Friedrich Merz hat sich ein Herz gefasst und will nach seiner Überzeugung handeln. Auch die Unionsfraktion soll mitmachen, also ebenfalls nach ihren Überzeugungen handeln. So will es das Grundgesetz, das vom Gewissen spricht, wo Merz von Überzeugung redet. Die öffentlich-rechtlich alimentierten Rundfunk- und Fernsehanstalten wollen das jedoch nicht. Sie halten es für gefährlich, wenn im Bundestag über Anträge beraten wird, die ihnen nicht passen, und warnen die Abgeordneten davor, von ihrer Freiheit Gebrauch zu machen. Statt auf ihr Gewissen sollen sie auf die Medienindustrie hören und ein Bauwerk verteidigen, von dem das Grundgesetz nichts weiß: eine Brandmauer.
Dass sie die AfD damit nicht schwächer, sondern stärker machen, nehmen sie in Kauf. Die Partei muss ja nur Ja sagen, um alle anderen zum Nein zu provozieren. Sie gewinnt dadurch eine Veto-Position, die ihr nicht zusteht, die sie auch gar nicht will, die ihr jedoch von Leuten zugeschoben wird, die vorgeben, die Verfassung zu schützen. Sollten sie Erfolg haben, hätten sie das Gegenteil erreicht und die Verfassung beschädigt. Dann wäre das Mandat nicht mehr frei, die Aussprache nicht mehr offen, die Abstimmung überflüssig. Mehrheiten würden nur dann gelten, wenn die „Richtigen“ dabei wären – und wer die „Richtigen“ sind, darüber würden nicht die Wähler, sondern die Meinungsmacher entscheiden, allen voran die staatlich privilegierten Funk- und Fernsehproduzenten.
Wohin das führt – zumindest führen kann –, hat der ZDF-Korrespondent in Washington verraten. Er berief sich auf die amerikanische Verfassung, zeigte jedoch mit allerlei falschen Zitaten und törichten Zuschreibungen, dass er von ihrem Text keine Ahnung hat (vom Grundgesetz offenbar auch nicht, weil dieses der Pressefreiheit Schranken setzt). Er verwechselte die Unabhängigkeitserklärung mit dem Verfassungstext und wollte uns weismachen, dass das Beharren auf zwei – und nur zwei! – Geschlechtern verfassungswidrig sei.
In diese Richtung wird es weitergehen, wenn jeder Hans Narr die ARD oder das ZDF als Bühne nutzen darf, um seinen Idiosynkrasien freien Lauf zu lassen. Es geht doch längst nicht mehr um Torheiten wie den Bericht über ein Fernsehgerät, das ohne Strom auskommen soll, oder einen durchgeknallten Korrespondenten, der Menschen, die ihm zuwider sind, als Ratten bezeichnet, die er in ihre Löcher zurückprügeln will. Es geht um Wichtigeres: um Glaubwürdigkeit, die durch Dummheiten ruiniert wird, und um Grundregeln des Zusammenlebens, die von wild gewordenen Korrespondenten verhöhnt werden. Es geht um Anstand, Fairness und Moral.
Um dem Druck der Straße zu entkommen, war die Nationalversammlung seinerzeit von Berlin nach Weimar ausgewichen. Aber wie entkommt man den Entstellungen und Unterlassungen, den halben Wahrheiten und den ganzen Lügen der öffentlich-rechtlich privilegierten Medien? Sie sind überall und ständig präsent, aber selten zu packen. Sie greifen nicht direkt an, sie denunzieren und insinuieren, schwärzen ein und schwärzen an. Sie tarnen sich, lauern auf – und wenn sie zuschlagen, dann von hinten. Stefan Gelbhaar und Arne Schönbohm sind ihre Opfer geworden – aber doch nicht nur sie, denn ihre Opfer sind wir alle.
Nach den Erfahrungen des Dritten Reiches hatten die Grundgesetzgeber die Zusage der Wissenschaftsfreiheit aus guten Gründen mit dem Zusatz versehen: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung“ (auf Insistieren von Carlo Schmid übrigens, einem der ehrenhaften Sozialdemokraten, die damals noch in der Partei den Ton angaben). Leider haben sie versäumt, die Garantie der Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit um einen ähnlichen Zusatz zu ergänzen.
Dafür müssen die Bürger nun selbst sorgen. Jede Macht bedarf, um nicht über die Stränge zu schlagen, einer Gegenmacht – jedes Kartell natürlich auch. Solange es diese Gegenmacht nicht gibt, sollten alle, denen es mit der Meinungsfreiheit ernst ist, den Zwangsbeitrag verweigern. Tausende tun das bereits. Die Zahl der Bürger, die, aus welchen Gründen auch immer, mit ihrer Beitragszahlung „in Rückstand sind“, beläuft sich angeblich auf vier Millionen. Diese Zahl muss noch wachsen, denn Geld ist die einzige Sprache, die von einem Kartell verstanden wird.
Dr. Konrad Adam ist Journalist, Publizist und ehemaliger Politiker der AfD. Er war Feuilletonredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und Chefkorrespondent und Kolumnist der Tageszeitung Die Welt in Berlin.