Tichys Einblick
Signal aus Wien

Österreich will keine umverteilten Migranten aufnehmen

Was die rot-grüne Rest-Regierung in Deutschland ablehnt, macht die schwarz-grüne Regierung in Österreich vor: Unser Nachbarland forciert die Rückführung von Syrern in ihr Heimatland – und schließt die quotierte Verteilung von Flüchtlingen auf die EU-Mitgliedstaaten aus.

IMAGO / Andreas Stroh

Immer noch laufen in Österreich die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Koalition nach den Parlamentswahlen Ende September. Doch mindestens in der Ausländerpolitik zeigt sich die noch geschäftsführend amtierende Regierung aus konservativer ÖVP und Grünen erstaunlich handlungsfähig.

Wien hat sich bei dem Thema an die Spitze der EU gesetzt und will nach dem Sturz von Syriens Diktator Assad möglichst viele Syrer möglichst schnell in ihr Heimatland zurückschicken. Das hat Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) jetzt in einem Interview mit der „Welt“ bekräftigt.

„In Österreich leben knapp 100.000 Syrer. Jeder von ihnen würde bei einer Rückkehr nach Syrien helfen können, sein Heimatland wieder aufzubauen“, sagt Karner. Er ist seit 2021 Innenminister und gilt als eine der zentralen Figuren im Kabinett. „Syrien braucht jetzt seine Mitbürger.“ Österreichs Behörden beraten nicht nur offensiv über die freiwillige Rückkehr, sondern helfen auch bei der Beschaffung der Dokumente und bei der Organisation der Reise.

Bei einer freiwilligen Rückkehr wird eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro pro Kopf bezahlt. Karner rechtfertigt das so: „Die freiwillige Rückkehr ins Heimatland ist für die meisten Syrer – und den österreichischen Steuerzahler – die beste Lösung.“

Parallel wurden alle Asylentscheidungen bei Syrern gestoppt, auch erste Aberkennungsverfahren laufen. „Schutz gibt es immer nur auf Zeit“, sagt Österreichs Innenminister knapp. Geordnete Abschiebungen würden derzeit vorbereitet. Die Priorität liege dabei zunächst bei straffälligen Personen und Syrern, „die sich nicht integrieren und nicht arbeiten wollen“. Alle bereits gewährten Bleiberechte würden überprüft, der Familiennachzug sei auf unbestimmte Zeit ausgesetzt.

Deutschlands rot-grüne Reste-Regierung und auch die EU-Kommission warnen vor einer überstürzten Abschiebedebatte. Karner ficht das nicht. Wien stehe mit seiner Haltung in der EU keineswegs allein da. „Die Lage in Syrien hat sich geändert. Das sollte man zur Kenntnis nehmen.“

Beim neuen „Gemeinsamen Europäischen Asylsystem“ (GEAS), das 2024 nach acht Jahren Verhandlungen beschlossen wurde, sieht Karner Licht und Schatten. Er begrüßt das klare Bekenntnis, einen gemeinsam finanzierten EU-Außengrenzschutz zu errichten. Ebenso sei es richtig, schnelle Asylverfahren an den Außengrenzen durchzuführen, die Standards bei der Versorgung von Migranten in den einzelnen EU-Ländern weitgehend zu harmonisieren und das sogenannte Asyl-Hopping innerhalb der EU härter zu bestrafen.

Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Migrationsabkommen mit Drittstaaten über Rückführungen kritisiert, ebenso Asylentscheidungen vor Ort: Das würde letztlich nur wenige Migranten betreffen. Karner kritisiert jetzt seinerseits den deutschen Regierungschef: „Es ist falsch, solche Modelle von vornherein zu entwerten. Wir brauchen neue Lösungen und klare Signale an die Schlepper, dass es so nicht weitergeht.“

Unzufrieden ist der Österreicher mit der aus seiner Sicht mangelnden Zusammenarbeit der EU mit Drittstaaten in Asylfragen. Vor allem lehnt er die Verteilung von Flüchtlingen nach Quoten auf die EU-Mitgliedstaaten kategorisch ab: Österreich sei über Jahre mit Migranten überlastet worden und habe somit einen Vorschuss an Solidarität geleistet. Dann sagt er den zentralen Satz:

„Es ist darum undenkbar, dass wir künftig umverteilte Migranten aufnehmen werden.“

Anders als Deutschland bekämpft Österreich Menschenschmuggel mithilfe von großflächiger Drohnenüberwachung an den Grenzen. Auch nachts und bei schlechtem Wetter sind bis zu 20 Drohnen im Einsatz. Mobile Grenzschutzeinheiten verfolgen mithilfe der Bilder die Schlepper. Als einziges EU-Land arbeitet Österreich bei der Drohnenüberwachung auch mit Drittstaaten zusammen und betreibt zehn Drohnen an der Grenze zwischen Serbien und Nordmazedonien.

Österreichs schwarz-grüne Koalition hat bei den Parlamentswahlen im September keine Mehrheit mehr bekommen. Derzeit verhandelt die konservative ÖVP mit den Sozialdemokraten der SPÖ und den linksliberalen Neos über eine Dreier-Regierung.

Sollte das Bündnis zustande kommen, wird erwartet, dass Gerhard Karner Innenminister bleibt.

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