Man kann darüber philosophieren, ob der Wahlkreis 60 mit der Stadt Brandenburg an der Havel und insgesamt drei Landkreisen der Mark Brandenburg repräsentativ für die gesamte Republik ist. Aber an einem Spitznamen kommt man wahrscheinlich auch in Flensburg und München nicht vorbei: BlackRock-Merz! Interessiert höre ich den Bürgern zu, wenn sie wiedergeben, was man aus der Zeitung oder dem Bekanntenkreis alles über den CDU-Vorsitzenden gehört habe. „Der war sogar Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Deutschland“, heißt es, oder „der hat als BlackRock-Lobbyist gearbeitet, dann kann er aber doch nicht Kanzler werden!“ Die Aussprüche ließen sich noch in verschiedensten Ausführungen fortsetzen. Immer verbunden mit einem Wort: BlackRock! Als mir der „BlackRock-Merz“ das gefühlt fünfzigste Mal begegnet war, fragte ich die ältere Dame, die offensichtlich mit ihrer Enkelin an der Hand vor mir stand: „Wissen Sie eigentlich, was BlackRock ist?“
Die Antwort kam wie aus der Pistole: „Das sind die übelsten Heuschrecken und Finanzhaie aus Amerika.“ „Und was machen die so Schlimmes?“ fragte ich zurück. „Die kaufen alles auf und diktieren die Preise in Deutschland. Und Herr Merz will jetzt sogar für alle Kinder staatlich gesponserte Kapitalmarktdepots, diese ETFs von BlackRock und Co. mit Steuergeldern finanzieren. Das stinkt doch bis zum Himmel.“ „Aber was ist die Konsequenz?“ fragte ich die sichtlich erzürnte Rentnerin. „Schauen sie sich die Adidas-Sneaker Ihrer Enkeltochter an. Ihrer Logik folgend dürfte sie nicht nur die drei Streifen von Adidas aus ihrem Kleiderschrank entfernen, ab sofort kein Germany’s Next Topmodel auf ProSieben mehr schauen und auch Kellogg’s Cornflakes wäre ebenfalls Geschichte.“ Zwei entgeisterte Gesichter schauten mich an. „Ich kann die Liste gerne fortsetzen mit Firmen, an denen BlackRock im Hintergrund beteiligt ist bzw. war.“ Und da ich offensichtlich zwei interessierte Zuhörer gewonnen hatte konnte ich etwas breiter ausholen:
„Was macht denn Blackrock? Larry Fink und seine ‚BlackRock-Haie‘, wie Sie sagen, bekommen von Menschen wie Ihnen ihr Erspartes gegen das Versprechen von Rendite und Sicherheit. Meistens ohne wirklich nachzufragen, was mit dem eigenen Geld später passiert. Manch einer mag zu recht abgeschreckt von einem Finanzsystem sein, das vielleicht zu kompliziert oder auch einfach zu langweilig erscheint. Und dann heißt es bei einer großen deutschen Boulevardzeitung: ‚ETFs kaufen ist so einfach wie Pizza zu bestellen‘. Wem genau machen Sie jetzt den Vorwurf, dem Pizzabäcker BlackRock oder Jenem, der die Pizza online bestellt hat?“
Mit so einer Antwort hatte die Dame offensichtlich nicht gerechnet. Sie drehte sich auf der Stelle um und ging mit ihrer Enkelin an der Hand wortlos in den hinter uns befindlichen Rewe-Supermarkt. Den finalen Satz, dass „Friedrich Merz als Aufsichtsratsvorsitzender von BlackRock Asset Management Deutschland als einem unbedeutenden Ableger des US-Vermögensverwalters maximal der Pizzalieferant war“, hatte sie sicher nicht mehr gehört.
Diskussionen wie diese gehören im Bundestagswahlkampf 2025 zum Tagesgeschäft. Das Grundproblem bei dieser Diskussion ist aber nicht die rund vierjährige Tätigkeit von Friedrich Merz bei BlackRock, sondern das latente Gefühl der Bürger, dass die Politik „sowieso“ nicht mehr Herr der Lage – insbesondere des Finanzgeschehens – in Deutschland sei. Sollten deshalb in den nächsten Tagen und Wochen aus dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin Forderungen nach einer Stärkung der Kartellwächter oder der Finanzaufsicht insgesamt kommen, wäre dies sicher Balsam für die Wahlkämpfer vor Ort. Den Namen des einflussreichsten globalen Finanzkoloss BlackRock kennen mittlerweile gefühlt 90 Prozent der Wähler. Vielleicht sollte man an dieser Stelle wieder Ludwig Erhard in Erinnerung rufen, der ein Gegner jeglicher Monopole war. Und an globale Monopoltendenzen, wie sie BlackRock forciert, war zu seiner Zeit sicher noch nicht im Ansatz zu denken. Mit einer Grundüberzeugung, dass die freie Marktwirtschaft der Schlüssel zu Wohlstand in einer kleinen Stadt wie Brandenburg an der Havel, aber auch ganz Deutschland ist, lassen sich alle linken Schmutzkampagnen ganz entspannt entzaubern:
Wir schreiben den Monat November des Jahres 2018, als die Geschäftsräume von BlackRock in München von der Polizei durchsucht worden sind. Also genau zu jener Zeit, als auch Friedrich Merz seine Brötchen bei Larry Fink verdient hat. Diesen Umstand haben die Jusos sauber recherchiert. Anlass für die damalige Durchsuchung war aber der Cum-Ex-Skandal. Jener Begriff Cum-Ex, der bis heute mit dem Traditionshaus Warburg in Hamburg und Bundeskanzler Olaf Scholz höchstpersönlich eng verbunden ist. Aber das scheint den Sozi-Nachwuchs nicht sonderlich zu interessieren. Hauptsache, sie haben ihren Lieblingskampfbegriff „BlackRock“ wieder vom Stapel gelassen. Warum Friedrich Merz und Olaf Scholz überhaupt mit dem „lukrativsten Bankraub aller Zeiten“ in einem Atemzug genannt werden, kann bis heute nur vermutet werden.
Im Jahr 2021 hatte der Bundesgerichtshof hierzu geurteilt, dass Cum-Ex-Geschäfte rechtlich als Steuerhinterziehung zu werten sind. Eine Schlüsselrolle bei diesem „Bankraub“ spielt dabei die Aktienanleihe, denn nur so lässt sich mit Cum-Ex überhaupt erst richtig Geld verdienen. Die Aktien, für deren Dividendenausschüttung die Cum-Ex-Abzocker die Steuererstattung forderten, waren aber in der Regel nur geliehen. Und um Cum-Ex lukrativ zu machen, braucht man sehr viele Aktien. Die sogenannte „Aktienanleihe“ ist in einem Schattenreich der Wall Street angesiedelt. BlackRock mit seinen Indexfonds wäre ein potentieller Geschäftspartner. Und nun stellt sich die alles entscheidende Frage, ob BlackRock den Cum-Ex-Zockern die notwendigen Aktien geliehen haben? Auf diese und auch noch viele andere Fragen gibt es bisher keine Antworten.
Deshalb wäre es nicht nur für die engagierten Wahlkämpfer im Januar und Februar 2025 ein Segen, wenn weiterhin nicht nur Banken genau unter die Lupe genommen werden, sondern auch die vermeintlich so harmlosen Vermögensverwalter (die Pizzabäcker der ETFs). Es ist unbestritten, dass BlackRock in puncto Größe, Einfluss und Reichweite mittlerweile sein eigenes Finanzsystem geschaffen hat. Deshalb wäre es das Mindeste, als normaler Bürger zu erfahren, welche Folgen ein solches Finanzsystem im Finanzsystem für uns alle hat? Denn viele von uns erinnern sich noch gut an die Weltfinanzkrise 2007/2008. Damals wie heute eng mit einem Namen verbunden: Larry Fink.
Der Herr aus New York steht am 23. Februar 2025 aber nicht zur Wahl, Friedrich Merz und Olaf Scholz hingegen schon. Von Letzterem erwartet man eigentlich nichts mehr, denn der Satz „Ich kann mich daran nicht erinnern“ ist jetzt schon in den Geschichtsbüchern für alle Zeit verewigt. Bei Friedrich Merz hingegen gibt es die große Hoffnung, dass er sich als Bundeskanzler freischwimmt von seinem Job als „BlackRock-Pizzabote“ hin zu einem Mann, der im Sinne Ludwig Erhards als Bundeskanzler wieder Herr der Finanzen in Deutschland wird.
Saskia Ludwig ist Abgeordnete der CDU im Landtag Brandenburg und Unternehmerin.
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