So schnell geht es dahin mit den zentralen Wahlversprechen von Friedrich Merz: Bei der Abschlusskundgebung im Münchner Löwenbräukeller am 22. Februar 2025 äußerten sich Friedrich Merz und Markus Söder auch zur Schuldenbremse. Merz betonte die Notwendigkeit fiskalischer Disziplin. Er machte deutlich, dass er an der Schuldenbremse als Grundprinzip festhalten will, da sie für ihn ein Symbol wirtschaftlicher Stabilität ist. In seiner Rede sprach er davon, dass Deutschland „wieder auf die Beine kommen“ müsse und dass dies nur mit einer soliden Haushaltspolitik möglich sei.
Konkrete Reformvorschläge zur Schuldenbremse nannte er nicht explizit, aber er deutete an, dass eine Unions-geführte Regierung sparsam wirtschaften und Investitionen gezielt aus bestehenden Mitteln finanzieren wolle, anstatt neue Schulden aufzunehmen. Seine Kritik richtete sich vor allem gegen die Ausgabenpolitik der Ampel-Koalition, die er als verschwenderisch bezeichnete: „Wir werden das Geld der Bürger nicht zum Fenster hinauswerfen.“ Wer erwartet da, dass zwei Tage später die Schuldenbremse zu Gunsten unbegrenzter Verschuldung wegfallen könnte?
Auch Markus Söder lobte die finanzpolitische Zurückhaltung als Teil der unionspolitischen DNA und sagte sinngemäß, dass man „nicht über seine Verhältnisse leben“ dürfe – weder im privaten Haushalt noch im Staat.
Und noch am 1. Dezember war die Union strikt für die Einhaltung der Schuldenbremse. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei sagte mit Blick auf die SPD mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der wiederholt für eine Reform geworben hat, in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“: „Immer wenn die SPD vor einer Herausforderung steht, dann schlägt sie vor, die Schuldenbremse zu schleifen. Und das machen wir nicht mit, weil das eine Politik auf Kosten zukünftiger Generationen wäre.“
Das alles war: vor der Wahl.
Am Tag nach der Wahl ist jetzt plötzlich alles Verhandlungssache. Die Schuldenbremse? Plötzlich „nicht abgeschlossen“. Ein Sondervermögen für die Ukraine? Plötzlich möglich. Und all das soll nicht etwa im neuen Bundestag diskutiert werden, sondern in einer panischen Hauruck-Aktion vom scheidenden Parlament durchgeboxt werden – bevor der Wähler realisiert, was gespielt wird. Und es soll ganz schnell gehen.
Die Begründung für diesen atemberaubenden Kurswechsel ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Weil der neue Bundestag eine sogenannte Sperrminorität von AfD und Linken hat, wolle man lieber jetzt noch schnell handeln, bevor es zu spät sei. Merz fürchtet offenbar, dass es nach der Konstituierung des neuen Bundestags nicht mehr so einfach sein wird, Milliarden in den Abgrund zu werfen. Deshalb hofft er nun auf eine Notoperation durch die Hintertür – mit tatkräftiger Unterstützung von SPD und Grünen, die ihre Chance wittern, das größte Haushaltsdesaster seit Jahrzehnten in ein neues, endlos sprudelndes Kreditfass umzuwandeln.
Erinnern wir uns: Die Ampel-Regierung scheiterte genau an diesem Punkt. Olaf Scholz wollte unbegrenzt Schulden machen, Christian Lindner sträubte sich – wenigstens halbherzig – dagegen. Nun aber rücken Merz, Habeck, Scholz und Baerbock zusammen und versuchen, unter Umgehung des Wählerwillens eine Grundgesetzänderung durchzudrücken, die den deutschen Haushalt dauerhaft in ein Fass ohne Boden verwandeln könnte.
Friedrich Merz, der sich einst als Bollwerk gegen die fiskalische Verantwortungslosigkeit der Linken inszenierte, gibt nun im ersten Moment der Macht seine Prinzipien auf. Er, der dem Wähler noch am Wahlabend versprach, finanzielle Stabilität zu wahren, geht nur einen Tag später in die Gespräche mit genau jenen Parteien, die Deutschland in eine Schuldenkrise geführt haben. Statt Einsparungen, statt Prioritätensetzung, statt kluger Haushaltsführung soll nun die Notbremse einfach abgeschafft werden – mit dem Argument, dass es ja sonst zu kompliziert werde. Merz kungelt mit den Wahlverlierern SPD und Grünen – man wundert sich: Warum hat man diese Parteien abgewählt, wenn Merz sie schon am Tag nach der Wahl ins Boot holt?
Noch vor wenigen Tagen konnte Merz nicht oft genug betonen, dass der Staat „mit dem Geld auskommen muss, das die Steuerzahler zahlen“. Jetzt ist das keine 24 Stunden nach der Wahl offenbar schon vergessen. Denn die Realität ist: Während seine Wähler noch in der Wahlkabine dachten, sie hätten für Stabilität gestimmt, feilscht er bereits mit der politischen Linken über neue Milliardenkredite.
Was passiert hier gerade? Ein CDU-Vorsitzender, der sich mit grün-sozialistischen Ideen von gestern gemein macht, nur um dem neuen Bundestag auszuweichen. Eine Schuldenbremse, die eben noch als unverhandelbar galt, wird nun im Eiltempo aufgeweicht, weil SPD und Grüne nichts anderes akzeptieren für vorweggenommene Koalitionsverhandlungen. Und ein Friedrich Merz, der sich als Kanzlerkandidat nicht einmal 24 Stunden nach der Wahl noch an sein eigenes Wort hält. Das ist kein konservativer Politikstil, das ist der Totalausverkauf der letzten Reste bürgerlicher Vernunft.
Wenn Merz hier einknickt, ist klar: Es wird nicht bei der Schuldenbremse bleiben. Das nächste große Opfer? Die bereits angedeutete Erhöhung der Steuern. Schließlich müssen die neuen Schulden irgendwann irgendwie gedeckt werden – und am Ende sind es immer die Bürger, die zahlen. Diese Wahl hätte eine Wende bringen können, doch Merz zeigt, dass alles weitergeht wie bisher – nur mit einem neuen Gesicht an der Spitze. Und wer das noch für „bürgerliche Politik“ hält, glaubt vermutlich auch noch an den Weihnachtsmann.
Wenn die Schuldenaufnahme zur Aufrüstung einzelstaatlich erfolgen würde, wären höhere Inflation und der Verfall des Euro die Folge, warnte noch eine Woche vor der Wahl das Flossbach von Storch-Researchinstitut. Ein Muster für diese Entwicklung wäre die Schulden-Finanzierung des Vietnamkriegs in den USA von Mitte der sechziger bis in die siebziger Jahre: Ein stetiger Verfall des Dollars und massive Inflation waren die Folge. Beides drohe auch dem Euro. „Ob die Währungsunion langfristig den Verfall des Euro überleben könnte, ist ebenfalls zweifelhaft“, so Flossbach von Storch-Chefvolkswirt Thomas Mayer. Denn ohne den bisherigen Stabiltitätsanker Deutschland ist der Euro nur die Währung einer Schuldenunion, der kaum jemand Vertrauen schenken kann.
Während die Grünen schon Zustimmung signalisierten, sind auch die Linken auf Schuldenkurs. Allerdings fordern sie Investitionen in die „Soziale Infrastruktur“, so Parteichefin Ines Schwerdtner. Ein neuer Haufen Schulden kommt eben nicht allein. Auf jede Schuld wird eine neue draufgepackt, Schulden machen geht einfacher als sparen. Die Linke stimmt daher den Aufrüstungsplänen von Merz zu, wenn beispielsweise das Bürgergeld weiter erhöht und die Einwanderung weiter erleichtert wird, heißt das im Klartext. Um solche Mechanismen zu unterbinden, wurde die Schuldenbremse eingeführt – Politiker denken kurzfristig und wie ein Junkie lieben sie den Rausch der Schulden. Und auch die Grünen, gerade gescheitert, sind schon wieder mit im Regierungsboot von Friedrich Merz und ziehen das Steuer auf links.
Scholz plötzlich solide?
Bundeskanzler Olaf Scholz, bis dato ein Gegner der Schuldenbremse, reagierte zurückhaltend auf eine schnelle Reform der Schuldenbremse. Wenn, dann müsse sich ein solcher Vorstoß aus Kontakten zwischen Union und SPD ergeben, sagte er. „Alles andere macht gar keinen Sinn und deshalb will ich da nicht vorgreifen.“ Bisher habe es keinen Kontakt gegeben.
Sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man in dem Zusammenhang „alles Mögliche erörtern, mit größter Vorsicht selbstverständlich“. Auch die SPD fordert also einen Preis für ihre Zustimmung: noch mehr Schulden. Es sei selten, aber nicht unmöglich, dass der alte Bundestag nach einer Bundestagswahl noch einmal zusammenkomme, so der SPD-Politiker.
In jedem Fall wäre es ein Schlag ins Gesicht der Wähler: Gegen ihren erklärten Willen wird vom alten Bundestag noch das Grundgesetz geändert. Mehr Wählerbetrug war noch nie – und ein schnellerer auch nicht.