Die vom WDR für die ARD produzierte montägliche Diskussionsrunde „Hart aber fair“ mit Moderator Louis Klamroth ist bei der Wahl der Themen und der Gäste nicht gerade für politische Ausgewogenheit bekannt. Nun produzierte der WDR mit Klamroth unter dem Titel „Hart aber fair 360“ ein 45-Minuten-Spezial. „360“ sollen 360 Grad heißen, weil sich um den zentralen politischen Gast im Kreis 25 Bürger gruppieren, die sich politisch ziemlich einig sind und den Politstar grillen wollen.
Am 14. beziehungsweise am 15. Februar war der „grüne“ Kanzlerkandidat Robert Habeck dran. Am Freitag, 14. Februar, ab 20.15 Uhr, in der ARD-Mediathek abrufbar; am Samstag, 15. Februar, ab 23.40 Uhr, gesendet im regulären ARD-Programm.
Die Sendung hatte es durchaus in sich, denn Habecks elf Diskussionsgegner im Alter zwischen 17 und 60, vier Frauen und sieben Männer, hatten dem Wirtschafts- und Klimaminister einiges an Erfahrungen und Argumenten an den Kopf zu werfen. Und zwar aus den Bereichen: Migration, Tempolimit, Energiepreise, Bürokratismus, 15-Euro-Mindestlohn, Bildung usw. Ausgespart blieben – aus welchen Gründen auch immer – Themen wie die Vetternwirtschaft im Habeck-Ministerium, die Einrichtung von Meldestellen durch die Habeck unterstehende Bundesnetzagentur, Habecks hundertfache Strafanzeigen gegen kritische Bürger, die „grüne“ Wendung vom strammen Pazifismus zu einem ebenso strammen Bellizismus, die Positionierung der „Grünen“ in Sachen Israel. Klar, in 45 Minuten hatte nicht alles Platz.
Wir greifen vier der vorgebrachten Attacken gegen Habeck heraus.
Die 19-jährige Feodora Lüdemann ging als erste gleich in die Vollen. Sie sei froh, dass sie nicht mehr in Berlin-Neukölln wohnen müsse. Junge Frauen könnten dort nicht mehr sicher leben. Einer ihrer Nachbarn sei vor eineinhalb Jahren fast erstochen worden. Die „Grünen“ würden dagegen nichts tun, sie würden konsequente Abschiebungen Straffälliger blockieren und der Polizei in den Rücken fallen. Habecks Antwort: „Das waren jetzt viele Aussagen und viel Meinung; Sie müssten das mal belegen … Wir sind hart dabei zu sagen, dass Straftäter abgeschoben werden müssen, wenn sie keine Deutschen sind … Teilweise sind es aber Deutsche … Wir hätten auch gerne weitere Messerverbotszonen …“ Da kann Feodora L. nicht mehr an sich halten; sie lacht Habeck frontal aus und sagt: „Eine Messerverbotszone hält doch niemanden davon ab, jemanden abzustechen.“ Habeck darauf: „Bei Mordabsicht natürlich nicht …“ (ab Minute 13:00).
Der Neunte in der Folge ist ein 49-jähriger Bäckermeister, der einen gesetzlich festgelegten 15-Euro-Mindestlohn attackiert. Er hält diesen für „abwegig“ und als Verstoß gegen die Tarifautonomie. Vor allem sagt der Bäckermeister, der in seinem Betrieb Arbeitnehmer aus 35 Nationen beschäftigt, dass nicht alle das leisten, was mit 15 Euro entlohnt werden könne, denn dann könne er als Chef die überdurchschnittlich Leistungsfähigen auch nicht adäquat höher entlohnen. Habeck ist hier ziemlich blank: Er flüchtet sich in die Allerweltsaussage „Man muss von seiner Hände Arbeit leben können“ und – man höre und staune – voller Verständnis in die hohen Nebenkosten, zum Beispiel die hohen Energiekosten (ab Minute 32:00).
Der Zehnte in der Folge ist der 17-jährige Nils, der 2026 das Abitur macht und sich der FDP zuordnet. Er steigt frontal ein: „Ich möchte nicht in einem grün heruntergewirtschafteten Land leben … Sie schwafeln an Problemen vorbei …“ Nils nennt die Illusion, Deutschland mit seinem 2-Prozent-Anteil am CO2-Ausstoß könne das Weltklima retten; Nils nimmt sich auch das technologieoffene Heizungsgesetz zur Brust usw. Habeck macht auf „Am deutschen Wesen …“ und sagt: „Wir müssen einen Beitrag leisten, damit auch andere CO2 einsparen“ (ab Minute 35:30).
Der Elfte und Letzte in der Runde ist ein 25-jähriger Tischlermeister. Er bedauert, dass es keine Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung gebe. Und ihm deshalb die Bewerber fehlen. Habeck dazu: „Da bin ich voll bei Ihnen. Ich habe viele Betriebe besucht … Sie leisten Großes … Danke dafür!“ Um die berufliche Bildung attraktiver zu machen, fällt Habeck noch ein: Lehrlingsheime errichten, Deutschlandticket ausweiten, damit die Ausbildungsstätten besser erreichbar seien … Der Vorwurf, dass die „Grünen“ diejenigen sind, für die der Mensch seit Jahrzehnten erst mit dem Abitur beginnt, bleibt Habeck leider erspart. Die Zeit ist um
(ab Minute 38:00).
Am Ende ziehen Klamroth und Habeck Bilanz. Habeck beklagt sich, dass er oft nicht ausreden konnte, und meint, in kleiner Runde am „Küchentisch“ (Habecks neues Polit-Ambiente) würde das besser gelingen. Wahrscheinlich aber ist es Habeck ohnehin lieber, dass er als Westentaschenphilosoph predigen kann. Der WDR hat dann auch noch einen dürren Faktencheck angehängt. Dieser erschöpft sich aber oft teilweise in Zitaten aus dem „grünen“ Wahlprogramm.
Alles in allem: Es war eine Feigenblatt-Sendung, die belegen sollte, wie „hart“ der WDR mit Habeck umgeht und wie ausgewogen der WDR ist.