Tichys Einblick
ÖRR und Polizei als Helfer der Grünen

Sommerinterview voraufgezeichnet: Protest gegen Grüne läuft ins Leere

Atomkraftbefürworter wollen während des Sommerinterviews mit Felix Banaszak friedlich demonstrieren. Aber ihr Protest bleibt unsichtbar: Klammheimlich hatte die ARD das Interview voraufgezeichnet, nicht einmal die dpa wusste Bescheid. Von Sophia Juwien

picture alliance/dpa | Jörg Carstensen

Sonntag, kurz nach 15 Uhr, an der Spreetreppe gegenüber dem Marie-Elisabeth-Lüders-Haus. Der Himmel ist grau, ein leichter Wind zieht durch die Straßen. Ein gelb-blaues Banner mit der Aufschrift „Kernkraft kommt wieder!“ wird links von einem älteren Mann getragen, der eine Cap mit der Aufschrift „Nuklearia“ trägt, und rechts von einem jungen, braunhaarigen Mädchen. Der Mann hält in seiner rechten Hand zusätzlich eine Flagge mit der Aufschrift „Kernkraft? Ja bitte!“. Vor den beiden liegt ein weiteres Plakat auf dem Boden. Darauf steht: „Mit der Lupe ins BASE schauen“. Etwa fünf bis acht Unterstützerinnen und Unterstützer des Vereins Nuklearia e. V. stehen verstreut am Ort des Geschehens – ruhig, freundlich, ohne Trillerpfeifen, ohne Lautsprecher. Einige unterhalten sich mit Passanten oder lächeln ihnen zu.

Eine der auffälligsten Personen: Britta Augustin. Schulterlange blonde Haare, klarer Blick, blaugrüne Augen. Ihre Stimme ist ruhig, aber fest, wenn sie mit Interessierten spricht. Sie wirkt insgesamt ansprechbar, sachlich und klar in ihrer Haltung.

Das Sommerinterview mit dem Grünen-Vorsitzenden Felix Banaszak ist um 15 Uhr schon längst vorbei. Die Bühne, auf der es stattfinden sollte, ist verschwunden. Fast alles ist abgebaut. Nur die Metallkonstruktionen, die die Bühne gebildet haben, stehen noch. Übrig bleiben nur die Demonstranten. Laut Veranstaltern hatten sich bereits gegen 12 Uhr erste Teilnehmer eingefunden – in der Annahme, das Interview beginne wie angekündigt um 16 Uhr. Auch der offizielle ARD-Livestream kündigte den Sendetermin so an. Doch das Gespräch wurde bereits am Vormittag aufgezeichnet – ohne vorherige öffentliche Information. Selbst das anwesende dpa-Team mit Kamera- und Fotoausstattung vor Ort war offenbar nicht informiert.

„Wir haben gedacht, es läuft wie geplant. Dass es längst vorbei war, wusste niemand – nicht einmal die dpa“, sagt Augustin. „Die Bühne war schon leergeräumt. Das ist eigentlich ein Skandal!“

Am Rande des Geschehens steht ein großer Polizeiwagen, die Schiebetüren geöffnet. Zwei Beamte lehnen in die offene Tür und beobachten wachsam die friedliche „Nuklearia“-Demo. Nicht weit entfernt interviewt ein Journalist John Paul Glaubitz, der engagiert die Fragen des Journalisten beantwortet.

Die Demo steht unter dem Motto: „Kernkraft kommt wieder. Für eine sichere und klimafreundliche Energieversorgung“. Veranstalter ist der überparteiliche Verein Nuklearia, der sich für eine faktenbasierte und technologieoffene Energiepolitik einsetzt.

„Wir wollten keinen Krach machen, wir wollten nichts unterbinden“, sagt Augustin. „Wir wollten den Grünen nur mit auf den Weg geben, dass in Finnland und anderen skandinavischen Ländern die Grünen für Kernkraft sind. Wir geben konstruktive Kritik. Wir haben sogar Mitglieder von den Grünen bei uns.“

Der Vergleich mit einem anderen Sommerinterview sorgt für Frust. Zwei Wochen zuvor hatte das Gespräch mit Alice Weidel (AfD) stattgefunden. Dies wurde von lauten Protesten begleitet: Trillerpfeifen, Musik, Plakate, Sprechchöre. Gruppen wie „Omas gegen Rechts“ oder das „Zentrum für Politische Schönheit“ hatten sich vor zwei Wochen dort positioniert, wo jetzt die Nuklearia steht. Trotz massiver Störung wurde das Interview ausgestrahlt – mitsamt Protest in Bild und Ton.

„Beim Weidel-Interview wurde der Protest sichtbar gemacht, bei uns wurde er verhindert“, sagt Augustin. „Kontroverse scheint hier nicht erwünscht zu sein. Das verstehe ich einfach nicht.“

Auch inhaltlich kritisieren die Aktivisten die aktuelle Energiepolitik. Deutschland setze auf Windkraft, Wasserstoff und Batterien. Doch das sei aus ihrer Sicht nicht realistisch. „Wind hat in Deutschland nur 20 bis 30 Prozent Kapazitätsfaktor“, erklärt Augustin. „Batterien sind keine Lösung. Und Wasserstoff ist extrem teuer. Man braucht das Vier- bis Fünffache an Energie zur Herstellung.“

Besonders kritisch sieht sie die Rolle der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BASE). Der gesamte Prozess sei so aufgebaut, dass man nie zu einem Ergebnis komme, weil man nie beweisen könne, welcher Standort der beste sei. Und daran würden viele verdienen.

Manche Leute, die ursprünglich zur ab 16 Uhr angekündigten Antifa-Gegendemonstration wollten, landeten bei der Nuklearia-Kundgebung. Laut Augustin suchten sie allgemein einen politischen Austausch – und fanden ihn. Eine größere Gegendemo blieb bis dahin aus.

„Die dpa hätte unsere Aktion medial verbreitet, selbst wenn wir nur fünf Leute gewesen wären“, so Augustin. „Hätte das Interview wie angekündigt stattgefunden, hätte jeder unsere Botschaften gesehen. Das wäre ein großer Erfolg für uns gewesen.“

Doch stattdessen: leere Bühne, kaum Berichterstattung und viel Enttäuschung.

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