Kommt jetzt der Ernstfall? An diesem Freitag will die Union ihren Worten – aus den beiden unverbindlichen Entschließungsanträgen vom Mittwoch – wirkliche Taten folgen lassen. Ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ soll einige der Vorschläge umgehend, vielleicht noch vor der Bundestagswahl, zum Recht erheben. Und es wäre nach Mittwoch nicht logisch und plausibel, ja, es wäre nicht zu rechtfertigen, dass die Union bei der Abstimmung zum Gesetz auf die Stimmen der AfD verzichtet, die ihr für die vorbereitenden Anträge recht waren. Die Brandmauer kann es also auch an diesem Freitag nicht geben, und die AfD hat schon gesagt, dass sie dem Gesetz zustimmen will. Laut dem parlamentarischen Geschäftsführer Bernd Baumann ist das Vorhaben „klar auf unserer Linie“.
Schon jammert auch der Bayerische Rundfunk, anscheinend ganz CSU-frei, die kommende Abstimmung sei ein „mehrfacher Präzedenzfall“. Erstens gäbe es ein von der Opposition gegen die Regierung beschlossenes Gesetz, also eine Art wechselnde Mehrheiten, auch wenn die FDP ja jüngst auf die andere Seite gewechselt ist, und so die Opposition vergrößerte. Aber als ob das nicht furchtbar genug wäre, soll die Sache auch noch einen „Tabubruch“ (so der BR) bedeuten. Aber der war doch gerade erst am Mittwoch gewesen, dachte man. Nun kommt also der nächste, immer aus Sicht der woken Medien. Und Robert Habeck hat ausnahmsweise einmal etwas Richtiges feststellen können: Wenn Merz es am Mittwoch getan hat, warum sollte er es eigentlich am Freitag nicht wieder tun? Darauf gibt es aber vielleicht doch mehr als eine richtige Antwort. Denn Merz ist bisher als sehr unsicherer Kantonist bekannt, vor allem wenn linke grüne Woke etwas gegen seine einmal geäußerten Positionen haben.
Bezogen auf die Migrationspolitik wäre es eine Antwort auf einige Probleme. Zum Beispiel will inzwischen die Mehrheit der Bürger eine Änderung der Asyl- und Grenzpolitik – aber mit Rot und Grün war das bisher nicht zu machen. Wenn Merz sich aus der Umklammerung der beiden Parteien lösen könnte, stünde der Weg offen für neue Mehrheiten, die es längst in vielen europäischen Ländern gibt. Schweden ist das vorsichtigste Beispiel, das vielleicht am ehesten zur Nachahmung geeignet wäre. Aber dafür müsste sich Deutschland auf die Idee einer Minderheitsregierung mit Tolerierung einlassen.
CDU-Frei war zufrieden, als es bei Lanz gegen Grenzschutz ging
Am Freitag wird es also um den Familiennachzug gehen, beziehungsweise darum, dass er für Zuwanderer mit bedingtem subsidiärem Schutz (vorerst) beendet werden soll. Das wäre durchaus ein logischer Schritt, weil dieser Aufenthaltsstatus sich nur der Kulanz deutscher Behörden verdankt, die in diesen Fällen auch nicht im Ansatz ein konkretes Fluchtmotiv konstruieren konnten. Dieser Familiennachzug hat auch viel mit dem „Zustrom“ zu tun. Er soll nun auf das Niveau des Höhepunkts von 2015/16 gewachsen sein, wie auch die Berliner Zeitung weiß. Die Grünen wollen diese Entwicklung noch verschärfen, indem sie den Zuzug des familiären Anhangs von Anker-Migranten erleichtern und an dieser Stelle „bürokratische und rechtliche Hürden abbauen“.
Letztlich bleiben einige Zweifel an der CDU-Position zur illegalen Migration. Denn zwar heißt es, dass „ausnahmslos alle Versuche illegaler Einreise“ zurückgewiesen werden sollen, also im Fall eines Nicht-EU-Ausländers auch der Einreiseversuch ohne gültiges Visum. Aber man fragt sich, ob hier nicht doch wieder eine Tür aufgemacht werden soll, um die Einreise von „ein paar“ Drittstaatlern im Monat zu erlauben. Die Zufriedenheit von Thorsten Frei, als es bei Markus Lanz gegen effektiven Grenzschutz ging und von Storch erneut in die Ecke gestellt wurde, sprach da Bände.
Zudem erheben sich auch schon Stimmen gegen die Inhaftnahme von vollziehbar Ausreisepflichtigen – laut Merz mehr als 40.000 Personen – oder auch gegen den „unbefristeten Ausreisearrest“ gegen ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder. Noch zum 31. Dezember 2022 hatte aber selbst das Bamf von 304.000 vollziehbar Ausreisepflichtigen gesprochen. Die Zahl wurde im Laufe der Jahre immer kleiner gerechnet. Trotzdem sind die Kapazitäten für 40.000 neue Häftlinge wohl aktuell nicht da. Derzeit gibt es in Deutschland 44.000 Häftlinge. Daneben gibt es zehn Abschiebegefängnisse und 800 Abschiebehaftplätze. Hier stünde ein Ausbau sondergleichen bevor, der aber technisch wohl ebenso leistbar wäre wie die Grenzsicherung – wenn man ihn denn wollte.
Wie es nach der BTW weitergehen könnte
Und daran hängt im Grunde die ganze Diskussion. Nehmen wir nur an, die Union würde bei den kommenden Wahlen einen klaren Sieg erringen und sich für eine Minderheitsregierung mit freien Mehrheiten entscheiden. Sie könnte dann – gemäß einem Vorschlag, den Beatrix von Storch wiederum gestern bei Lanz machte – schlichtweg Gesetzesanträge stellen, „ohne viel darüber zu sprechen“.
Sie bekäme auch Mehrheiten mit der AfD und vielleicht der FDP. Aber dann käme ein weiterer Faktor hinzu: die Öffentlichkeit, also Medien, andere Parteien und nicht zuletzt auch Gerichte wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Der EGMR ist ein Organ nicht der EU, sondern des Europarats. In ihm haben Länder wie Aserbaidschan, Bosnien und Albanien – den Richterstellen nach – ein ebenso großes Gewicht wie Deutschland. Die Richter sind zudem ohnehin fast immer woke Wunschbesetzungen, wie sich an vielen Urteilen zeigt.
Auch in deutschen Medien wie dem Tagesspiegel werden nun die Meinungen von Rechtsprofessoren herumgereicht, wonach „ein so massiver Eingriff“ wie etwa die Abschaffung des Familiennachzugs „einen triftigen Grund“ brauche. Doch dieser Professor Constantin Hruschka von der Evangelischen Hochschule Freiburg hat offenbar die Nachrichten nicht verfolgt: Triftige Gründe gibt es genügend, doch die Messertoten haben keine Stimme mehr. Die Opfer des Mobbings an deutschen Schulen leider oft genug auch nicht. Es sind die weltfremden Perspektiven derart drittklassiger Hochschulprofessoren, die das Meinungsklima prägen und in gewisser Hinsicht vergiften.
Am Ende müsste die CDU die EU in gewisser Weise revolutionieren, um ihre Vision von Zurückweisungen an der deutschen Grenze dauerhaft umzusetzen. Sie fände vielleicht Verbündete in den Regierungen der Niederlande, Dänemarks, Schwedens, Italiens und Ungarns. Aber es gäbe sicher auch Gegner dieser Reform der Schengenzone. So lange, bis sie aufgrund des Drucks der Ereignisse und Wahlergebnisse unvermeidlich wird.
Die Unausweichlichkeit von Grenzanlagen
Merz hat sich allerdings für seine „falsche“ Mehrheit schon entschuldigt, am Mittwoch im Bundestag. Es macht also den Anschein, dass der Mann sich treu bleibt. Es ist der Schnellschuss- und Umfaller-Merz, wie man ihn kennt. Hinzu kommt das Stöckchen, das ihm Angela Merkel nun wieder hinhält, um sich die Unterstützung des linken Unionsflügels zu sichern. Und ein internes CDU-Papier sagt es laut Bild mit unveränderter Klarheit: „Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Die AfD ist ein Feind der Demokratie und wird von uns bekämpft.“
In der Neuen Zürcher Zeitung hat derweil der Politikwissenschaftler Martin Wagener erneut das bisher Unaussprechliche ausgesprochen: Grenzanlagen für Deutschland. Wollte Merz mit der Zurückweisung aller illegalen Zuwanderer Ernst machen, dann würden die Dienste auch einer noch so gut aufgestellten Bundespolizei nicht ausreichen. Es bräuchte daneben auch physische Barrieren, die den Beamten zuallererst erlauben würden, ihre Arbeit zu tun. Wagener schlägt für den Anfang den „Bau eines Sicherheitszauns an den besonders anfälligen Grenzen zu Polen, Tschechien und Österreich“ vor.
Von dieser Maßnahme verspricht er sich einen abschreckenden Effekt, der sich dann in geringeren Übertretungsversuchen zeigen würde. Anschließend, so geht es höchst ambitioniert weiter, würde „das Sperrsystem auf die komplette Grenze ausgedehnt und dann schrittweise in der Tiefe gestaffelt“. Wagener ist Professor an der Münchner Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung. Er empfiehlt die Zusammenarbeit mit Israel, Ungarn und Polen, die bisher erfolgreich im Grenzanlagenbau gewesen seien. Neue Grenztruppen, wie in Bayern formal schon vorhanden, sollen dazu kommen. Doch bevor es dazu käme, müsste Merz die Truppen in seinem Rücken besiegen – also mindestens Rot, Grün und Merkel, drei Drachen, würdig eines neuen Sankt Georg.