Tichys Einblick
Union nach 10 Jahren aufgewacht?

Union hat 551 Fragen zu rot-grünen „NGOs“ und „Demos gegen Rechts“

Friedrich Merz, den man bisher nur mit Dackelblick auf Robert Habeck kannte, will Genaueres zu Vereinen und gGmbHs wissen, die mit Steuergeld Parteipolitik machen – etwa bei „Demos gegen Rechts“. Die getroffenen Hunde bellen prompt zurück.

picture alliance / Jochen Tack | Jochen Tack

Man könnte sich wünschen, dass die neue deutsche Regierung ähnlich vorgehen wird wie Donald Trump und Elon Musk in den USA. Aber das wird vermutlich nicht passieren. Unter Trumps Führung müssen derzeit zehntausende Bundesbedienstete ihren Hut nehmen, weil nicht klar ist, was sie für das Land leisten. Zugleich konnten hunderte Millionen Dollar aus dem Bundeshaushalt gestrichen werden, etwa im Erziehungsministerium oder bei USAID. Und das hat wiederum Einschnitte bei NGOs weltweit zur Folge, die ihrerseits Stellen streichen müssen, weil die US-Mittel ausbleiben. Derweil stellen Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und die Unionsfraktion im Deutschen Bundestag hunderte Fragen an die scheidende Regierung aus SPD und Grünen.

NGOs und ihre Verstrickungen mit Regierungen und Staatshaushalten sind schon länger ein Brennpunkt des Interesses für andere Oppositionsparteien, gelten sie doch als probates Mittel, um mit Staatsgeldern „zivile“ Hilfstruppen anzuheuern, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit für die stets links-grünen Zwecke demonstrieren, protestieren, öffentlich Einspruch einlegen können. So durchforsten Fraktionsmitarbeiter der AfD seit Jahren den Dschungel der Organisationen, die sich oft gegenseitig finanzieren. Aber letztlich muss das Geld von außerhalb des Systems kommen. Und dann kommen eigentlich nur zwei Quellen in Frage, nämlich neben den Privatschatullen mildtätiger Spender die Staatshaushalte. Genau diese Verquickung macht es so schwierig, diesen modernen Augiasstall auszumisten.

Die Fraktionsvize Beatrix von Storch (AfD) hat gar eine eigene Recherche zu Black Rock veröffentlicht. Es fällt auf, wie aufmerksam Friedrich Merz immer dann zuhört, wenn etwa ein Habeck über die „Notwendigkeiten“ der aktuellen Politik schwadroniert, die Habeck auch noch aus einer Position der absoluten Schwächung der Grünen heraus vorgeben zu können glaubt. Und nun springt ausgerechnet die Merz-Union auch auf diesen – lange von der AfD besetzten, wo nicht gezimmerten – Karren auf, aufgescheucht durch die großen Demonstrationen „gegen Rechts“ kurz vor den Wahlen, die sich auch und diesmal fast vor allem gegen die CDU richteten.

„Omas gegen Rechts“ besonders umstritten

In 551 Fragen (hier nachzulesen) verlangen CDU und CSU Aufklärung über zahlreiche Organisationen, die sich in den vergangenen Jahren im Dunstkreis der Politik und meist linker, grüner Parteien etabliert haben. Es geht dabei laut Titel der Anfrage um die „politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen“, und es geht dabei um das Verhältnis von öffentlicher Finanzierung, steuerlich begünstigter Gemeinnützigkeit und politischem Engagement. Die jüngsten „Proteste gegen die CDU Deutschlands“ werfen demnach „die Frage auf, inwiefern sich gemeinnützige Vereine, die zusätzlich noch mit Steuergeldern gefördert werden, parteipolitisch betätigen dürfen, ohne ihren Gemeinnützigkeitsstatus zu gefährden“. Laut Abgabenordnung ist eine Körperschaft nur dann gemeinnützig, wenn sie „gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt“. Parteipolitisches Engagement, gar eine „gezielte parteipolitische Einflussnahme“ vor einer Wahl widersprechen diesem Status, so die Sicht der Union.

Genau solches hatte aber die abgewählte Ampelregierung (egal ob mit oder ohne FDP) in einem Anwendungserlass legalisiert und wollte es anscheinend auch in einen Gesetzestext einfließen lassen: Auch steuerlich begünstigten Körperschaften soll es demnach erlaubt sein, „außerhalb ihrer Satzungszwecke vereinzelt zu tagespolitischen Themen“ Stellung zu nehmen.

Noch in der Vorbemerkung zu den Fragen stellen die Fragensteller fest, dass der Verein „Omas gegen Rechts“ ein „besonders umstrittenes Beispiel“ sei, der sogar Fördermittel aus dem Programm „Demokratie leben!“ des Familienministeriums erhalte. Friedrich Merz und der CDU fällt nun also endlich auf, dass das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ seinen Zweck verfehlt, wenn es solche einseitig orientierten Vereine durch Steuergeld unterstützt. Seit 2014 gibt es dabei keine Demokratieklausel mehr für geförderte Gruppen. Merkel ließ die SPD machen. Das heißt, auch linksextremistische Gruppierungen können von staatlichen Fördergeldern profitieren, um Stimmung „gegen Rechts“ zu machen – etwa in den Demonstrationen vor der Wahl.

Daneben ist die Rede von den NGOs als „Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibt“. Die Union sieht ein „Spannungsverhältnis“, wo linke NGOs aus verschiedenen Ministerien finanziert werden. Der Eingriff der NGOs in die politische Meinungsbildung könnte demnach ein „Verstoß gegen die demokratische Grundordnung“ sein. Konkret genannt wird hier neben den „Omas gegen Rechts“ auch der (einstige) Umweltschutzverband BUND.

Correctiv und die parteipolitische Neutralität

Auch zum sogenannten Recherchenetzwerk Correctiv gibt es etwa zwei Seiten Fragen, ebenso zur linksgrünen Kampagnen-Organisation Campact, der globalisierungskritischen Organisation Attac, zur Amadeu-Antonio-Stiftung oder auch Agora Energiewende, deren Verknüpfungen zum grünen Wirtschaftsministerium wie zu den Grünen insgesamt besonders bekannt wurden. Auch der Verein Neue deutsche Medienmacher*innen, dem lange die Laschet-Intima und heutige Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman vorstand, gerät in einigen Fragen ins Visier der Union.

Gefragt wird immer wieder, wie sich die angeblich „gemeinnützigen Tätigkeiten“ der Organisationen von „parteipolitischer Einflussnahme“ abgrenzen. Dann auch: „Gibt es Fälle, in denen die CORRECTIV gGmbH explizit für oder gegen eine Partei geworben hat?“ Oder auch: „Gibt es Belege dafür, dass die CORRECTIV gGmbH einseitige Narrative in politischen Debatten fördert, und wenn ja, welche?“ – „Welche Unterschiede bestehen zwischen der CORRECTIV gGmbH und klassischen Wohltätigkeitsorganisationen wie dem Roten Kreuz oder den Tafeln?“ Die Antworten sollten bei Correctiv nicht schwerfallen.

Weitere Fragen, hier nur in Auswahl, lauten:

Merkwürdig an der Anfrage ist allenfalls, dass die Union immer wieder nach Kooperationen der genannten NGOs ausgerechnet mit der Desiderius-Erasmus-Stiftung fragt – also der Stiftung, die der AfD nahesteht, ohne doch von den gleichen finanziellen Vorteilen zu profitieren wie die anderen parteinahen Stiftungen. Die Erasmus-Stiftung steht hier in einer Reihe mit der Friedrich-Ebert-, der Heinrich-Böll- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Das soll vielleicht eine besonders raffinierte Stichelei der Union sein, aber gegen wen eigentlich? Oder glaubt man, dass hier eine Art Hufeisen-Strategie auch von der AfD befördert wird, bei der man die Union zwischen vermeintlich „Links“ und vermeintlich „Rechts“ zerreiben will? Die eigenen parteinahen Stiftungen von CDU und CSU verdächtigt man dagegen nicht der Verstrickung in NGO-Dinge. Genauso ausgespart bleibt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung.

NGOs zeigen Nerven

Die getroffenen Hunde bellen sogleich und zuverlässig auf. Die NGOs und ihr parteipolitisches Umfeld derweil zeigen Nerven. So ist von Attac zu hören: „Der zu befürchtende Großangriff auf die emanzipatorische Zivilgesellschaft unter einer Regierung Merz hat begonnen.“ Der „Einsatz für soziale Gerechtigkeit und der Kampf gegen rechts“ seien der Union offenbar ein Dorn im Auge. Man muss hier kurz fragen: Einsatz für soziale Gerechtigkeit? Wodurch, durch Massenmigration und Asylindustrie, durch Energieabgaben und Benzin-Steuern?

Campact, einer der Großen in diesem Markt und eine Tarnorganisation aus dem grünen Vorfeld, wehrt sich derweil gegen die angebliche „Zensur durch die CDU“. „Finger weg von den NGOs“ heißt es da. Dabei könnte man eher den NGOs zurufen: Finger weg von Staatsgeld und politischen Kampagnen, wenn man sich als „gemeinnützig“ verkaufen will. Man ist entsetzt bei Campact: „Die CDU überprüft nicht NGOs allgemein, sondern vor allem jene, die sich gegen Rechtsextremismus, für Klimaschutz oder für Demokratiearbeit engagieren.“ Wird die CDU jetzt also dem grünen Geist untreu? Emanzipiert sich Merz von Habeck, Baerbock, Kellner und seinen anderen Trinkgenossen, kurz vor streitigen Abstimmungen im Bundestag?

Der Grüne Sven Giegold findet „diese Fragenkanonade gegen unliebsame progressive Organisationen“ sogar „übergriffig“. Er befürchtet, eine „Abschussliste“ zu lesen. Merz, Dobrindt & Co fühlten sich „nach ihren AfD-Tabubrüchen ertappt“, so Giegold. Was er damit aber nur zeigt, ist, wie sehr er sich auch persönlich von den Fragen gemeint und ertappt fühlt. Der Parteipolitiker Giegold, früher Staatssekretär und EU-Abgeordneter, will nämlich auch und immer noch „die Zivilgesellschaft“ sein. La Zivilgesellschaft, c’est moi!

Ministerialapparat missbraucht – nur von wem?

Giegold war einst Mitgründer von Attac Deutschland und ist heute immer noch Vizechef seiner Partei. Auf X schwadroniert er: „Der Ministerialapparat wird missbraucht, um die Zivilgesellschaft auszuforschen. Es ist nicht Aufgabe von Beamten zu kontrollieren, zu welchen Protesten Organisationen aufzurufen.“ Das dreht – wie immer in diesen Kreisen – die Logik um. Denn zunächst sind es ja diese angeblichen „NGOs“, die staatliche gewährte Vorteile (gGmbH) und Mittelzuweisungen erwarten, um überhaupt existieren zu können. Giegold spinnt seinen Gedankengang derweil bis zu Viktor Orbán weiter, an den ihn die gezeigten Methoden der Union erinnern: „CDU und CSU kopieren die Methoden vieler rechter Parteien international, um die kritische Zivilgesellschaft einzuschüchtern.“

Auch aus der Fraktion der Linkspartei kam Kritik an diesem angeblich „beispiellosen Angriff“. Die Union räche sich mit dieser parlamentarischen Anfrage „für die antifaschistischen Proteste der letzten Wochen“ und starte zugleich einen „beispiellosen Angriff auf die demokratische Zivilgesellschaft“. Die Linkspartei ist es, die bei den jüngsten Wahlen in Teilen das Erbe der Grünen angetreten hat und für die Verewigung des NGO-Staats eintritt. Im NGO-Bundesland Berlin hat sie so die Stimmenmehrheit gewonnen, mit zum Teil sehr zweifelhaften Kandidaten.

Die Unionsfragen machen immerhin deutlich, dass es viele offene Fragen zum angeblich demokratieförderlichen Umfeld der amtierenden Bundesregierung gibt. Ob die Union daraus Handlungen machen wird, erscheint seinerseits sehr fraglich. Denn man will ja ausgerechnet mit jenen beiden Parteien regieren, die das NGO-Vorfeld über Jahre hingebungsvoll angelegt haben.

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