Tichys Einblick
Trüber Talk mit wenig Substanz

Lamentieren bei Lanz: Habeck darf durchstarten

Selten war Markus Lanz so blutleer. Er erlaubt seinem Gast minutenlange Monologe. Robert Habeck darf labern, bis der Letzte schlummert. Mehr noch: Gegen Ende wird Lanz sogar zum Wahlkampfhelfer, spricht von der „Erfolgsgeschichte“ Energiewende. Unfassbar. Von Michael Plog

Screenprint: ZDF / Markus Lanz

Die große Frage des Abends: Ist Lanz überhaupt noch im Raum? Manchmal ist er zumindest zu sehen, aber viel zu sagen hat er nicht. Geschlagene elf Minuten lang darf sich Robert Habeck in der ihm eigenen langatmigen Gefühlsstotterigkeit über seine Empfindungen auslassen, über all das, was ihn so hin und her und hin und her bewegte, als es CDU-Chef Friedrich Merz in der vergangenen Woche gewagt hatte, zusammen mit der bösen AfD abzustimmen.

Was Habeck dazu sagt, wird seit Tagen überall breitgetreten. Wir verkürzen daher an dieser Stelle, auch weil uns unterwegs die Schreibhand eingeschlafen ist. Nur so viel: „Fehler kann man heilen“, sagt Habeck. Dass „die Union am Ende davon aufgefressen werden“ könnte, macht ihm nur scheinbar (also vorgespielte) Sorgen. Die Augen kneift er dabei – den Denker gebend – gern zusammen. Innerlich schmunzelt er, das kann er sich nicht verkneifen.

Mit harmlosen Fragen wie „Was ist da eigentlich passiert im Parlament?“ oder „Was könnte da auf uns zukommen?“ ebnet Lanz den Weg zu endlosen Vorträgen. Trauriger Höhepunkt: „Welchen Satz wünschen Sie sich?“ Habeck: „Mit dem Wissen von heute werde ich das nicht wieder tun.“ Immerhin: Gnädig ist er, der Herr Habeck: „Ne Entschuldigung will ich nicht haben. Da muss sich niemand für mich unterwerfen.“ Puh, Glück gehabt, Friedrich Merz.

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Lanz hat Mühe, „The Unstoppable Talking Machine from the Norddeutsche Tiefebene“ irgendwie zu bändigen und die beiden anderen Gäste mit in den Abend zu holen. Julia Löhr von der darbenden „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) bringt etwas Pfeffer ins Spiel. Oder sagen wir „Paprika edelsüß“, denn richtig feurig wird’s auch jetzt noch nicht. Sie wirft ein, dass auch Grüne und die SPD an den besagten Parlamentstagen ziemlich muffig aus der Wäsche geschaut hätten: „Weil sie immer nur sagen, was nicht geht.“

Auch heute geht es wie im Parlament nicht um die eigentlichen Probleme, sondern um Polit-Poker. Zwar fallen Stichworte wie Aschaffenburg, Solingen, Mannheim und all die anderen Städte, die mittlerweile für Migranten-Kriminalität stehen, doch die Runde findet keinen Weg aus der Theorie zur Praxis.

Olaf Sundermeyer, umstrittener „Rechtsextremismus-Experte“ und heute als „Investigativreporter“ für Migration im Ring, bilanziert die Asyl-Politik der Ampel: „Keiner hat je eine Lösung dafür gebracht, die die Menschen in diesem Land als solche wahrgenommen haben. Das ist die Vorgeschichte für das, was da letzte Woche passiert ist.“ Habeck beschwichtigt: „Wir haben eine Reihe von Abschiebungsmaßnahmen verschärft.“ Das Problem liege nicht beim Bund, sondern bei den Ländern. „Die Regeldurchsetzung lässt zu wünschen übrig. Wir haben 170.000 offene Haftbefehle in Deutschland!“

Lanz wacht kurz auf: „Das ist Ihnen jetzt aufgefallen, oder wussten Sie das schon länger?“ Habeck: „Das ist alles bekannt. Es ist nicht so, dass mir das erst jetzt nach Aschaffenburg aufgefallen wäre.“ Er bemerkt gar nicht, wie sehr er sich mit so einem Satz selbst belastet. Es sagt ihm auch niemand.

Immerhin konfrontiert der Moderator den Minister mit der Vorgeschichte, die die jetzige Migrations-Diskussion so sehr befeuert: „Wenn jemand sagte: Wir müssen da etwas tun – dann kam sofort das Argument: Das ist rechts, das ist rassistisch, das ist AfD-Sprech.“ Doch Habeck kann nicht raus aus seiner grünen Haut: „Da sind auch sehr viele deutsche Straftäter dabei.“ Sagt er wirklich. Außerdem: Die Migrantenzahlen würden ja sinken. Lanz: „Selbst im vergangenen Jahr waren sie höher als 2017, 2018, 2019, 2020, 2021, 2022. Ich sehe den Erfolg nicht, tut mir wirklich leid.“ Dass Außenministerin Annalena Baerbock, von Habeck mehrfach lobend erwähnt, einen handfesten Skandal an der Bluse hat – sie wies deutsche Botschaften an, sogar Migranten mit offensichtlich gefälschten Papieren ins Land zu holen –, kommt nicht zur Sprache.

„Sundermann“, wie Habeck ihn nennt, berichtet derweil Ungeheuerliches: Migranten würden, sobald ihre Abschiebung ansteht, von gutmenschelnden Linksgrünen kurzerhand versteckt, bis die Luft wieder rein ist. Sundermeyer: „Es gibt ’ne Warn-App im Internet von Unterstützungsnetzwerken, wo dieser ‚Deportation Alarm‘ angekündigt wird.“ Lanz kann es kaum glauben: „Im Ernst!?“ Sundermeyer: „Dann werden die Leute vor Ort untergebracht. Nach ein, zwei Tagen kehren sie wieder zurück, wenn der Flieger los ist und die Leute der Ausländerbehörde nichts machen können, weil der nächste Abschiebeflug nach Tunesien erst wieder in mehreren Wochen geht.“ (Sundermeyers Doku „Abschiebung Impossible“ läuft am kommenden Sonntag um 23.05 Uhr in der ARD). Die deutsche Asylpolitik bezeichnet der Reporter als „kafkaeskes System“. Wenn jemand nach Bulgarien abgeschoben wird, steige er in den nächsten Flix-Bus und sei am nächsten Tag wieder da.

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Habeck muss zu alldem keine Stellung beziehen. Er bringt Sätze wie „Wir schieben auch die Falschen ab, das will ich zu Protokoll geben“, und verweist auf das Europarecht, das „scharf genutzt werden“ müsse. Lanz bringt halbherzige Parolen wie „Sie sind der Vizekanzler, Herr Habeck. Sie sind die Politik in dem Fall!“ Sobald es jedoch nur ein bisschen Kontra gibt, fährt Habeck die fein manikürten Krallen aus. Als etwa die FAZ-Journalistin Löhr einwirft, dass die Grünen schärfere Asylgesetze im Europaparlament abgelehnt haben, sinkt bei ihm die Laune. Sie ergänzt: „Die grüne Jugend hat heute gerade wieder kritisiert …“ – da wird Habeck richtig sauer und fährt ihr über den Mund. „Wir reden doch jetzt über das System. Eben war ich der Vizekanzler und die Bundesregierung, und jetzt konfrontieren Sie mich mit der Grünen Jugend.“ Lanz höhnt: „Aber Sie sind doch noch bei den Grünen, oder?“

Lanz schiebt nach: „Ich sehe 15.000 Bundespolizisten, die nicht in der Lage sein sollen, die deutsche Grenze zu schützen, aber 10.000 Frontex-Beamte sollen in der Lage sein, tausende Kilometer europäische Außengrenzen zu schützen. Offensichtlich ist es politisch nicht gewollt, das Thema ernsthaft zu bearbeiten. Konnte man ernsthaft nach Aschaffenburg die Dinge so weiterlaufen lassen? Immer die gleichen Rituale und am Ende: nichts passiert.“

Habeck schiebt bremsend die Hände vor. Wie so oft an diesem Abend, obwohl Lanz gar keinen erkennbaren Druck ausübt. Habeck: „Ich sage nicht, dass man nichts tun kann. Wo kommt die Unterstellung her: ‚Die üblichen Rituale. Man ist betroffen und tut nichts‘. Es wird permanent etwas getan.“

Wir halten fest: Der Mann, der mittlerweile tausende Polizeibeamte damit auf Trab hält, Aberhunderte von Anzeigen zu bearbeiten, die er selbst gegen einfache Bundesbürger wegen angeblicher Beleidigungen erstattet hat, der Hausdurchsuchungen veranlasst und Schmerzensgeld kassiert, dieser Mann muss sich für falsch gesetzte Schwerpunkte heute nicht rechtfertigen.

Dunkelflaute in Deutschland
Dramatischer Strommangel treibt Preise in die Höhe
Als es um die Energiewende geht, wird es richtig absurd: Löhr kommt noch mit Fakten: „Sonne und Wind schicken halt doch ’ne Rechnung, nämlich dann, wenn Sonne und Wind nicht da sind und wir Strom aus anderen Quellen brauchen, aus Gaskraftwerken oder aus französischen Atomkraftwerken oder woher auch immer.“

Doch dann: Auftritt Wahlkampfhelfer Markus Lanz. Er wirft eine Grafik nach der anderen an die virtuelle Tafel und sagt: „Erneuerbare: Ist das ’ne Erfolgsgeschichte, die wir uns gelegentlich mal auch erzählen sollten, oder ist das ein Flop?“ Der Anteil Erneuerbarer am Stromverbrauch sei ja grandios. Und dann der Netzausbau: „Auch das ist ’ne Kurve, die eigentlich ziemlich beeinduckend nach oben zeigt.“ Wow, nimm das, Audretsch!

Das Deutschland sogar dafür bezahlen muss, dass an sonnigen Tagen irgendjemand den ganzen überschüssigen Strom abnimmt, um ihn dann am Abend wieder teuer zurückzukaufen, unterschlägt Lanz geflissentlich (hierzu sei der tägliche Energiewendebericht des TE-Weckers empfohlen).

Stattdessen kritisiert Lanz: Die CDU habe elf Atomkraftwerke abgeschaltet, „die Ampel nur drei“. Und Habeck darf in Länge und Breite das Wolkenkuckucksheim von deutschlandweiten Energiespeichern herunterbeten, die es bald geben werde und die dann all den zu viel produzierten Strom („Die Windkraftanlagen drehen sich ja lustig weiter“) in Millionen Akkus und Pumpkraftwerken speichern sollen. Wer’s glaubt, wird selig. Fachleute nicht.

Lanz offenbar schon.

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