Tichys Einblick
Politischer Prozess?

Polen: Justiz hebt Immunität des ehemaligen Premiers Morawiecki auf

Die Umwälzungen in Polen nach Entmachtung der PiS gehen weiter: Donald Tusks Justizminister will ein Exempel an dem konservativen Mateusz Morawiecki statuieren, der jetzt Vorsitzender der ECR-Fraktion im Europäischen Parlament ist.

picture alliance / PAP | Tytus Ømijewski

Dem ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki wird vorgeworfen, dass er während der Corona-Pandemie 2020 unzulässigerweise eine Fernwahl des Präsidenten organisieren wollte. Staatsanwalt und Justizminister Adam Bodnar fordert die Aufhebung seiner parlamentarischen Immunität, damit er vor Gericht gestellt werden kann. Morawiecki, inzwischen Mitglied des Europäischen Parlaments, sieht darin eine politische Kampagne gegen ihn.

Die Ereignisse gehen auf das Frühjahr 2020 zurück, die erste Phase der Covid-19-Pandemie. Der damalige polnische Ministerpräsident Morawiecki hatte die Idee, eine Fernwahl des Präsidenten zu organisieren – ein Verfahren, das es in Polen normalerweise nicht gibt –, und hatte den Prozess mit Beteiligung der Post und der nationalen Druckerei eingeleitet, um die Wahlzettel vorzubereiten.

Letztendlich erwies sich die Aktion als erfolglos, sodass eine Rechnung in Höhe von 13 Millionen Euro, das heißt etwas mehr als 56 Millionen Złoty in polnischer Währung zu begleichen war. Die Präsidentschaftswahlen fanden schließlich einige Monate später mit den üblichen Modalitäten statt und führten zur Wiederwahl von Andrzej Duda, der wie Morawiecki der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angehört.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hat Morawiecki

zum Nachteil des öffentlichen Interesses in Form der Achtung der Rechtsordnung und der verfassungsmäßigen Rechte der Wähler gehandelt und damit zu einer sinnlosen, unwirksamen und ungerechtfertigten Ausgabe öffentlicher Mittel in einer Gesamthöhe von nicht weniger als 56.450.406,16 Zloty zum Nachteil der Staatskasse geführt.

Im Jahr 2020 wurde Morawiecki von einem Verwaltungsgericht für schuldig befunden. Er legte gegen diese Entscheidung Berufung ein, die jedoch abgelehnt wurde. Es kam zu einem neuen Strafverfahren.

Für Morawiecki sind die Angriffe gegen ihn politischer Natur. Er ist der Ansicht, dass er nichts anderes getan hat, als zu versuchen, die Wahlen unter schwierigen Bedingungen zu organisieren, wobei er den in der Verfassung festgelegten Zeitplan für die Wahlen einhalten und den gesundheitlichen Schutz der Bürger gewährleisten musste. Zu seiner Verteidigung verweist er auf ein weiteres Urteil des Verfassungsgerichts aus dem vergangenen Jahr, in dem festgestellt wurde, dass Morawiecki verfassungskonform gehandelt hat, als er versuchte, die Wahlen 2020 aus der Ferne zu organisieren.

Obwohl er in Polen kein Regierungsamt mehr innehat, ist Morawiecki Zielscheibe der regierenden Linken in Polen, da er nun als Vorsitzender der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) eine Schlüsselrolle auf europäischer Ebene spielt.

Morawieckis Gegner unterstützen die Initiative zur Aufhebung seiner Immunität und wollen seinen Fall nutzen, um die Loyalität polnischer Politiker, die mit der PiS gebrochen haben, gegenüber Brüssel zu demonstrieren. Sie lehnen die Entscheidung des Verfassungsgerichts mit der Begründung ab, es stehe „unter dem Einfluss“ der PiS. „Es gibt keine heiligen Kühe in Polen“, schrieb der Innenminister auf X, um die Aufhebung der Immunität des ehemaligen Premierministers zu forcieren.

In der Überzeugung, dass er sich nichts vorzuwerfen hat, erklärte Morawiecki in einem Interview im polnischen Fernsehen, er sei bereit, seine Immunität aufzuheben. Er sieht in den juristischen Angriffen gegen ihn ein Manöver der Regierung, um ihre Rückschläge und schlechten Ergebnisse, vor allem in der Wirtschaft, zu vertuschen.

Die Regierungspartei verfügt über eine ausreichende Mehrheit, um die Aufhebung der Immunität Morawieckis durchzusetzen. Der Antrag auf Überprüfung wurde bereits an das Parlament weitergeleitet. Sollte das Verfahren erfolgreich sein, könnten Morawiecki bis zu drei Jahre Gefängnis drohen.


Dieser übersetzte und leicht bearbeitete Beitrag von Hélène de Lauzun erschien zuerst beim European Conservative in englischer Sprache.

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