Tichys Einblick
Wer kümmert sich um die Geiseln?

Die Gaza-Petition: Verbrüderung mit Islamisten

Politiker, Kulturelite, Medien: Alle prangern Israel an. Die Diskussion um den Hunger in Gaza verschweigt standhaft den Hauptverantwortlichen für die Zustände, und ist gekennzeichnet von unerträglicher Heuchelei. Hungernde Geiseln? Die interessieren niemanden.

Die israelische Geisel Jarden Bibas wird von Kämpfern der Al-Kassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, an das Internationale Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) übergeben, 01.02.2025

picture alliance/dpa | Abed Rahim Khatib

Über 200 Künstler, vorrangig Schauspieler und Musiker, haben eine Petition unterzeichnet, die sich an Friedrich Merz richtet. „Lassen Sie Gaza nicht sterben“, heißt es da. Ein pathetischer Appell, der drei Forderungen umfasst: Die deutsche Regierung soll „mit Nachdruck einen sofortigen Waffenstillstand und ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe“ fordern, sich für die Aussetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel einsetzen, und „umgehend“ deutsche Waffenexporte an Israel stoppen.

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Damit diese Forderungen emotional genügend unterfüttert sind, rufen die Verfasser das Schicksal der palästinensischen Kinder ins Gedächtnis: „Kinder wie unsere. Kinder wie Ihre.“ Mantraartig immer wieder: Kinder. Die unschuldigen Opfer des Krieges, für die sich Friedrich Merz einsetzen soll. Ein Mann übrigens, der kürzlich erst vor dem Bundestag kundgetan hat, dass es sein Gewissen nicht beschwert, wenn eine Juristin Verfassungsrichterin würde, die potenziell den kleinsten unter den kleinen Kindern die Menschenwürde abspricht. Dieses Detail ficht die Moralprediger nicht an: Vielleicht findet Merz ja einen Funken Menschlichkeit in sich. Die Kinder von Gaza jedenfalls kann er doch nicht im Stich lassen wollen.

Der perfide Unterton: Wer die Ziele dieser Petition nicht unterstützt, dem sei das Schicksal von Kindern gleichgültig.

Doch die Insinuation, dass Israel das Leid verschulde und deshalb isoliert, abgestraft und gestoppt werden müsse, unterschlägt, dass die primär Verantwortlichen die Terroristen der Hamas sind. Sie, nicht Israel, haben entschieden, palästinensische Kinder ihrem Hass zu opfern. Sie benutzen die Kinder als Druckmittel. Und die deutsche Kultur“elite“ bedankt sich, und instrumentalisiert die Kinder ihrerseits ein weiteres Mal.

Selektives Mitleid

Die Hamasterroristen sind es auch, die das Schicksal derer in Händen halten, die seit dem 7. Oktober 2023 von der Weltöffentlichkeit im Stich gelassen und verraten werden: die Geiseln, die sich immer noch in Gefangenschaft befinden. Wer hat Mitleid mit Rom Braslavski, der von der Hamas vor die Kamera gezerrt, weinend ein herzzerreißendes, erschütterndes Lebenszeichen von sich gibt? Ein verstörendes Video.

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Auch er ist ein Kind. Auch er hat eine Mutter und einen Vater. Auch er hungert – weil die Hamasterroristen ihn verhungern lassen. Hunger als Waffe und Machtinstrument. Aber hier interessiert es keinen der Petenten. Als er entführt wurde, war er 19 Jahre alt.

Eine deutsch-israelische Geisel, für die die deutsche Regierung sich bisher vor allem insofern eingesetzt hat, als dass sie ihr Möglichstes gab, um von der Hamas den Druck zu nehmen, ihn und die anderen noch lebenden Gefangenen freizulassen. Die meisten der verbliebenen Geiseln, so Außenminister Johannes Wadephul im Politico Berlin Podcast, seien „wahrscheinlich leider schon gestorben“.

Es ist unfein, Worte eines mündlichen Interviews auf die Goldwaage zu legen. Aber hier sind sie von Bedeutung. Die Geiseln sind nicht einfach „gestorben“. Sie wurden, ob direkt oder indirekt, gemordet. Vor aller Augen. Dass man es nicht vermochte, die Hamas zur Freigabe der Gefangenen zu bewegen, liegt daran, dass man es nicht will.

Die Weltöffentlichkeit als Komplize

Frankreich, Kanada, Großbritannien, jene Länder, die nun verkündet haben, einen Palästinenserstaat akzeptieren zu wollen – und damit nicht zuletzt ein Regime, das die eigene Bevölkerung knechtet –, sind nicht besser als ein Erschießungskommando: Sie sind zu Mittätern geworden, weil ihnen jeder Hauch Verantwortungsgefühl und Menschlichkeit fehlt. Der übrigens nicht nur den Geiseln helfen würde, sondern auch den palästinensischen Kindern – denn je eher die Hamas zur Aufgabe gezwungen würde, desto eher wäre ein, wenn auch brüchiger, Friede möglich, desto eher wäre etwas anderes als das tägliche Elend in Gaza überhaupt denkbar. Denn das wird eben nicht nur durch israelische Angriffe verursacht, sondern durch das üble Regime einer gewissenlosen Terrororganisation.

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Die Hamas weiß nun, dass sie machen kann, was sie will. Sie kann fortfahren, das israelische Volk und die Angehörigen kollektiv zu quälen, mit Ungewissheit, mit Videos, mit Verlautbarungen. Und zugleich ist das Leid der palästinensischen Kinder eine stabile Währung, mit der sich weitere Unterstützung kaufen lässt.

Durchschauen die „Israelkritiker“ diesen Mechanismus nicht? Das ist unerheblich. Denn diese Prominenten und ihre Unterstützer haben sich für das Narrativ entschieden, das ihnen moralische Hoheit verspricht. Die paar abgemagerten, verhärmten, gebrochenen Geiseln, die in dunklen Kellern dahinsiechen, das sind die Opfer von gestern. Aber große Kinderaugen – das ist doch etwas, wofür sich einzusetzen lohnt.

Judenfeindlichkeit – nicht nur salonfähig, sondern geboten

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Die Heuchelei, die hier sichtbar wird, ist kaum anders zu erklären als mit Antisemitismus. Die Situation im Nahen Osten ist derart komplex, dass eine Haltung, die irgendwie einen Ausgleich sucht, nach Verhältnismäßigkeit fragt, nicht nur legitim, sondern geboten wäre. Hier aber wird Verhältnismäßigkeit nur beschworen, tatsächlich aber pflegt man eindeutig ein eindimensionales Schwarz-Weiß-Denken auf dem Rücken Israels.

Dass Judenfeindlichkeit so schnell, so nonchalant, so mühelos nicht nur wieder salonfähig wird, sondern verbrämt in moralisches Gebaren gewissermaßen zur Pflicht, macht sprachlos.

Die Verbrüderung mit dem islamistischen Terror gelingt verdächtig unkompliziert. Das liegt sicherlich einerseits an alten Allianzen, die nun schlicht wieder sichtbar werden: Der Jude als Feindbild eint Linke und Islamisten. Damit entpuppen sich freilich sämtliche Forderungen nach Freiheit, Gleichberechtigung, Toleranz oder Gerechtigkeit als Lippenbekenntnisse – denn nichts davon würden Islamisten akzeptieren.

Der Islam: Ein trojanisches Pferd

Dass ideologisch bedingter Antisemitismus ausreichen sollte, um derart eklatant die eigenen propagierten „Werte“ mit Füßen zu treten, ist unwahrscheinlich. Hinzu kommen die politischen Realitäten. Und die sind in Westeuropa gekennzeichnet von der Ausbreitung und der Landnahme des Islam. Die linken Machthaber haken sich unter, biedern sich denen an, die jetzt schon die Macht besitzen, mit palästinensischen Flaggen bewehrt die Innenstädte zu fluten, die ihre Stärke herauskehren, sich ungeniert als zukünftige Herren Europas aufspielen – und die Wählerstimmen einbringen.

Die vorauseilende Dienstbarkeit wird Linken nichts nützen: Die Ideologie des Islam wird auch sie wegfegen. Doch das ist auf eine gespenstische Art sinnfällig: Linke Ideologie kennt letztlich kein anderes Ziel als Zerstörung. Hier nun hat man den Partner gefunden, der auch bei der Selbstzerstörung tatkräftig assistieren wird.

So weit denken die Unterzeichner der Petition, darunter illustre Namen, ebenso wie ein großer Teil der deutschen Politiker nicht.

Ihnen genügt es, sattelfest auf dem hohen moralischen Ross zu sitzen. Auch, wenn es sich als trojanisches Pferd erweist.


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