Tichys Einblick
Neues von der Agora

Staat schüttete 2023 fast 4 Millionen Euro an die Agora-Netzwerke aus

Mit der Affäre um Patrick Graichen rückten der Think-Tank Agora Energiewende und seine Schwesternorganisationen ins Licht der Öffentlichkeit. Im Jahr 2023 schüttete der Staat fast 4 Millionen Euro an die Netzwerke aus. Verena Graichen, die Schwester des Ex-Staatssekretärs, steigt derweil die Karriereleiter auf.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Ganz Deutschland diskutiert seit den 551 Fragen der CDU/CSU an die Bundesregierung über die Bedeutung und Finanzierung von NGOs. Eine davon ist TE-Lesern besonders gut bekannt: die Agora Energiewende. Deren einstiger Direktor Patrick Graichen war Robert Habecks rechte Hand im Bundeswirtschaftsministerium, bevor der Staatssekretär über die sogenannte Trauzeugen-Affäre fiel.

Doch diese Affäre war in Wirklichkeit nur eine Petitesse gegen das wahre Ausmaß der Lobbyarbeit, die das Agora-Netzwerk betrieb. Gleich mehrere Staatssekretäre der Bundesregierung – ob Schwarz-Rot oder Rot-Grün-Gelb – waren über die Agora-Räte direkt mit der Denkfabrik verwunden. Schöpfer der Agora Energiewende war Rainer Baake, der als Pate der Energiewende fungierte und als Staatssekretär unter Gerhard Schröder und Angela Merkel agierte – mal im Umweltministerium, mal im Wirtschaftsministerium.

Baake war es auch, der unter dem damaligen Umweltminister Jürgen Trittin zahlreiche Vertrauensleute an Bord holte, die später wichtige Funktionen in der Exekutive und in der „Zivilgesellschaft“ übernahmen – etwa Jochen Flasbarth, Präsident des NABU, oder Patrick Graichen, der als persönlicher Referent Baakes begann. Flasbarth war Mitbegründer des autofeindlichen Verkehrsclub Deutschland (VCD), dessen Bundesvorsitzender Rainer Graichen war – der Vater des Ex-Staatssekretärs. Baake wiederum war zwischenzeitlich Co-Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die mit dem VCD verbündet ist; beide sind im europäischen Dachverband Transport & Environment (T&E) organisiert und traten bei vielen Kampagnen gemeinsam auf.

Nicht nur, dass DUH und Agora öffentliche Gelder von jenen Ministerien enthielten, wo Agora-Aushängeschilder unterwegs waren; beide waren an Arbeitsgruppen beteiligt und dachten Energiewende bzw. grüne Transformation vor und begleiteten sie. Der Rückbau des Gasnetzes und das Heizungsgesetz, das Graichen vorantrieb, waren zuvor in der Agora-Denkfabrik gereift. Als Staatssekretär im Umweltministerium hatte Flasbarth den Klimabericht mitgeschrieben, der ein Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2030 in Aussicht stellte. Das war 2016, bei der Gründung der Agora Verkehrswende, und damit 6 Jahre, bevor die Europäische Union Schritte in diese Richtung unternahm.

Graichen mag von der Bildfläche verschwunden, und einen Posten im Aufsichtsrat eines ukrainischen Stromnetzbetreibers übernommen haben. Das Netzwerk ist jedoch weiterhin quicklebendig, da der Hydra nur ein Kopf abgeschlagen wurde. Es profitiert dabei nicht nur die Agora Energiewende, sondern auch ihre Schwestern, nämlich die Agora Verkehrswende und die Agora Industrie. Agora Agrar hat nach eigenen Angaben nur private Zuwendungen erhalten. Hier die Auflistung:

Agora Energiewende: 2.395.180,84 Euro

Agora Verkehrswende: 756.214,47 Euro

Agora Industrie: 764.645,09 Euro

Insgesamt: 3.916.040,40 Euro

Demnach flossen rund 4 Millionen Euro insgesamt an alle Agora-Schwestern – und das im Jahr der Graichen-Affäre. Einziger Geldgeber der Verkehrswende war dabei das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) unter Robert Habeck. Die Gelder von Agora Industrie stammten von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und dem Forschungszentrum Jülich.

Die Agora Energiewende als Herz der Gruppe erhielt Zuwendungen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Geschäftsbereich des BMWK), von der Zukunft-Umwelt-Gesellschaft gGmbH (Bundesumweltministerium), von der GIZ, und in sehr kleinem Umfang vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Die rund 125.000 Euro der Kommunalkredit Public Consulting (KPC) GmbH sind zwar öffentliche Gelder, aber keine deutschen Steuergelder – die KPC befindet sich zu 90 Prozent im Besitz der österreichischen Kommunalkredit Austria.

Wichtig bleibt zu bemerken: Trotz der staatlichen Zuwendungen lebt die Agora weiterhin stark vom Stiftungswesen. Hier kamen rund 9 Millionen Euro allein für die Agora Energiewende zusammen – mehr als doppelt so viel, wie alle Agora Institute aus Staatshand erhalten. Ebenfalls vier Millionen Euro gingen an Agora Industrie, 2,4 Millionen an die Agora Verkehrswende. Neben den bekannten Klimastiftungen – Mercator, ClimateWorks Foundation, European Climate Foundation, Climate Imperative Foundation – tut sich seit einiger Zeit das Aspen Global Change Institute hervor. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Mario Mieruch hat gegenüber TE kürzlich hervorgehoben, dass die neue Trump-Vance-Regierung aber diesem Spuk bald einen Riegel vorschieben könnte.

Bekanntlich fiel Graichen aber am Ende nicht über die angebliche „Trauzeugen“-Affäre und auch nicht über das Lobby-Netzwerk – sondern über seine möglichen verwandtschaftlichen Vergütungen. So hatte das BMWK Gelder an den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ausgeschüttet. Dort war Verena Graichen, die Schwester von Patrick Graichen, stellvertretende Bundesgeschäftsführerin. Ein Interessenkonflikt, den selbst Habeck anerkennen musste, und zum eigentlichen Entfernungsgrund wurde.

Bekanntlich war Graichen nicht nur über politische Bekannte und NGO-Netzwerke gut verdrahtet. Auch die direkte Sippschaft hatte Verbindungen – nicht nur im BUND, sondern auch im Öko-Institut, wo sein Bruder Jakob und seine Schwester Verena engagiert sind. Nicht nur beim ehemaligen Agora-Direktor gibt es aber Veränderungen. Auch die Schwester steigt auf der NGO-Leiter auf. Sie ist seit ein paar Tagen offizielle Geschäftsführerin beim BUND. Alles läuft wie gehabt.

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