Da ist dieser recht intelligente Scherz über die vermaledeite Autokorrektur in Schreibprogrammen am Computer oder am Smartphone. Es ist ein doppeltes englisches Wortspiel, das sich beim besten Willen nicht übersetzen lässt:
The inventor of auto-correct has died.
Restaurant in piece.
The funnel will be held tomato.
Moderne Menschen – oder besser: Menschen in unseren „modern“ genannten Zeiten – kommunizieren miteinander zunehmend über automatisch vorgeschlagene Textbausteine. Das geht schnell und ist bequem, man muss sich die Wörter und Kurzsätze nicht selbst einfallen lassen.
Unser Gehirn ist evolutionsbiologisch auf Energiesparen ausgelegt. Oder anders: Wir sind von Natur aus denkfaul. Deshalb suchen wir in unserer Umgebung nach Mustern und schaffen uns im Alltag unzählige Routinen: Das Erkennen eines Musters erspart uns die Analyse von dessen Einzelteilen, und über eine eingeübte Routine müssen wir auch nicht mehr groß nachdenken.
Darum sind künstlich generierte Formulierungsvorschläge so beliebt. Das erklärt auch mindestens teilweise den weltweiten Siegeszug der „Emojis“: Das sind die kleinen Piktogramme, die nicht nur Dinge, sondern auch Gefühle abbilden. Im schlechtesten Fall ersetzt so ein Mini-Bildchen ein Wort. Im günstigsten Fall ersetzt es einen ganzen Satz, mit dem man sonst umständlich beschrieben hätte, wie man sich gerade fühlt.
Wenn wir nicht wollen, müssen wir im Prinzip nicht mehr selbst schreiben.
Und wir tun es auch kaum noch. Das gilt vor allem (aber nicht nur) für die sogenannte „Generation Z“. So nennt man die zwischen 1995 und 2010 Geborenen. Sie sind heute also zwischen 14 und 30 Jahre alt und die erste Alterskohorte, die vollständig im digitalen Zeitalter aufgewachsen ist: Computer, Laptops, Tablets, Smartphones und Soziale Medien. Viele Studien sind zu dem übereinstimmenden Ergebnis gekommen, dass die GenZ bis zu vier Stunden täglich allein am Smartphone verbringt. Dazu kommt die Zeit am Computer/Laptop/Tablet, bei Online-Spielen und beim Streaming.
Sie sind „Digital Natives“, Eingeborene der digitalen Welt. Sie nutzen die neuen Technologien intuitiv. Technik verändert die Welt, aber auch die Menschen. Die Aufmerksamkeitsspanne der GenZ wird von manchen Forschern auf gerade noch acht (8) Sekunden taxiert. Das entspricht etwa der Konzentrationsfähigkeit eines Guppys. Auch andere Fähigkeiten werden sukzessive verlernt.
Dazu gehört: das Schreiben mit der Hand.
Die Linguistik-Professorin Nedret Kiliçeri von der Universität Istanbul hat in einem Interview gerade darauf aufmerksam gemacht, dass viele Hochschulstudenten selbst einfache Schreibregeln nicht mehr kennen. Wenn man ihnen einen Stift und ein Papier in die Hand drückt, haben sie allergrößte Schwierigkeiten, ihre Gedanken auszudrücken. Zu längeren strukturierten Sätzen seien sie meist nicht mehr in der Lage, sagt Kiliçeri: „Die Studenten vermeiden lange Sätze und schaffen es oft nicht, richtige Absätze zu schreiben. Sie denken, dass das Aneinanderreihen von unabhängigen Sätzen einen Absatz ausmacht.“
Die Professorin führt das auf den Einsatz von Multiple-Choice-Tests und auf die Sozialen Medien zurück. In Letzteren habe sich eine eigene Sprache entwickelt. Alles werde verkürzt und mit Emojis ausgedrückt. Ideen würden heutzutage bevorzugt in Textbausteinen mit weniger als zehn Wörtern zusammengefasst.
Dazu kommt, dass die ganz praktische Fähigkeit abnimmt, mit der Hand zu schreiben. Die Folge ist ein verkümmertes Schriftbild. Die Handschrift verlaufe entweder nach unten oder nach oben und sei zunehmend unleserlich. Während Schulkinder früher daran gewöhnt gewesen seien, mit Papier und Stift zu arbeiten, hätten sie heute schon sehr früh mit Bildschirmen und Tastaturen zu tun, erklärt die Sprachwissenschaftlerin ihre Beobachtungen.
Sogar das Tippen wird verlernt.
Denn nicht nur die Fertigkeit zum handschriftlichen Verfassen von Texten verkümmert: Auch beim Tippen auf den üblichen Computer-Tastaturen ist ein wachsender Kompetenzverlust feststellbar.
Das Zehn-Finger-System, das noch aus der Zeit der Schreibmaschine stammt, verschwindet. Das „Wall Street Journal“ hat jüngst Zahlen des US-Bildungsministeriums analysiert. Im Jahr 2000 hatten noch 44 Prozent aller Highschool-Absolventen einen Tastaturkurs belegt. Im Jahr 2019 waren es gerade noch 2,5 Prozent.
Die technikaffine GenZ kann am Computer praktisch alles – nur nicht tippen, ohne dabei auf die Tasten zu sehen.
Inzwischen sind junge Menschen beim typischen Zwei-Daumen-Schnelltippen auf ihren Smartphones wesentlich besser als beim Tippen auf herkömmlichen Tastaturen. Generell wird das Tippen durch die Touchscreens von Smartphones und Tablets ohnehin vom Wischen („Swiping“) ersetzt. Nicht wenige Soziologen nennen die GenZ deshalb auch „Gen Swipe“.
Das alles führt dazu, dass die generelle Kommunikationsfähigkeit sinkt.
Die Autokorrektur und erst recht die von Künstlicher Intelligenz generierten Texte machen das Tippen zunehmend überflüssig. Wenig verwunderlich, geht zuerst die Tipp-Geschwindigkeit verloren – und dann die Tipp-Fähigkeit als solche. Schließlich schädigt die Dominanz von digitaler Technik die Schreibfähigkeit des Menschen insgesamt.
Das ist keine gute Nachricht. Sprachwissenschaftler sind sich einig, dass die Schreibfähigkeit und die allgemeine Kommunikationsfähigkeit Hand in Hand gehen.
Die südosteuropäische Vinča-Schrift und die Mesopotamische Keilschrift gelten als älteste Schriften der Menschheit. Sie begannen vor etwa 7.500 Jahren als Bilderschriften. Aus ihnen entwickelten sich unsere heutigen Schriftsprachen – und mit ihnen die Zivilisation.
Es könnte sein, dass wir uns nun zur Bildersprache zurückentwickeln. Smiley-Emoji.