Tichys Einblick
Talkshow-Irrsinn 2025

Obacht bei Maischberger: Habeck kneift

Wenn Vizekanzler Robert Habeck klug wirken will, kneift er die Augen zusammen. Bei Maischberger kneift er besonders viel. Leider nicht nur die Augen, sondern auch, wenn klare Antworten gefragt sind. Ergebnis: Die Sendung hätten wir uns verkneifen können. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / maischberger

Robert Habeck am Start – da geht es immer um Zahlen. Man zählt die Minuten bis zum Ende einer Talkshow herunter oder die Tage bis zum Ende seiner Ministerzeit. Zahlen über Zahlen. Wenn es aber darum geht, wer für Habecks skurrile Ideen eigentlich zahlen soll, wird es schnell sehr unkonkret. Dann lösen sich alle Zahlen urplötzlich in Luft auf. So auch heute. Viele quälende Sendeminuten lang versucht Maischberger, Habeck zu entlocken, wen es denn nun eigentlich betreffen würde, wenn auf Kapitalerträge plötzlich zusätzlich auch noch Sozialversicherungsabgaben entrichtet werden sollen. An der Antwort hat sich in den vergangenen Tagen bereits der gesamte Grünen-Vorstand vergeblich versucht. Auch Habeck bringt kein Licht ins Dunkel. Er versteigt sich in einen elenden Sermon über „die anderen“, die Fehler der SPD und vor allem die Defizite der Union. Dass er offenbar seine eigene Klatschbrigade mitgebracht und im Publikum platziert hat, hilft ihm nur wenige Minuten lang.

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Es geht ihm um Friedrich Merz und das Wahlprogramm der Union. Der Mann sei „einfach nicht ehrlich“, und die Partei gebe keine Antworten. Habeck lamentiert und lamentiert – offenbar hat der Mann ein Lamentiergerät, und das Ding läuft auf Hochtouren. Maischberger kann ihn kaum stoppen. „So weit, so gut, aber die Frage ist eben gerade die: Wer. soll. denn. was. genau. wann. wie. draufzahlen?“ Sie betont jedes Wort einzeln, so sehr stinkt es ihr. „Und da sind Sie die Antwort schuldig geblieben.“ Sie haut ihm einen passenden Einspieler vor den Bug, ein Zitat aus Zeiten des Heizungsgesetzes. Da sagt er: „Wie wir es dann im Detail machen, das können wir uns dann später überlegen.“

Doch statt sich zu erklären, will Habeck lieber weiter die CDU kritisieren. „Aber wir reden ja jetzt gerade über Sie“, mahnt Maischberger. Doch „die Union bleibt jede Problembeschreibung schuldig“, mault Habeck. Maischberger: „Das frage ich Herrn Merz, wenn er da ist. Jetzt frage ich Sie!“ Vergebliche Mühe, denn handfeste Informationen sind aus dem Mann einfach nicht rauszukriegen. Er kneift die Augen zusammen, spricht von „Superreichen“ und „Sagen tue ich, da ist ein massives Problem. Ich habe mir das Unionsprogramm angeguckt …“ Maischberger: „Moment, Moment, nein, nicht das Unionsprogramm. Mit Verlaub. Ich möchte gern wissen, ob Sie es einfach mal durchgedacht haben.“

So geht es die ganze Zeit, bis Maischberger irgendwann aufgibt: Es laufe also mal wieder auf ein „Und die Details klären wir später“ hinaus? „So isses“, antwortet Habeck.

Stille.

Habeck: „Frau Maischberger, Sie gucken mich so erstaunt an.“

Intrigen statt Integrität
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Der Talkshow-Wahnsinn nimmt seinen Lauf. Als es um den aktuellen Skandal rund um den geschassten Stefan Gelbhaar geht, wirkt Maischberger mittlerweile blutleer. Gelbhaar musste wegen offenbar frei erfundener Sex-Vorwürfe seinen Listenplatz an den Habeck-Wahlkampfmanager Andreas Audretsch abgeben. Doch der Möchtegern-Bündniskanzlerkandidat muss sich keineswegs erklären. Maischberger lässt ihn mit einer harmlosen Beobachter-Rolle vom Hof kommen. Er darf kommentieren, als sei er ein Außenstehender: „Das ist ein skandalöser Vorgang. Da war kriminelle Energie am Werk.“ Und die „Person, die das gemacht hat, hat auch anderen Frauen schweren Schaden zugefügt“.

Wenn es einen Himmel für Talkshow-Moderatoren gibt, dann blicken wir in diesem Moment in die Hölle.

Dabei wäre Maischberger perfekt aufmunitioniert. Zuvor haben bereits zwei Journalisten die Causa Gelbhaar eingeordnet. „Das zielt in das Herz der Kampagne der Grünen. Wenn ich draußen draufschreibe ‚Ein Mensch ein Wort’, und da lässt man jemanden total über die Klinge springen!“, empört sich Jan Fleischhauer („Focus“) und ergänzt: Nach nur zwei Tagen, also ohne jede Prüfung, habe der Parteivorstand den Mann unter Druck gesetzt, seinen Platz zu räumen. Damit hätten sich die Grünen „vom Unschuldsprinzip verabschiedet“. Auch Cherno Jobatey ist entsetzt: Die Grünen „saßen immer hoch auf dem moralischen Ross. Eine Intrige dieser Art erlebt man selten in der Öffentlichkeit.“ Die Ehefrau eines grünen Vorständlers sei beim RBB beschäftigt, der den vermeintlichen Skandal veröffentlichte und wieder zurückziehen musste. Und Habeck-Buddy Audretsch sei sogar selbst beim RBB freier Mitarbeiter gewesen. Jobatey: „Alles so wild, dass man sich sagt, das ist ja fast wie House of Cards.“

An diesem Abend aber spielt Maischberger nur Mau-Mau.

Habeck darf noch ein bisschen Trump beleidigen („Das war schon ’ne rüpelhafte Rede.“) und ganz Europa kluge Ratschläge geben („Wenn Europa geschlossen steht, hat Amerika viel zu verlieren“). Immerhin hat er erkannt, dass Deutschland bei Trump momentan schlechte Karten hat. „Die nächste Regierung muss jetzt versuchen, den Konflikt zu deeskalieren. Meiner Ansicht nach, meiner Analyse nach: Deeskalation, indem man klar auftritt und Stärke zeigt.“

Änderung im Ton
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Als er sich so scheinbar beiläufig korrigiert, aus „Ansicht“ nochmal extra „Analyse“ macht und die Augen dabei noch etwas mehr zusammenkneift, da fühlen wir uns bei dem Gedanken ertappt: Wie schön wäre es, wenn Robert Habeck niemals mehr irgendetwas analysieren würde. Das ging ja bereits beim Stopp der Atomkraftwerke schief, bei der Energiebeschaffung, bei Rezession, Insolvenzen und, und, und … Noch ein Beispiel gefällig? Die neueste Habeck-Marktanalyse in der gestrigen Sendung lautet: „Das nächste X, das nächste Google muss aus Deutschland kommen.“ Ja, viel Erfolg dann an dieser Stelle.

Letzter Gast des Abends ist Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemaliger Verteidigungsminister und ehemaliger „Dr. zu Guttenberg“. Ein Mann, der aus der Zeit gefallen ist und plötzlich in Turnschuhen wieder reinschaut. Er gehört zu den letzten Politikern, die wegen einer Plagiats-Affäre von ihren Ämtern zurücktreten und ihren Doktortitel zurückgeben mussten. Also aus jener fernen Zeit vor dem großen Egal, das uns nun regelmäßig Abschreiber beschert wie Franziska Giffey, Mario Voigt oder Annalena Baerbock, die alle trotz erwiesener Mauscheleien unbehelligt weiterwursteln dürfen.

Guttenberg mahnt zur Gelassenheit im Umgang mit Trump: „Was nützt es uns, vor lauter Schnappatmung alle im Sauerstoffzelt zu versammeln?“ Den neuen US-Präsidenten hat er durchschaut. Der wolle eigentlich nur den Friedensnobelpreis.

Guttenberg gibt sich witzig: „Die Außenministerin hat ja tatsächlich was Kluges heute mal gesagt. Das war jetzt despektierlich. Es komme nicht darauf an, was er [Trump] sagt, sondern warum er es sagt. Und da hat sie recht.“

Puh, CSU-Mann lobt Grüne. Da hört der Spaß aber auf. Wir brauchen frische Luft.


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