingestuft werden. Das ist die Entscheidung der Bundesanwaltschaft, die nur eine „Amokfahrt aus persönlicher Frustration“ in dem Geschehen erkennen will, aber keine Tat gegen den deutschen Staat oder die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Denn dafür steht kein Weihnachtsmarkt. Achtung also, gehen Sie nicht auf den Weihnachtsmarkt. Sie verlassen sonst den demokratischen Sektor – oder den von dieser Demokratie geschützten.

Musk hatte sich schon ein wenig erregt ob dieser zur Schau getragenen Inkompetenz einer Regierung bei der Verteidigung des friedlichen Zusammenlebens im Innern bei offenstehenden Grenzen für jede Art von fruchtloser Einwanderung nach außen.

Die Vorlieben der SPD sind offene Grenzen, Bürgergeld und AWO-Jobs

Scholz nahm diese und andere Interventionen von Musk nun zum Anlass, um in Davos in leicht holprigem Englisch ein offenes Wort zu sagen – oder verhaspelte er sich vielleicht doch eher in seinem rudimentären Denken und subliminal-politischen Stammesdenken? Scholz hatte die Sache anscheinend länger verfolgt – so gab er sich – und „hätte vieles zu Elon Musk zu sagen“, da der Unternehmer sich in der Vergangenheit immer wieder zu europäischen und auch deutschen Zuständen geäußert hatte. Das nimmt man Scholz aber nur halb ab. Eigentlich geht es ganz klar um das Nachkarten wegen des oben zitierten durchaus persönlich gehaltenen und adressierten Angriffs von Musk auf den Kanzler. Und Kritik an den Herrschenden war doch ein Grundrecht in der liberalen Demokratie?

Dann aber kam Scholzens Statement: „Wir haben Meinungsfreiheit in Europa und Deutschland. Jeder kann sagen, was er will, sogar wenn er ein Milliardär ist. Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn solche Aussagen extrem rechte Positionen unterstützen.“

Autoritäres Denken statt Freiheitlichkeit
Scholz in Davos: Ein Offenbarungseid in Sachen Meinungsfreiheit
In dieser Manier könnte allerdings jede beliebige gesellschaftliche Gruppe hervortreten und sagen: Wir akzeptieren ja das Recht auf freie Meinungsäußerung, aber bitte keine stark besorgten oder extrem wachsamen Äußerungen zur Lage des Landes. Manchmal ist es vielleicht ja wirklich zu viel, und dann ist mehr davon nicht gut. Aber wer bestimmt eigentlich, wo dieser angeblich randständige Bereich des Zuviel beginnt und wo die breitgesessene Mitte der Sozialdemokratie endet? Am Ende ist auch die SPD nur so ein Sondergrüppchen, das auf seinen Vorlieben und Empfindlichkeiten (Selbstbestimmungsgesetz, offene Grenzen, Bürgergeld und AWO-Jobs) besteht, weil die ihm eben schon immer so gut in den Kram passten.

Hätten die Genossen denn wirklich eine Antifa über 40 Jahre am Leben gehalten, wenn da gar keine Gefahr von „extrem rechts“ käme? Und wahr ist wohl, dass es sie geben kann. Aber die Äußerungen Musks, der sich über den soundsovielten Angriff auf das Leben deutscher Bürger erregte, kann man nicht leicht in diesen Bereich ziehen. Immerhin wurde dieser Text an einem Tag geschrieben, an dem es in Aschaffenburg erneut zwei Tote und mehrere Verletzte von der Hand eines eingewanderten Afghanen gab. Die Sache hat durchaus Belang, aber nicht den, den Scholz ihr geben will.

Die Gedanken sind wirklich frei, sagt das BVerfG

Daneben hat das Bundesverfassungsgericht schon 2018 festgestellt, dass die Angst vor einer (angeblichen) „Vergiftung des geistigen Klimas“ ebenso wenig ein Eingriffsgrund in das Grundrecht der Meinungs- und Redefreiheit sei wie der (vermeintliche) „Schutz der Bevölkerung vor einer Kränkung ihres Rechtsbewusstseins“ durch etwaige „totalitäre Ideologien“. Die Wortkombination „extreme right positions“ ist allerdings noch sehr, sehr weit von diesem Punkt einer „totalitären Ideologie“ entfernt. Und insofern müsste beides erlaubt sein.

Diese Zitate trug der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel auf X mitsamt dem Redeausschnitt bei. Übrigens, so das Verfassungsgericht daneben, gehört auch eine „mögliche Konfrontation mit beunruhigenden Meinungen, auch wenn sie in ihrer gedanklichen Konsequenz gefährlich und selbst wenn sie auf eine prinzipielle Umwälzung der geltenden Ordnung gerichtet sind, zum freiheitlichen Staat“.

Ein Gedanke, so aufrührerisch er auch sei, darf also nicht unterdrückt werden. Er darf gesagt werden. Und dabei sollte es vielleicht auch in Deutschland bleiben.

Die Antwort zu dem anfangs formulierten Rätsel ist: Die in Davos glauben einfach, dass sie unter sich sind. Das scheint die Anmutung dieses ganzen Festivals der Wichtigen, Reichen und nicht ganz so Wichtigen zu sein. Und so sprechen sie – für manchen erfreulich – frei von der Leber weg und verraten so manchmal mehr als nur ihre persönliche Agenda. Und man führe sich noch einmal vor Augen, dass auch dieser Auftritt in Davos mit dieser Reaktion Elon Musks auf einen Tweet begann.

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