Tichys Einblick
US-Zollpolitik

Ursula von der Leyens Deal schadet dem Bürger – und mehrt ihre eigene Machtfülle

Aus Sicht des Bürgers hat Ursula von der Leyen schlecht mit Donald Trump verhandelt. Doch ihr selbst nutzt der Deal. Der mehrt ihre Machtfülle. Das kann Zufall sein – oder eben auch eine persönliche Strategie.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jacquelyn Martin

Eine der Legenden der Bundesliga ist der „Sonnenkönig“. Günter Eichberg. Als Präsident führte er Schalke 04 Anfang der 90er von der Zweiten zurück in die Bundesliga. Zu der Zeit floppte bei Bayern München Radmilo Mihajlovic. Der bosnische Stürmer schoss in seiner ersten Saison für den Rekordmeister lausige vier Tore, deswegen wollte ihn Manager Uli Hoeneß für 1,8 Millionen Mark an Schalke weiterverkaufen. Veto, sagte Eichberg. Hoeneß müsse zuerst mit ihm, dem Sonnenkönig verhandeln. Das tat er und Mihajlovic wechselte doch noch nach Gelsenkirchen – für 3 Millionen Mark.

Eichberg starb vor sieben Jahren. Er wäre ein würdiger Verhandlungsführer im Auftrag der EU gewesen. Doch Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen (CDU) schlägt den Sonnenkönig auf diesem Feld noch bei weitem. Die sollte mit Donald Trump den Zoll-Deal verhandeln. Anfang April hatte der US-Präsident noch verlangt, die EU müsse den Staaten Energie im Wert von 350 Milliarden Dollar abkaufen. Nach den Verhandlungen mit von der Leyen sind es nun 750 Milliarden Dollar. Ursula von der Leyen ist die Sonnenkönigin. Und wenn sie von sich behauptet, die EU, das bin ich, dann stimmt das auf vielen Ebenen – und eine ist trauriger als die andere.

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Staatsfernsehen und staatsnahe Zeitungen haben in den Mittelpunkt ihrer Berichte über den Deal gestellt, dass von der Leyen Trumps Forderung von durchschnittlich 30 Prozent Zölle auf 15 Prozent heruntergehandelt hat. Die gleichen Bedingungen wie Japan, die deutlich schlechteren als Großbritannien. Selbst in ihren Erfolgen wirkt Ursula von der Leyen armselig. Nur: Es ist zwar nicht ganz auszuschließen, dass von der Leyen in Sachen Verhandlungsgeschick ähnlich unbegabt wie einst Günter Eichberg ist. Doch ihre Ergebnisse sind derart krumm und mies, dass der Anfangsverdacht des absichtlichen Versagens nur schwer aus der Welt zu schaffen ist – schon gar nicht, wenn von der Leyen nach den Verhandlungen die Dokumente löscht. Wie nach der Einkaufstour in Sachen Impfstoffen.

Die Zölle bewegen sich tatsächlich auf dem Niveau der Ergebnisse, die Japan und Großbritannien mit den USA erreicht haben. Doch die Nebenaspekte – in der Berichterstattung von Staatsfernsehen und staatsnahen Zeitungen – sind die eigentliche Hauptsache: Für 750 Milliarden Dollar muss die EU den Staaten Energie abkaufen. Vor allem in Form von LNG-Gas. Zusätzlich muss die Europäische Union 600 Milliarden Euro zwischen Seattle und Miami investieren. Das ist der Punkt, an dem sich die Frage in den Raum schiebt, ob von der Leyen nicht absichtlich schlecht verhandelt hat. Aus Sicht der Bürger. Während ihr persönlich das eigentlich schlechte Ergebnis nutzt.

Wie von der Leyens Versprechen in Sachen Energie-Importe und Investitionen umgesetzt werden sollen, sei unklar. So sagen es diverse Wirtschaftsexperten in Interviews. So formuliert es auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer in einer Pressemitteilung. Investitionen sind in der Regel Privatsache, Energie-Importe eher die Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Mit ihrem schlechten Verhandlungsergebnis hat sich von der Leyen nun in die Situation gebracht, an sich private und staatliche Aufgaben in Brüssel zentral Regeln zu müssen. Die Präsidentin der EU-Kommission hat sich Macht gekauft. Der EU-Bürger zahlt dafür 1,35 Billionen Dollar an die USA. Etwa 320 Milliarden Dollar davon übernimmt Deutschland nach dem gängigen Schlüssel.

Der einfachste Weg, um von der Leyens Versprechen umzusetzen, wäre die Rüstung. Hier investiert grundsätzlich der Staat. Doch 600 Milliarden Euro an Aufträgen allein in einem Land auszugeben, ist eine gewaltige Aufgabe – selbst wenn das größte Geberland Deutschland sagt, es investiere ins Militär „whatever it takes“. Was immer nötig sei. 50 Milliarden Euro hat Deutschland bisher jährlich fürs Militär ausgegeben – da waren aber die Kosten für Sold, Kasernen, Verpflegung oder Uniformen mit drin. Selbst wenn Deutschland wie geplant seine Ausgaben auf 150 Milliarden Euro im Jahr erhöht, bleibt da eine gewaltige Finanzierungslücke.

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Deswegen drängt sich der Verdacht auf, dass es eben nicht allein das Militär ist, mit dem von der Leyen ihr Versprechen einhalten will. Berlin schiebt zwar gerne die Schuld auf Brüssel. Doch das ist PR. Politfolklore. Schmierentheater. Eigentlich betreiben Bundesregierung und EU-Administration seit Angela Merkel (CDU), von der Leyens großer Förderin, die gleiche Politik: die „Transformation“ hin von einer Marktwirtschaft zu einer faktisch sozialistischen Planwirtschaft. Verkauft durch das Argument, dem Klimaschutz oder anderen höheren Zielen wie dem Kampf gegen das Corona-Virus dienen zu wollen.

Der Mechanismus ist immer der gleiche: Im Namen des jeweils vermeintlich höheren Ziels akkumulieren Berlin und Brüssel gigantische Geldsummen, die sie dann selbst verwalten. Um diese Summen stemmen zu können, wächst die Last an Steuern und Abgaben. Das zwingt wiederum die Wirtschaft immer mehr in die Knie, was aber weder Berlin noch Brüssel zum Anlass nehmen, mit ihrer Politik umzukehren. Stattdessen nutzen sie die kriselnde Wirtschaft als Vorwand für das nächste gigantische Paket. Doppelwumms, Green Deal, Klima- und Transformationsfonds, Entlastungspakete oder eben nun das USA-Paket funktionieren nach genau diesem Prinzip und fördern die „Transformation“ hin von einer funktionierenden Marktwirtschaft zu einer Staatswirtschaft, die zwar dysfunktional ist – aber ihren Vertretern in Politik und Verwaltung zu einer ungekannten Machtfülle verhilft.

Günter Eichberg war ein guter Mann. Unterm Strich. Seine Methoden mögen zwar mitunter dubios gewesen sein, sein Auftreten ansatzweise peinlich, aber er hat für Schalke 04 die beste Zeit begründet, die der Club seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte. Den Grundstein für den Uefa-Pokal-Sieg von 1997 hat der „Sonnenkönigin“ gelegt. Ursula von der Leyens Bilanz ist verheerend. Unter ihr leidet die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft, aber wächst ihre eigene Machtfülle. Über Eichberg mag man schmunzeln, vor von der Leyen lohnt es, sich zu gruseln.

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