Tichys Einblick
Reaktionen auf das Kanzler-Duell

Söder bei Miosga: Giftpfeile aus Bayern

Selbst SPD-Chef Klingbeil hat Mühe, die Performance seines Kanzlerkandidaten Olaf Scholz irgendwie schönzureden. Markus Söder findet deutliche Worte: Der Kanzler lebe in seiner eigenen Welt. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

„Oh… Uff…“ Mit dieser Antwort ist eigentlich alles gesagt. Es ist die Antwort von CSU-Chef Markus Söder, der sich irgendwie positiv über den Noch-Kanzler Olaf Scholz und seinen Auftritt wenige Minuten zuvor äußern soll. Eine Herkulesaufgabe, ganz klar, nicht nur für einen Mann der Opposition. Söder löst die Aufgabe halbherzig und scheindiplomatisch: „Ich fand’s positiv, dass er versucht, eine Art Gefühlsregung zu zeigen.“ Doch dabei agiere Scholz „überschießend“. Söder: „Es wirkte so wie im Film ‚Ich, einfach unverbesserlich‘. Ich, ich, ich. Aber er hat sich immerhin bemüht.“

Klingbeil, nach einem Lob zu Friedrich Merz gefragt, ist mit ganz wenig zufrieden, so wie es einer Partei zusteht, die aktuell bei etwa 15 Prozent herumdümpelt. Merz habe gesagt, während der Ampelregierung sei „nicht nichts“ passiert. „Das ist ja schon fast ein Kompliment.“

Schnell ist klar: Dieser Sendeabend geht exakt so weiter, wie er um 20.15 Uhr begonnen hat. In Zeiten einer drohenden Einheitspartei, die „alle demokratischen Kräfte der Mitte“ vereint, was auch immer das sein soll, in diesen Zeiten sind sich alle wahnsinnig grün (und das im besten bzw. schlimmsten Sinne des Wortes). Will heißen: Markus Söder und Lars Klingbeil verstehen sich mindestens so gut wie Olaf Scholz und Friedrich Merz. Keiner will dem anderen wirklich weh tun.

Und auch das ist klar: In der offiziellen ARD-Nachklapp-Sendung zum Kanzler-Duell wird zunächst einmal der Endgegner klar benannt: die AfD.

Das Duell, das seltsamerweise parallel auf beiden ÖRR-Hauptkanälen und zu allem Überfluss auch noch auf Phoenix live ausgestrahlt wurde, so als gäbe es keine Miss Marple oder irgendeinen alten Bond-Schinken, dieses Duell wird bei Miosga nur scheinkritisch zerpflückt. Söder und Klingbeil zelebrieren eine Art Mäkel-Mimikry. Alles nur scheinbar kämpferisch, alles nur zum Schein aggressiv. Denn am Ende geht es ja darum, dass niemand sein Gesicht verliert. Hier bei Miosga, wie dort beim Duell, müssen alle Beteiligten und ihre Parteien am Ende möglichst unbeschadet aus dem Ring steigen – um in der Lage zu sein, nach dem 23. Februar noch miteinander zu koalieren. Einen Gesichtsverlust gilt es unter allen Umständen zu verhindern.

Das fällt dem einen leichter und dem anderen … naja. Markus Söder zum Beispiel kann nicht anders und muss austeilen. Was Scholz den Abend über erzählt habe, sei „eine völlig andere Welt, als es die Bevölkerung wahrnimmt. Ich bin der Größte, ich bin der Beste.“ Merz habe darauf „extrem souverän reagiert“. Klingbeil lobt seinen Kanzlerkandidaten derweil als jemanden, „der sich auf internationalem Parkett bewegen kann“. Außer auf roten Teppichen, möchte man da kurz einwerfen.

Melanie – „Davon höre ich zum ersten Mal“ – Amann vom Bill Gates-finanzierten Magazin „Der Spiegel“ ist aufgefallen, dass Merz es „nicht ertragen“ konnte, den Kanzler überhaupt anzuschauen. Söder blockt das billig ab („Ja, aber die Fragen kommen von den beiden Moderatorinnen“) und kritisiert sofort, dass Klingbeil ihn, Söder, ja im Moment ebenfalls nicht anschaue. „Ich guck’ Sie an“, sagt Klingbeil. „Ich schaue Sie auch gern an“, erwidert Söder. Klingbeil: „Dass ich Sie gern anschaue, habe ich nicht gesagt.“

Ansonsten gibt sich Klingbeil betont demütig. Er habe „Respekt vor dem Souverän“, also dem Wähler. Warum, verrät er auch gleich. 40 Prozent seien noch unentschlossen, wen sie am 23. Februar wählen sollen, und genau auf diese Wankelmütigen hofft er. Aber „wo ist denn die Scholz-Story? Sie brauchen doch einen Pull-Faktor“, fragt Amann. „Ich kämpfe dafür, dass wir den Kanzler stellen“, sagt Klingbeil. Söder stellt fest, dass Olaf Scholz im Duell „wirkte, als hätte er fünf Red Bull getrunken“. Er sei ja „fast durch die Decke gegangen“. Söder freut sich: „Das Ding ist auserzählt, die Geschichte mit Olaf Scholz. Das war die letzte große Veranstaltung, und dann ist irgendwann mal gut.“

Für Klingbeil ist „klar geworden, dass Friedrich Merz einen Zickzackkurs fährt. Bei Taurus gab es fünfmal den Strategiewechsel. Da fragen sich die Leute: Wie verlässlich wäre Friedrich Merz als Bundeskanzler?“ Jedenfalls verlässlicher als ein Scholz, findet Söder. „Ich hatte das Gefühl, er lebt in einer anderen Welt.“ Deutschland sei „wirtschaftlich auf Talfahrt“. Trotz identischer Rahmenbedingungen gehe es Deutschland schlechter als allen anderen Ländern.

Klingbeil drückt auf die Tränendrüse: „Das war für mich einer der schlimmsten Momente, wenn nicht der schlimmste Moment, in meiner Zeit im Parlament, als die johlenden Typen von der AfD da gesessen haben und das erste Mal gezeigt haben: Wir übernehmen jetzt hier ein stückweit wieder Macht.“ Söder kontert: „Das ist nicht fair. Ihr habt bewusst euch für einen anderen Weg entschieden. Ihr seid im Würgegriff der Grünen seit langer, langer Zeit. Wenn sich eine große Volkspartei verweigert, spielt ihr damit der AfD erst recht in die Hand.“ Klingbeil erinnert an „die Absprache der demokratischen Parteien“. Die habe Merz gebrochen. Da ist er wieder, dieser süßliche Verwesungsgeruch nach Einheitspartei.

„Im Endspiel um die Glaubwürdigkeit steht es unentschieden“ konstatiert Amann. Zuvor hat sie sich geradezu in Rage geredet. Die CDU habe, indem sie die Stimmen der AfD billigend in Kauf nahm, „die Büchse der Pandora geöffnet“. Ihr Verhalten sei „ein Schritt in Richtung Weimar“. Unter 30er-Jahre-Vergleichen macht man es beim Spiegel einfach nicht mehr.

Söder, olympischer Meister im Zeitgeistslalom, hat etwas herausgefunden: „Dass die Menschen nicht möchten, dass man ihnen sagt, wie man zu denken hat.“ Damit beschreibt er ungewollt das Problem auch dieser Talkrunde: Dass mit unantastbarer Selbstverständlichkeit stets und immer und sowieso davon ausgegangen wird, dass die AfD rechtsextrem sei. Nur diese äußerst dünn belegte These ist es, die den Abend rettet. Auch diesen Abend. Oder, wie Klingbeil es formuliert: „Wir müssen immer kompromissbereit sein. Aber wir können keine Kompromisse da machen, wenn wir gegen Rechte vorgehen.“

Denn das wäre schließlich das Ende der linken, angeblichen „Mitte“.


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