„Niemand wurde durch Manipulation dazu gebracht, für Trump zu stimmen.“ So titelte das Polit-Portal „Politico“ vor drei Wochen, um dann zu erklären, „warum die Desinformationspanik vorbei ist“.
Das klingt so ganz anders als die in der Tat panikartigen Warnungen vor dem „Ende der Demokratie“, die in der EU, da vor allem in Deutschland und hier wiederum vor allem von Robert Habeck und seinen Grünen zu hören sind. Brüssel begründete mit angeblicher „Desinformation in Sozialen Medien“ ja sogar seine Intervention in Rumänien, wo die EU vom dortigen Verfassungsgericht mal eben eine Präsidentschaftswahl annullieren ließ, deren Ergebnis den Eurokraten nicht passte.
Auch in der Wissenschaft gibt es die Alarmisten und die besonnenen Forscher. Für den berüchtigten Medien-Professor Bernhard Pörksen von der berüchtigten Universität Tübingen etwa geht es um die „Rettung der Demokratie“. Judith Möller, Professorin für empirische Kommunikationsforschung an der Universität Hamburg, verweist dagegen auf die Daten und sagt:
„Der Einfluss von Sozialen Medien auf Wahlen ist gering.“
Nachdem lange Zeit die Alarmisten an den Hochschulen den Ton angegeben haben, holen sich die Forscher langsam Terrain zurück. Gerade wurde eine internationale sogenannte Meta-Studie fertiggestellt, die Daten aus über 2.700 Quellen weltweit ausgewertet hat. Auch diese Arbeit kommt zum Ergebnis, dass sowohl der Einfluss von Sozialen Medien auf Wahlen als auch die Rolle von Desinformation für die Demokratie deutlich überschätzt werden.
Für die 300 Seiten starke Studie haben die Autoren über anderthalb Jahre lang weltweit mehr als 2.700 andere wissenschaftliche Arbeiten zum Thema ausgewertet. Träger des Projekts ist die – sonst als links bekannte – Organisation „Observatory on Information and Democracy“.
Umso erstaunlicher sind die Ergebnisse.
„Die Studien, die wir durchgesehen haben, haben gezeigt, dass es keine empirischen Nachweise dafür gibt, dass Desinformation irgendetwas groß beeinflusst hat.“ Das sagt Matthias Kettemann. Er ist Professor für Innovation, Theorie und Philosophie des Rechts an der Universität Innsbruck und einer der Autoren der Studie. Viel sei in den vergangenen Jahren über den angeblichen Einfluss der Sozialen Medien auf die Demokratie geredet worden. Der sei aber „geringer als gemeinhin angenommen“.
Die Studie benennt dafür ein anderes, tatsächlich existierendes Problem: „Nicht Desinformation an sich (ist) das Problem, sondern die Tatsache, dass Medien und Politiker stark davon sprechen, dass wir von Desinformation umgeben sind.“ Das, sagt Kettemann, führe empirisch belegbar zu Misstrauen.
Oder anders: Es gibt Desinformation. Das größere Problem ist aber die Angst vor der Desinformation, und die wird von Politik und Medien teilweise gezielt geschürt. „Wir sehen das sehr kritisch, und wir würden empfehlen, etwas distanzierter über Desinformation zu berichten“, zieht Kettemann sein Fazit.
Die These „Soziale Medien und Desinformation zerstören unsere Demokratie“ ist nicht haltbar.
Und selbst die heutzutage scheinbar gesicherte Erkenntnis, dass Soziale Medien das Selbstbild von jungen Menschen negativ beeinflussen, ist der Studie zufolge nicht wissenschaftlich nachweisbar. Zwar gibt es Studien, die zeigen, dass eine starke Nutzung von Instagram bei Kindern und Jugendlichen zwischen 13 und 16 Jahren zu mehr körperdysmorphen Störungen führt.
Das gilt aber überwiegend nur dann, wenn noch andere Faktoren dazukommen. Da stellen sich Fragen, sagt Kettemann: „Sind es wirklich Soziale Medien, die diese Störungen hervorrufen? Oder ist es dann eher so, dass junge Menschen, die im echten Leben Schwierigkeiten haben, im Internet dann nach Lösungen suchen. Was war am Anfang?“
Die Sozialen Medien taugen jedenfalls nicht mehr als Generalschuldiger für alles.
Die Studie ist online schon verfügbar. In Deutschland wird sie am 29. Januar am Institut für Internet und Gesellschaft der Humboldt-Universität Berlin vorgestellt.