Tichys Einblick
Grüne Welten im Parallel-Lauf

Polizei unter dem Kopftuch: Berliner Grüne fordert Aufhebung des Neutralitätsgebots

Die (Anti-)Diskriminierungssprecherin der Berliner Grünen will das Kopftuch für alle Staatsbeamten erlauben, also auch für Polizistinnen und Richterinnen. Das Neutralitätsgebot soll ganz fallen, nachdem bekopftuchte Lehrerinnen schon seit 2023 in der Hauptstadt unterrichten dürfen.

Tuba Bozkurt (Grüne), Abgeordnetenhaus Berlin, Deutschland, 30.01.2025

IMAGO / dts Nachrichtenagentur

In Berlin haben 15.000 Personen eine Petition unterschrieben, die spezielle U-Bahn-Abteile für sogenannte Flinta-Personen einfordert. Mit dem Akronym FLINTA (gerne auch mit „inklusivem“ Genderstern versehen) sind gemeint: Frauen, Lesben, intersexuelle (zwischengeschlechtliche), nichtbinäre, Transgender- und Agender-Personen. Diese Gruppen – so überlappend und grundsätzlich verschieden sie auch sind – sollen in Trams und U-Bahnen vor männlichen Übergriffen geschützt werden, heißt es. Der Einmann hat wieder zugeschlagen. Der Nahverkehr wird aufgespalten. Aber auf dem Bahnsteig wird man sich auch weiter begegnen.

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Zur gleichen Zeit kommt nun eine grüne Gerechtigkeitsspezialistin mit einem anderen Vorschlag an. Tuba Bozkurt setzt sich laut eigener Website „gegen Diskriminierung und für eine sozial-ökologische Wirtschaftspolitik“ ein, was auch immer das sein mag. Gewählt wurde sie im schon stark transformierten und durchaus von Wellen von Gewaltkriminalität geprägten Stadtteil Gesundbrunnen. Zudem ist sie Sprecherin für Industrie und Digitalwirtschaft sowie Antidiskriminierung im Abgeordnetenhaus.

Bozkurt hat schon einmal Originalität gezeigt, als sie nach dem Polizistenmord von Mannheim die Rede der Innensenatorin Iris Spranger (SPD) mit der grotesken Frage unterbrach: „Mannheim ist tot?“ Spranger hatte das vielleicht etwas ungeschickt formuliert, aber das Gelächter aus der Grünen-Fraktion war an dieser Stelle nur unangebracht, ja skandalös. Bozkurt setzt sich scheinbar gegen Diskriminierung ein. Gegenüber der Gewalt von religiösen Extremisten und Terroristen bleibt sie aber nicht einmal sprachlos – sondern zeigt Neigung, darüber zu lachen.

Das Neutralitätsgebot – nicht das erste unserer Gesetze ohne Geltung

Nun geht es Bozkurt um die Berliner Polizei, die sie – so kann man es wohl nur sagen – dem Islam ein Stück weit mehr öffnen möchte. Frauen sollen auch mit Kopftuch Dienst als Beamtinnen tun können. Die Grüne möchte das Neutralitätsgebot in Berlin gänzlich zu Fall bringen. Für Lehrer und Lehrerinnen gilt es nach einigen Klagen schon nicht mehr. 2023 verschickte die Bildungsverwaltung ein Rundschreiben. Dem Schreiben zufolge war es da schon vorbei mit der „bisherigen wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes“.

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Das Gesetz existiert zwar noch, wurde aber von Richtern so eingeschränkt, dass es eigentlich nicht mehr gilt. Die Justiz korrigiert hier die Legislative. Man gibt sich emanzipiert gegenüber dem Gesetzestext, den man nicht mehr „wortgetreu“ anwenden will – also vielleicht dem Geist nach oder gemäß einer wie auch immer spitzfindigen Deutung? Nein, das Adjektiv „wortgetreu“ ist hier nur Wortgeklingel. Das Neutralitätsgebot für Berliner Lehrer ist vor zwei Jahren gefallen, ohne dass das größeres Aufsehen erregt hätte.

Dass man so freilich ein Klima an vielen Schulen bestärkt, in dem ohnehin der Islam immer mehr Raum gewinnt, ist klar. Schulkinder belehren schon heute ihre nicht-muslimischen Lehrer über die Feinheiten des Islams, etwa mit der Behauptung, dass auch Jesus Muslim gewesen sei. Zu diesen Kindern passt die Lehrerin mit dem Kopftuch – für anders- oder nichtgläubige Mitschüler erhöht sie den Konversionsdruck. „Das Tragen religiös geprägter Kleidungsstücke und Symbole“ kann angeblich nur dann untersagt werden, so der Senat, wenn sich „konkret die Gefährdung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität“ abzeichne. Das ist seit zwei Jahren Berliner Politik, und die Gefährdung sieht man offenbar noch nicht.

Grüne Welten im Parallel-Lauf

Und nun also sollen Polizisten und Richterinnen mit Kopftuch kommen. Das ist der neue Schritt, den die Grünen mit ihrer Diskriminierungssprecherin Tuba Bozkurt einfordern. Und es sind in der Tat merkwürdige Szenen, die sich dann vor dem inneren Auge einstellen. Als nächstes kommen dann offizielle Friedensrichter, die zuerst innerhalb der muslimischen Bevölkerung nach Scharia-Recht urteilen. Es gibt sie freilich schon, unter der Hand. In Großbritannien hat man Erfahrung mit dieser Art parallelem Straf- und Rechtssystem, auf das sich auch die dortige Polizei immer mehr stützt.

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„Hoch qualifizierte Frauen dürfen ihren Beruf nicht ausüben, weil sie ein Kopftuch tragen“, erklärt Bozkurt gegenüber dem Berliner Tagesspiegel, und das sei „ein Problem“. In Wahrheit sei das nämlich ein „faktisches Berufsverbot“. Und Fach- wie Arbeitskräftemangel gebe es ja auch noch. In anderen Ländern übt die Gesellschaft einen milden Druck in Richtung Anpassung auf die Zuwanderer aus. In Grün-Berlin will man stattdessen die Gesellschaft so umformen, dass die neu Hinzugekommenen keine Änderung ihres Lebensstils hinnehmen müssen. Das Kalifat soll machbar sein, könnte man nun salopp behaupten.

Bozkurt glaubt: „Wir können einem Teil der Gesellschaft nicht dauerhaft signalisieren, sie gehörten nicht dazu, ihre Realitäten hätten keine Bedeutung und dann darauf vertrauen, dass daraus Gemeinschaftlichkeit erwächst.“ Es brauche eine „offene Gesellschaft“, in der „Unterschiedlichkeiten akzeptiert“ würden. Aber so geraten die „Realitäten“ der bisherigen Mehrheitsgesellschaft ins Wanken und verlieren immer mehr an Bedeutung.

Befürchtungen, die nicht immer geäußert werden

Es geht eigentlich um ein Mindestmaß an Anpassung. Doch die Grünen sind auf dem besten Weg, das Salatschüssel-Modell des Zusammenlebens zu etablieren, das im Gegensatz zum klassischen Schmelztiegel-Modell – wie in den USA vom 19. Jahrhundert bis in die Jetztzeit hinein – steht. Parallelgesellschaften sollen nebeneinander her existieren und sich den Kuchen der öffentlichen Sphäre aufteilen. Dort müssten sich dann bald auch die Turbane der Sikhs oberhalb der Polizeiuniform oder der Richterrobe finden. Aber mit dem Staatsverständnis der alten Bundesrepublik hätte das nicht mehr viel zu tun.

Die Frage ist dann auch, ob man in muslimischen Vierteln Polizisten mit Kippa oder ostentativ getragenem Kreuz noch akzeptieren würde. Darauf hat der innenpolitische Sprecher der CDU im Stadtstaatparlament Burkhard Dräger hingewiesen: „Man stelle sich vor, dass Berliner Polizeibeamte mit Kippa oder Kreuz in Neukölln hoheitliche Maßnahmen auslösen gegenüber migrantischen Jugendlichen aus einer muslimischen Umgebung.“ Die ausgeprägten Bärte häufen sich allerdings schon heute in der Polizei der Bundeshauptstadt.

Dräger befürchtet hier etwas, zu dem er sich nur hier und indirekt, aber nicht in anderem Kontext äußert, wo es eigentlich dringlicher wäre. Denn klar ist ja, dass die Akzeptanz der Polizei in manchen Vierteln schon jetzt ziemlich unterdurchschnittlich ist. Neukölln ist – wie man weiß – nur der Anfang.

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