Am 23. Februar ist Bundestagswahl. Unter anderem tritt die Werteunion an – allerdings nur in Nordrhein-Westfalen. Ihr Vorsitzender Hans-Georg Maaßen im TE-Interview.
Tichys Einblick: Die Unzufriedenheit mit dem vorhandenen Politangebot ist greifbar, Herr Maaßen. Umfragen belegen dies auch. Diese Unzufriedenheit hat letztes Jahr zu mehreren Parteigründungen geführt. Unter anderem gibt es jetzt die Werteunion, deren Vorsitzender Sie sind, und das Bündnis Sahra Wagenknecht. Dieses Bündnis hat einen relativ guten Kickstart gehabt, durch die Europawahl und durch die drei Landtagswahlen im Osten. Braucht eine junge Partei einen solchen Kickstart?
Hans-Georg Maaßen: Also aus meiner Sicht braucht man letztendlich drei Dinge, um erfolgreich zu sein. Zum einen braucht man Publicity. Das heißt, man muss von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die Leute müssen wissen, dass die Partei überhaupt da ist und sie müssen das Führungspersonal kennen und wissen, wofür die Partei steht. Das war Sahra Wagenknecht gelungen, weil sie den Rückenwind der Medien hatte und weil sie beispielsweise in Talkshows eingeladen wurde. Sie ist ein Liebling der linksgrünen politisch medialen Blase.
Und was noch?
Das Zweite, das man braucht, ist Geld. Ohne Geld funktioniert es nicht. Sahra Wagenknecht hat einen Spender gehabt. Es soll sich um einen Unternehmer handeln, der der Wagenknecht-Partei einen höheren Millionenbetrag spendete. Ich war erstaunt, dass ein unbekannter Unternehmer einfach so mehrere Millionen einer linken Partei mit Wurzeln in der Kommunistischen Plattform zur Verfügung stellt. Ich bin erstaunt, dass diese Geschichte vom unbekannten Millionär aus Mecklenburg-Vorpommern von der Öffentlichkeit einfach so hingenommen wird. Einen solchen Millionär haben wir bislang leider nicht gefunden, der die Werteunion unterstützen würde. Es gibt zwar viele Unternehmer, die sagen: Großartig, was ihr mit der Werteunion macht. Aber wenn es dann ums Geld geht, dann gibt es nur wenige, die wirklich bereit sind zu spenden, und selbst diese Leute stellen nach einem Blick in das Parteiengesetz fest, dass jede Spende ab 9.999 Euro im Transparenzbericht des Bundestages mit Namen und Adresse des Spenders aufgeführt wird. Und dann sind die zuckend und zögernd und stellen sich die Frage: Hat das negative Folgen für mich, wenn man im Bericht des Bundestages als Spender dieser Partei erwähnt wird? Das ist ein Problem, das wir durchaus haben, das Sahra Wagenknecht nicht hat.
Und zuletzt?
Das Dritte sind Struktur und Personal. Innerhalb eines knappen Jahres derartige Strukturen aufzubauen – ohne Geld und ohne letztendlich politische Unterstützung auch von anderen Parteien – das ist nicht einfach. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist eine Ausgliederung aus der Partei Die Linken, von woher sie Mitarbeiter aus dem Bundestag mitgebracht hatte. Ohne so etwas ist es sehr schwer, Strukturen aufzubauen. Wir sind als Werteunion inzwischen aber schon weit gekommen beim Strukturaufbau. Aber ich bin Realist und ich sehe, dass es als völlig neue Partei nicht möglich ist, innerhalb von einem knappen Jahr bei der Bundestagswahl startfähig zu sein, wenn man nicht Millionen im Hintergrund hat und wirklich richtig gute Leute, die in der ersten Reihe auch von den Medien unterstützt werden.
Wie viel Geld bräuchten Sie denn für den Einzug in den Bundestag im Jahr 2029?
Ich weiß nicht, wie die Inflationsrate in den nächsten Jahren sein wird. Hätte die Bundestagswahl wie geplant im Herbst stattgefunden, wären es mindestens 7 Millionen Euro gewesen. Aber es hängt von der Publicity ab. Wenn man uns aus Funk und Fernsehen, aus Tagesschau und Talkshow kennen würde, dann wäre der finanzielle Werbeaufwand geringer, als wenn man in den Medien totgeschwiegen wird. Wenn man uns verschweigt, wie es seit der Parteigründung der Fall war, muss mehr Geld aufgewendet werden, um in der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden.
Sie haben das Totschweigen erwähnt. Sie werden voraussichtlich im Februar nicht in den Bundestag einziehen. Inwiefern macht es das einfacher? Nämlich denen, die vorhaben, sie totzuschweigen und die das ja aktuell tatsächlich tun.
Wir treten nur mit dem Landesverband Nordrhein-Westfalen zur Bundestagswahl an. Im übrigen Bundesgebiet nehmen wir nicht an der Bundestagswahl teil. Wir starten daher nicht mit der Vorstellung, wir kommen über die Fünf-Prozent-Hürde. Diese Wahl kommt viel zu früh für uns und unsere Wahlkampfpläne sind durch die vorgezogene Neuwahl durchkreuzt worden. In Nordrhein-Westfalen wird gekämpft, es wird aber auch geübt, um die Partei und die Strukturen zu ertüchtigen. Aber ich sehe über den Tag des 23. Februar hinaus.
Was sehen Sie da?
Kanzler wird voraussichtlich Friedrich Merz werden. Mit den Grünen und vielleicht auch mit der SPD oder nur mit der SPD. Unser Ziel ist, dass Friedrich Merz ein Kurzzeitbundeskanzler ist. Friedrich Merz ist eine denkbar ungeeignete Person, um Bundeskanzler zu werden. Wir wollen nicht einen Anwalt von Blackrock am Kabinettstisch sitzen sehen. Wir wollen, dass es eine sehr kurze Legislaturperiode ist. Und da bin ich auch sehr zuversichtlich, dass das passieren wird.
Warum?
Weil die Probleme, die Deutschland hat, nicht mehr Problemchen sind, auch nicht mehr ausgewachsene Probleme, sondern wir stehen mittlerweile vor einer Lawine von Problemen, die dieses Land erreicht. Eine Lawine, die von Grünen, SPD und FDP losgetreten wurde, aber die von Merkel eigentlich vorbereitet wurde und die runtergehen wird. Und ich glaube nicht, dass Friedrich Merz der Mann ist, der diese Lawine stoppen kann. Es ist eine Deindustrialisierungs-Lawine, die Deutschland erfassen wird und die auch durch Donald Trump noch an Geschwindigkeit zunehmen wird.
Also rechnen Sie damit, dass es die übernächsten Wahlen, die erneuten Neuwahlen, deutlich vor 2029 geben wird?
Ich hoffe nicht nur. Ich erwarte es.
Warum?
Ich erwarte es wegen der sich weiter verschärfenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in Deutschland. Friedrich Merz, ist nicht der Mann, der diese ändern kann oder auch nur ändern will. Er und seine CDU werden die Migrationspolitik nicht grundlegend ändern. CDU und CSU stellen sieben der 16 Innenminister der Länder, und in anderen Ländern, in denen die SPD den Innenminister stellt, kommt der Ministerpräsident vielfach von der CDU wie in Thüringen und Berlin. Die Innenminister der Länder sind zuständig für den Vollzug des Ausländerrechts. Und diese CDU/CSU-Minister machen letztendlich nichts anderes als die SPD-Minister in diesem Bereich. Die CDU ist beim Vollzug des Ausländerrechts nicht viel besser als die SPD.
Und in der Wirtschaftspolitik?
Die CDU ist nicht in der Lage, diese wirtschaftspolitische Lawine zu stoppen. Vor allem nicht vor dem Hintergrund, dass Donald Trump jetzt US Präsident ist und ganz klar in Richtung deutsche Unternehmen sagt: Kommt zu uns, verlegt eure Werke in die USA, ihr kriegt Steuerermäßigung, billigen Strom… Das wird die Deindustrialisierung, die von Habeck und Scholz eingeleitet worden ist, noch weiter befördern.
Was wird das zentrale Thema der nächsten Jahre? Einwanderung oder Wirtschaftspolitik?
Beide Themen sind ganz entscheidend, aber beide Themen sind aus meiner persönlichen Sicht noch nicht mal das entscheidende Thema. Das entscheidende Thema ist aus meiner Sicht die Erosion von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Meinungsfreiheit. Denn ohne Meinungsfreiheit kann man dieses Land nicht mehr verändern. Wenn Menschen ausgegrenzt und politisch verfolgt werden, weil sie eine andere Meinung als die Bundesregierung oder Friedrich Merz haben, ist unser Land am Ende. Da wird man auch keine Wahlen mehr durchführen, die zu einem anderen Ergebnis kommen. Und ich nehme in diesem Land wahr, dass die Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt wird, dass Menschen, die eine andere Meinung vertreten als SPD, Grüne und CDU oder die auch nur unliebsame Tatsachen aussprechen, Gefahr laufen, ausgegrenzt zu werden bis hin zur politischen Verfolgung, dass sie damit rechnen müssen, dass das Bankkonto, die Mietverträge oder Kreditverträge einfach gekündigt werden oder dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren und dass sie als Unternehmer keine Aufträge mehr erhalten. Es ist eine Ausgrenzung, die zu einer Vernichtung der Existenzgrundlage führen soll. Bei den Opfern der Correctiv-Kampagne „Wannseekonferenz 2.0“ beispielsweise war dies dramatisch. Wenn sich das hier nicht grundlegend ändert, dann ist unsere Demokratie passé.
Welches Regierungshandeln wäre das Dringlichste, das zu tun wäre, wenn sie in politische Verantwortung kommen?
Das ist ganz einfach: ein Aufhebungsgesetz. Das kann man ganz einfach machen – viele Gesetze einfach aufheben. Alle Gesetze aus der Merkel-Scholz-Zeit auf den Prüfstand stellen und im Zweifel aufheben und den Status von 1999 oder 2000 wiederherstellen. Die Gesetze zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes, des Asylrechts, des Staatsangehörigkeitsrechts … alles von Frau Nancy Faeser einfach aufheben und rückgängig machen. Das gleiche in der Wirtschaftspolitik. Viele Gesetze, die unter Merkel und Rotgrün eingeführt worden sind, strangulieren die deutsche Wirtschaft. Diese Gesetze müssen schlichtweg aufgehoben werden, um die deutsche Wirtschaft zu befreien von diesen Fuß- und Handfesseln.
Wer ist Ihr Verbündeter? Ihre alte Partei, die CDU, aus der die Werteunion ja hervorgegangen ist?
Für mich ist die CDU die gefährlichste Partei in Deutschland. Bei den Grünen, der SPD und den Linken weiß man ziemlich genau, was sie mit uns vorhaben. Teilweise sind sie sogar verblüffend ehrlich, wenn sie die Massenmigration nach Deutschland und die Deindustrialisierung bejubeln. Habeck sagt ziemlich deutlich, was er will. Bei anderen muss man zwischen den Zeilen lesen. Bei der CDU ist es völlig anders. Die CDU sagt zum Beispiel: Wir wollen einen Stopp der Migration und wir wollen eine andere Wirtschaftspolitik. Aber wenn man genau hinschaut, sagt sie es, aber sie macht es nicht. Sie sagt es vor den Wahlen und sie sagt es nach Anschlägen. Die CDU blinkt rechts und biegt links ab. Vor der Wahl spielt sie die konservative Partei und versucht, die klassischen bürgerlichen Wähler damit einzulullen. Aber in Wirklichkeit bekommt man Grün light. Und das macht die CDU so gefährlich, weil immer noch traditionelle CDU-Wähler den CDU-Versprechungen vertrauen und die CDU wählen, aber sie wählen in Wirklichkeit eine Partei, die die Interessen ihrer Wähler verrät.