Tichys Einblick
Und Söder behauptet, er sei immer ehrlich…

Kriegstrommler bei Miosga: Willkommen beim großen Angstschüren

Miosga am Sonntag – eine Sendung, die Angst macht. Diesmal ganz besonders. Denn Miosga will genau das: Angst schüren vor dem großen Krieg. Um die von Möchtegern-Kanzler Friedrich Merz geplante Neuverschuldung zu rechtfertigen. Von Michael Plog.

Screenprint: ARD / Caren Miosga

Zwei große Fragen beschäftigen den Zuschauer gleich zu Beginn der Sendung. Erstens: Hat Miosga ihre Jeans richtig herum an? Die beiden großen Gesäßtaschen sind seltsamerweise vorn aufgenäht. Zweitens: Was trinkt Markus Söder? Auf dem Tisch steht nur eine Flasche Wasser. Aber in seinem Glas ist irgendetwas Rotes, vielleicht verdünnter Ramazzotti? Und das Glas ist immer voll. Obwohl er ständig trinkt.

Wie bitte, das sind keine großen Fragen, sagen Sie? Nun gut, wir müssen uns der Sendung ja auch irgendwie anpassen. Denn der Miosga-Zug ist an diesem Abend komplett entgleist. Die großen Fragen bleiben auf der Strecke, dafür wird en detail immer sauber neben der Spur diskutiert. Und vor allem: Es wird Angst geschürt. Angst vor einem großen Krieg. Die Journalistin Sabine Adler (Deutschlandradio) weiß es fast auf den Tag genau: Der Krieg droht noch in diesem Herbst!

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Wenn Möchtegern-Kanzler Friedrich Merz jetzt zusammen mit dem eigentlich abgewählten Bundestag noch schnell rund eine Billion neuer Schulden aufnehmen will, muss man das irgendwie rechtfertigen. Die CDU kann es eigentlich nicht, denn sie war bisher immer dagegen, friedlich Merz höchstselbst, aber vor allem Markus Söder.

Den versucht Caren Miosga ein paarmal halbherzig festzunageln, aber was a flutschige boarische Weißwurscht ist, die lässt sich nicht so einfach greifen und ausananderzutzeln. Söder schiebt alles auf den neuen US-Präsidenten Donald Trump. Dessen Verhalten sei, wie „wenn Mama und Papa über Nacht sagen: So raus hier, Du kriegst von uns nix mehr.“ Deshalb brauche man jetzt ganz schnell ganz viel Geld. „Ich gebe zu, dass das schon Zahlen sind, wo man bisschen schwindelig werden kann. Aber es sind auch schwindelerregende Zeiten“, diagnostiziert Schwindelfacharzt Söder.

Die Frage, wieviele künftige Generationen an Steuerzahlern es eigentlich brauchen wird, um den gigantischen neuen Schuldenberg namens „Sondervermögen“ abzutragen, wird die ganze Sendung über nicht ein einziges Mal gestellt. Stattdessen soll sich Söder zum CSU-Altvater Horst Seehofer äußern, der ihm Wortbruch vorwirft. Söder wirft im Gegenzug die Ehrenvorsitzenden der Partei, Theo Waigel und Edmund Stoiber, in die Waagschale. Auch die beiden seien ja schließlich für die neuen Schulden. Deshalb sei alles fein. Immer grad so, wie es passt. Aber die Sache mit Seehofer ärgert ihn schon, das spürt man deutlich. Söders Version von „Du kannst mich mal“ hört sich dann so an: „Wir haben eigentlich vereinbart, dass wir übereinander gar nichts sagen wollen. Ich hab ihn seit über sechs Jahren nicht gesehen, und ich freu mich, dass er offenkundig noch ganz munter ist.“

Miosga unterstellt Söder Wendehalsigkeit und Wählerbetrug, doch seine Hybris ist einfach nicht zu knacken: „Ich bin immer ehrlich. Grad, wenn ich bei Ihnen bin, ist der Drang noch größer als sonst.“ Kein Gelächter im Publikum. Nur, als er sagt, bei den Grünen um Unterstützung zu buhlen, das solle doch lieber der Friedrich Merz machen, weil „das ist für beide Seiten besser“, da lachen alle. Und das gefällt ihm. Söder gibt seinem Parteifreund gleich noch einen Leberhaken hinterher: „Weil, zum Thema Prinzipientreue, da hab ich meine klaren Aussagen.“

Wie nun also den enormen neuen Schuldenberg rechtfertigen? Söder verfällt in alte Muster. Wie zu Corona-Zeiten, als er Maskenzwang, Lockdowns, Impflicht, verbotenes Bücherlesen auf bayerischen Parkbänken, als er alle Drangsal stets mit dem Schutz vor „etwas Größerem“ rechtfertigte, so macht er es jetzt auch mit der finanziellen Zukunftsperspektive der Deutschen: „Es gibt etwas Größeres, nämlich der Schutz unseres Landes“, posaunt Söder. „Die 500 Milliarden, die sind für zehn Jahre angelegt. Das wird jetzt nicht einfach blind verteilt, da muss Thema für Thema parlamentarisch beraten werden.“ Dadurch wird offenbar alles besser. Söder ist halt immer grundehrlich. Besonders bei Miosga.

Und was will die wissen? Ob das „Sondervermögen“ irgendwie zweckentfremdet wird, für Bürgergeld statt Brücken oder so. Nein, nein, wiegelt Söder ab. Er ist halt immer grundehrlich, besonders… naja, und so weiter. Ob dafür irgendwann Steuererhöhungen zu befürchten seien? Nein, das könne er sich nicht vorstellen. Er ist halt immer grund…

Dass die Neuverschuldung, die Deutschland den Rest seines verbliebenen Wohlstands kosten könnte und von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm sogar als „Satire“ empfunden wird, dass diese Neuverschuldung dringend nötig sein soll, das wird dem Zuschauer auf besonders perfide Weise eingehämmert: Es droht angeblich der große Krieg, erst im Baltikum, dann bei uns. Um diese These zu stützen, hat die Redaktion zwei Gäste eingeladen, die in ihrer düsteren Kanonenfeuer-Polemik kaum zu überbieten sind. Neben Sabine Adler drischt auch Politologe Herfried Münkler vehement auf die Kriegstrommel ein. Putin sei ein Aggressor mit unstillbaren Gelüsten. Es sei „naheliegend, dass er Estland als erstes angreifen wird, weil es dort starke russische Minderheiten gibt“. Es sei wichtig, so Münkler, dass der Westen „jetzt nicht wieder Minsk 1 und 2 macht, also Appeasementpolitik, sondern deutlich macht, dass er bereit ist, die baltischen Republiken zu verteidigen“. Für Adler ist das von Russland angekündigte Herbstmanöver „eine ganz, ganz gefährliche Ansage. Wir sind in einer echten Kriegsgefahr im Herbst dieses Jahres“.

Adler und Münkler spielen sich die Beklemmungsbälle gekonnt zu. Seit längerem gebe es aus Russland „hybride Kriegsführung gegen Rumänien, Bulgarien und Moldau“, so der bärtige Guck-in-die-Luft, der beim Sprechen entlarvenderweise ständig nach rechts oben an die Studiodecke schaut und neben sich ein ganzes Notizbuch platziert hat. Und schlimmer noch: Es gebe ja „noch andere Akteure, die an imperialen Phantomschmerzen leiden“. Münkler nennt Erdogan, Serbien „und derlei mehr“. Söder schlägt mit Freude in dieselbe Kerbe: „Wir müssen so viel mehr tun, damit wir auf Augenhöhe sind. Denn sonst macht USA und China mit uns, was sie wollen, und das darf nicht passieren.“ Münkler wieder: „Wer ein Akteur in globaler Hinsicht sein will, und das müssen die Europäer sein, der muss ein Portfolio der Machtsorten haben, in dem alles drin ist. Alles drin ist! Auch die Fähigkeit einer gemeinsamen, nuklearen Abschreckung.“

Angst ist einfach zu schön. Und bei Corona hat es ja schließlich prima funktioniert. Also her mit den Billionen!

Als der Zuschauer endlich gebührend verängstigt und weichgekocht ist, bleiben nur noch die beiden Fragen vom Anfang. Hier die Auflösung: Nein, Miosga hat ihre Jeans nicht falsch herum an. Sie hat einfach große, aufgenähte Gesäßtaschen hinten UND vorne. Überall riesengroße Taschen – das passt perfekt in diese Zeit.

Aber was Markus Söder getrunken hat, das weiß wohl nur Eros Ramazotti.

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