Tichys Einblick
Drei gegen eine – Verhör statt Talkshow

Bei Miosga: Alice Weidel zerstört das Tribunal

Das Rezept ist das alte, doch mit jeder Wiederholung wird die Propagandasuppe dünner. Alice Weidel bei Carmen Miosga, das bedeutet: drei gegen eine. Die Argumente lassen nach, die ARD macht sich zum AfD-Wahlkampfhelfer. Doch sie bemerkt es nicht. Von Michael Plog

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Wie sehr kann eine Moderatorin scheitern? Caren Miosga: Ja, hier! An diesem Abend wird deutlich: Miosga kann nur Schlagzeilen. Und Spickzettel. Doch obwohl ihre Redaktion sie mit einer ganzen Batterie an Zitaten und Einspielern versorgt hat, scheitert die Moderatorin grandios. Denn die AfD-Co-Chefin hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist vorbereitet. Ganz ohne Spickzettel. Weidel lässt Miosga auflaufen.

Miosgas Hauptargument ist immer noch, dass niemand mit der AfD zusammenarbeiten will. Eigentlich ein bisschen dünn nach den Ereignissen der vergangenen Woche, als die Brandmauer erstmals einstürzte und dann rasch wieder aus Trümmern aufgebaut wurde. Dennoch sagt Miosga: „Sie stehen ohne Machtoption da.“ Weidel beurteilt die Lage anders: „Naja, das weiß man ja noch gar nicht.“ Dass die AfD sogar dem Antrag zugestimmt hat, in dem sie von der CDU ostentativ verunglimpft wurde, erklärt sie trocken: Das sei „ein komplettes Kasperltheater“. Die CDU habe Forderungen der AfD übernommen, die sie sieben Jahre lang abgelehnt habe. Deshalb stimme die AfD selbstverständlich trotzdem zu, denn „uns geht es um dieses Land“. Miosga versucht vergeblich, der AfD daraus einen Strick zu drehen. Weidel: „Das ist natürlich eine Parteitaktiererei gewesen, um die AfD dazu zu bewegen, nicht zuzustimmen. Das ist totaler Quark. Wir machen so einen Quatsch nicht mit.“

Die Forderungen, die Friedrich Merz nicht einmal in der eigenen Union durchsetzen konnte, fasst Weidel zusammen: „Wir wollen einen Richtungswechsel in der Migrationspolitik. Wir wollen gesicherte Grenzen haben, und wir wollen, dass Illegale zurückgewiesen werden. Wir wollen, dass dieser Kontrollverlust endlich aufhört, und die Menschen in diesem Land wollen das auch.“ Sie spricht ruhig und gefasst. Das macht Miosga erkennbar fertig.

Weidel erwähnt eine Party bei Armin Laschet, wo unter anderem sogar Annalena Baerbock und Friedrich Merz zu Gast gewesen sein sollen. Hier wurde offenbar – parallel zum offiziell-medialen Gezänk im Bundestag – hinter den Kulissen in ausgelassener Stimmung eine schwarz-rot-grüne Koalition geschmiedet. Doch Weidel sieht der anstehenden Bundestagswahl am 23. Februar gelassen entgegen: CDU und AfD würden vermutlich „so um die 60 Prozent erreichen, und damit kann man sehr viel machen“.

Miosga zieht den nächsten Spickzettel heraus. Ein Zitat, das angeblich „jüngst in einem Interview“ am 12. Januar 2025 fiel. Doch wie sich herausstellt, war es gar kein Interview, sondern ein Porträt, das eine Aussage aus dem Jahr 2013 (!) zitiert. Es geht um das Wort „Schuldkult“ im Zusammenhang mit dem Holocaust, und dafür soll sich Weidel nun, zwölf Jahre später, rechtfertigen. Die AfD-Co-Chefin setzt an. Sie erzählt von der Unterorganisation „Juden in der AfD“ und betont: „Für uns steht die Existenz Israels an erster Stelle.“ Weidel weiter: „Ich finde es verstörend, wenn der Holocaust für eine politische Instrumentalisierung genutzt wird. Ich denke, dass die deutsche Politik nicht aus einer Schuld heraus getrieben sein sollte.“ Sie bemängelt den allgemeinen „Geschichtsrevisionismus“ und schlägt den Bogen zur aktuellen Situation, da der Wirtschaftsminister Habeck einfache deutsche Bürger mit Anzeigen überzieht: „Man darf Schwachkopf nicht mehr sagen zu einem total unfähigen Energie- und Wirtschaftsminister.“ Miosga unterbricht hastig: „Das ist was Anderes!“

Die gelernte Nachrichtensprecherin beißt sich die Zähne aus. Sie will Weidel mit Elon Musk-Zitaten stellen (Antwort: „Er hat doch völlig recht. Was soll daran falsch sein, dass man stolz auf sein Land ist?“) und mit weiteren Holocaust-Parallelen. Miosga: „Zwei Beispiele …“ Weidel, sichtlich genervt: „Ach, Sie wollen jetzt … Na, machen Sie nur. Das interessiert die Leute aber nicht. Die Leute wollen wissen, wie man die Probleme dieses Landes löst, was komplett gegen die Wand gefahren wurde.“ Treffer.

Miosga holt ein uraltes Zitat heraus, in dem eine AfD-Vertreterin den Angriff auf ihr Büro mit der Reichskristallnacht verglich. „Das ist ’ne Verharmlosung!“, bemerkt Miosga. Muss wohl so auf ihrem Kärtchen stehen. Weidel reagiert gelassen. Sie erinnert an Vorfälle, die seit Jahren von den Mainstrem-Medien totgeschwiegen werden: „Hier geht man doch auf Andersdenkende los. Auf AfD-Funktionäre werden permanent physisch Angriffe verübt. Wir haben eine hohe Gefährdungslage, uns werden die Häuser beschmiert.“

Richtig absurd wird es, als Hildegard Müller, Chefin des Verbands der Automobilindustrie, zu Wort kommt. Die Frau, die das Verbrennerverbot der EU bisher mal gut fand und dann wieder nicht, spult ein paar Parolen herunter: „Wir brauchen mehr Europa und nicht weniger Europa. Deutschland allein wäre viel zu schwach. Deshalb müssen wir Europa stärken.“ Weidel kontert: „Die Marktwirtschaft ist im Automobilbereich ausgeschaltet.“ Die EU sei zu „übergriffig. Wir sind für einen Kompetenz-Rückbau.“

Robin Alexander, Vize-Chef der darbenden Tageszeitung „Welt“, versucht sich zunächst als Schlichter, indem er das Publikum zur Mäßigung ruft. Allzu oft wurden bis hierhin bereits lautstark Beleidigungen, Buh-Rufe, Gejohle und Gelächter in Richtung Alice Weidel abgegeben. Caren Miosga beteuert: „Unser Publikum kennen wir nicht.“

Alexander warnt: „Wenn wir Europa kaputt machen, wäre ja nicht die Regulierung weg, sondern wir hätten 27 Regulierungen, eine spanische, eine italienische, eine deutsche …“ Weidel hingegen plädiert „für einen europäischen Binnenmarkt“ und „dafür, dass der europäische Arm innerhalb der Nato gestärkt wird“. Dass der Euro scheitern werde und es leider bereits zu spät sei, auszutreten, würde leider nicht jeder verstehen. Das wiederum nimmt Müller aus unerfindlichen Gründen sofort persönlich. „Wollen Sie sagen, dass ich das jetzt nicht verstanden habe?“ Wie auf Kommando wieder Buh-Rufe aus dem Publikum … Weidel: „Der Euro wird keinen Bestand haben.“ Er sei eine „hochinflatorische Währung“, und es werde irgendwann „zu einer unkontrollierten Abwicklung kommen“.

Miosga versucht es nochmal. Dass Weidel die „Windmühlen der Schande“ abreißen wolle, sei ja wohl ungeheuerlich, eine Enteignung gar. Dass Weidel damit nicht alle deutschen sondern explizit die Windräder im Märchenwald der Gebrüder Grimm meinte, wird im weiteren Verlauf der Diskussion zumindest richtig gestellt. „Diese Windräder werden nur gebaut aufgrund der exzessiven Subventionspolitik des EEGs“, sagt Weidel. „Wir streichen das EEG, diese gesamte Subventionspolitik. Wir wollen die Erneuerbaren dem echten Wettbewerb aussetzen. Dann werden Sie sehen, dass sich der größte Teil der Windkraftwerke nicht mehr rechnen wird.“

Miosga gehen die Zettel aus: „Die Windräder stehen überhaupt noch nicht in dem Wald, das wissen Sie, oder?“ Weidel: „Ja, aber da wird fleißig abgeholzt.“ Miosga: „Aber sie stehen eben noch nicht. Weil Sie das gesagt haben.“ Hat sie nicht, aber egal.

Bei Nord Stream wird es nochmal heiß. Alexander argumentiert dünn: „Es bringt doch nichts, wenn wir billiges, russisches Gas kriegen, und dafür Russland in Europa alles durcheinander bringt.“ Ob Weidel für eine Reaktivierung der Erdgasleitung sei? „Definitiv!“, sagt sie, „dafür war ja auch Angela Merkel.“ Oha, Giftalarm in der Runde! Und Weidel setzt nach: „Das günstige russische Erdgas hat das Scheitern der Energiewende kaschiert.“

Auch beim Thema Taurus schenkt Weidel der Runde ein: „Wenn Deutschland gar keinen Hebel hat, sollte ein Friedrich Merz nicht mit Raketensystemen rumfuchteln. Sie müssen meine Sachen auch lesen und vernünftig einordnen. Ich will für dieses Land keinen Krieg. Ich möchte Frieden schaffen. Und ich vermisse die deutsche Regierung, die in den Dialog mit Russland tritt und für Friedensverhandlungen sorgt.“

Miosga hat keinen Zettel mehr.

Anzeige
Die mobile Version verlassen