Dass Jürgen Becker (Ex-„Mitternachtsspitzen“) einen – vorsichtig ausgedrückt – ungewöhnlichen Humor hat, darf der graue Kabarettist an diesem Abend eindrucksvoll unter Beweis stellen. Doch seine Bratpfannen-Witze sind nur die Spitze dieses unterirdischen Abends. Die ständig steigende Zahl migrantischer Messerdelikte etwa kommentiert er mit dem Satz: „Ich kenne Leute, die gucken jetzt jeden Abend Horrorfilme, um mal bisschen heile Welt zu sehen.“ Und wenn Trump die in Verruf geratene „Hilfsorganisation“ USAID auch deshalb stoppen will, weil sie Kondome für die Taliban finanzierte (oder was ganz anderes), fällt einem Becker nur das ein: „Ein Kondom hätte gereicht, um Trump zu verhindern.“
Lacher erntet er dafür nicht. Lacher erntet an diesem Abend aber ohnehin fast niemand. Nur eine: Außenministerin Annalena Baerbock. Die aber dafür fast bei jedem Satz, und sei er noch so belanglos. Den grünen Bürstenstrich des Publikums kann man mit Händen greifen. Frisuren, Kleidung, Habitus – alles wie auf einem Grünen-Parteitag.
Was bekommt man, wenn man bei der Bundestagswahl am 23. Februar Grün wählt, will Maischberger wissen. Baerbock antwortet, man „kriegt eine Partei, die nicht Migration, Flucht und dann einen gesellschaftliche Stärke des Zusammenhalts zusammenwirft, einmal kräftig rumrührt, und dann kommt am Ende, ums mal sehr deutlich zu sagen, braune Soße herbei. Das macht die Union.“
Derart ausweichend beantwortet die Noch-Außenministerin an diesem Abend alle Fragen. Und das Publikum ist begeistert. Stichwort Familiennachzug. Baerbock kritisiert, bei der „irregunären Migration“ werde mit falschen Zahlen „handiert“. Außerdem: „Wir können doch keine Fachkräfte in der Welt gewinnen, wenn ich mit Saudi-Arabien, wenn ich mit den USA in Konkurrenz trete, wenn man bei uns kein Englisch spricht, und dann sage ich noch: Nee, aber Ihre Frau können Sie aber leider nicht mitbringen, obwohl Sie ein Einkommen haben als IT-Gingenieur, wo Sie das alles bezahlen könnten.“ Maischberger erinnert sie vorsichtig, das Thema sei Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige. Baerbock: „Wir wollen dafür sorgen, dass wir Humanität und Ordnung haben.“ Aha.
Dass die Grünen die Bezahlkarte für Asylanten torpedieren, indem Sie sie einfach gegen Bargeld tauschen, findet in Baerbocks Welt nicht statt. „Ich kenne den Fall überhaupt gar nicht.“ Sie sei auf dem Dorf groß geworden, und da habe es „auch nur diese Gutscheine“ gegeben. Das sei ausgrenzend. Sie berichtet aus ihrem angeblichen Alltag, „wenn Kinder zu mir kommen und sagen, Frau Baerbock, bin ich hier überhaupt noch erwünscht?“. Deshalb „machen wir nicht mit, alle Menschen über ein Kann zu scheren“.
Überhaupt, ihr Alltag – so herrlich normal. „Ich hab zwei Kinder, ich leb mitten in Potsdam, die gehen zur Schule, ich weiß schon, was für Herausforderungen auch in Schulen sind, wenn Deutsch beigebracht werden muss. Politiker sind keine abgehobenen Menschen, die mit dem normalen Leben nix zu tun haben.“
Was sie auf der brisanten Einheitspartei-Party bei Laschet denn so mit Spahn, Merz & Co. besprochen habe, möchte Maischberger wissen. Auch hier bleibt sie eine Antwort schuldig. „Tugenden wie Vertraulichkeit und nicht aus Privatgesprächen zu schwätzen und vor allen Dingen Vertrauen ist mir total wichtig. Erlebe ich auch in diesen außenpolitischen Zeiten.“
Apropos Außenpolitik: Baerbock sei sicher, „dass wir einer neuen US Administration sehr selbstbewusst entwegentreten können“. Sie selbst sei „eine tiefe Freundin Amerikas, ich hab da selber mal gelebt“. Sie meint ihren Aufenthalt als Austauschschülerin. Ob Trump gerade alles kaputt mache, fragt Maischberger. Baerbock: „Nee, eben nicht. Wir haben ja vorgebaut.“
Essenzielles ist der Ministerin an diesem Abend nicht zu entlocken. Sie will nicht einmal verraten, wie sie und Altkanzlerin Angela Merkel sich ansprechen. Maischberger: „Sie duzen sich, oder?“ Ein Einspieler zuvor ließ diesen Schluss zu. Baerbock grinst: „Vertrauen ist eine kostbare Währung.“
Im direkten Duell machen die beiden Vertreter der Kleinparteien „Die Linke“ und „Freie Wähler“ deutlich, warum sie Vertreter von Kleinparteien sind. Und dafür brauchen die beiden Altvorderen nicht einmal eine Moderation. Maischberger ist minutenlang still. Nachdem Gregor Gysi mit alten Cowboy-Skills geprahlt hat („Kann noch mit der Hand melken“), darf er seinen sozialistischen Phantasien frönen: Milliardäre zu Millionären machen, um den Armen zu helfen, Auswanderer mit einer Wegzugssteuer am Auswandern hindern. Fehlt nur noch, dass er einen Schießbefehl an der Grenze fordert. Schließlich ist die Linke ja Rechtsnachfolgerin der DDR-Mauerschützenpartei SED.
Gysi präsentiert eine Geschichte aus dem Paulanergarten: Ein Unternehmer in München habe ihm erzählt, er sei fast so weit, die Linke zu wählen. Hubert Aiwanger fragt trocken: „War er nüchtern, der Unternehmer?“ Der FW-Chef selbst versucht sich krampfhaft von der AfD abzugrenzen, indem er sie als Schreckgespenst der Demokratiezerstörung darstellt: „Wir müssen die Probleme lösen, die dafür sorgen, dass die AfD gewählt wird.“ Da stimmt Gysi gern mit ein: „Wenn die AfD mit unserem Land mit regiert, werden wir große Teile unserer Demokratie und Freiheit verhindern.“ Ob das ein Freudscher Versprecher war? Ob er tatsächlich „verhindern“ meint oder vielleicht „verlieren“ – man weiß es nicht.
Vor der AfD warnen pflichtschuldig auch die beiden Journalisten im Studio. Gordon Repinski vom Medienhaus Politico (das ebenfalls mehr als acht Millionen Dollar von USAID erhalten hat), warnt vor einer AfD-Regierung, „wo dann der Verfassungsschutz neu eingestellt wird“. Und Susanne Gaschke von der NZZ macht den Umgang mit der Asyl-Krise verantwortlich: „Es hat sich einfach angestaut ein Gefühl, dass man darüber nicht offen reden konnte lange Zeit. Und das hat immer auf die AfD eingezahlt.“
Dass die SPD Teil der nächsten Regierung sein könnte, schließen beide aus. Die Partei mache „nur noch Politik für Leistungsempfänger, für Bürgergeldbezieher, für Rentner, für Studenten mit Bafög“, sagt Gaschke. Und Repinski konstatiert, dem scheidenden Kanzler Olaf Scholz „bleibt nur noch die Autosuggestion, als letzter verbliebener Deutscher an sich selbst zu glauben und darauf zu hoffen, dass es nochmal so kommt wie 21“.
Wer weiß, vielleicht kommt es sogar schlimmer.
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