Tichys Einblick
Aufweichen der Schuldenbremse

Grüne wollen Geld für Nichtregierungsorganisationen in Verfassung verankern

Eigentlich wollen Union und SPD dieser Tage über die nächste “große Koalition” verhandeln. Doch zuerst müssen sie die Grünen davon überzeugen, dem Aufweichen der Schuldenbremse zuzustimmen. Davon könnte wer profitieren, dem es schon unter der Ampel gut ging.

picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Die Entscheidung fällt am kommenden Dienstag. Dann geht die geplante Änderung des Grundgesetzes durch den Bundestag. Erhält der Antrag auf Aufweichen der Schuldenbremse im Parlament eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen, ändert dies die Verfassung. Zwar haben die Grünen mit markigen Worten erklärt, dem nicht zustimmen zu wollen. Doch damit dürften sie eher ihren Preis hochgetrieben haben. Davon profitiert dann auch jemand, dem es bereits unter der Ampel gut gegangen ist.

In der jüngsten Sitzung hat die grüne Fraktion einen eigenen Entwurf für eine bremsenlose Verfassung erarbeitet. Der enthält zwei Schlüssel-Forderungen. Zum einen sollen die Ausgaben für die Verteidigung nur dann aus den Regeln der Schuldenbremse genommen werden, wenn diese 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes überschreiten. Union und SPD hatten sich auf 1 Prozent geeinigt. Das klingt nach finanzpolitischer Verantwortung, weil die kommende “große Koalition” dann geringere Summen aus den Regeln der Schuldenbremse nehmen könnte – und somit an anderer Stelle mehr Geld für Konsumausgaben zu haben. Etwa für den Sozialstaat.

Doch es klingt nur nach finanzpolitischer Verantwortung. Dafür sorgt die zweite Forderung. Nach dieser soll der Begriff der “Verteidigungsfähigkeit” neu definiert werden. Dazu sollen nach dem Willen der Grünen künftig gehören, wörtlich: die Finanzierung von “Systemen kollektiver Sicherheit, Ausbau nachrichtendienstlicher Fähigkeiten, Unterstützung für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten, Maßnahmen der Auslandshilfe im Krisenfall, die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und der Schutz der Zivilbevölkerung, außerdem der Schutz der informationstechnischen Systeme und der Infrastruktur”.

Was bedeutet das? Damit würden die Grünen durchsetzen, das nahezu alles aus den Regeln der Schuldenbremse genommen werden kann. Mit Ausnahme weniger Bereiche wie der Wirtschaftsförderung oder den Sozialausgaben. Vor allem würden die Grünen sicherstellen, dass von ihr bevorzugte Klientel ungebremst staatliches Geld erhalten könnte. “Die Stärkung internationaler Organisationen zur Friedenssicherung” heißt auf Deutsch übersetzt: noch mehr Geld für “Nichtregierungsorganisationen”. Der “Schutz der Zivilbevölkerung” kann viel bedeuten, unter anderem die Herausnahme der explodierenden Kosten im Gesundheitswesen. Die laufen aus dem Ufer, weil über die Krankenkassen die Kosten der Einwanderung querfinanziert werden. Das wäre nach dem Entwurf der Grünen künftig ungebremst möglich.

Was treibt die Grünen an? Aktuell hat die Partei ein starkes Blatt. Laut Bild soll Friedrich Merz in der Sitzung der Fraktion seiner Gefolgschaft deswegen sogar angeordnet haben, nett zu den Grünen in ihrem Bekanntenkreis zu sein. Doch dieses starke Blatt haben die Grünen am Dienstag ausgereizt. Wenn die “große Koalition” die Schuldenbremse in der Verfassung aufgeweicht hat, benötigen sie die Partei nicht mehr. Dann können sie an der nur zweitgrößten Oppositionspartei bequem vorbeiregieren.

Die Grünen könnten am Dienstag der Aufweichung der Schuldenbremse auch ihre Stimmen verweigern. Im alten Bundestag. Dann müsste die neue Regierung im neuen Bundestag für überplanmäßige Ausgaben eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen suchen. Der 21. Bundestag konstituiert sich spätestens am 25. März. Zwei Drittel der Simmen kämen dann nur mit der AfD zusammen. Oder mit den Grünen und den Linken. Da der mutmaßlich nächste Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) mehrfach betont hat, die “Brandmauer” wahren und die AfD an der Außenlinie halten zu wollen, würde das die Linken entsprechend stärken. Ihr Vorsitzender Jan van Aken hat schon selbstbewusst erklärt, welche Forderungen seine Partei stellt.

Damit könnten die Grünen zwar CDU und CSU demütigen. Die Partei Konrad Adenauers müsste offen mit den Linken verhandeln. Aber dafür würden die Grünen einen hohen Preis bezahlen. Im 21. Bundestag droht die Partei ohnehin zwischen Linken und “großer Koalition” zerrieben zu werden. Denn die Grünen wollen gleichermaßen mit linken Forderungen punkten, sich selbst staatstragend geben und der “Mitte des Parlaments” angehören. Doch im Ernstfall können sie nie so staatstragend sein, wie die Parteien, die den Kanzler, den Verteidigungs- oder den Innenminister stellen. Gleichzeitig werden sie nie so radikal linke Forderung vertreten wie die Linken. Hat diese dann auch noch Einfluss auf den Haushalt, reduzieren sich die Grünen auf die Rolle, zu allem auch noch einen Draufschlag
für den Klimaschutz zu verlangen. Bleibt das Thema so unbedeutend wie aktuell, trifft das auch auf die Partei zu, die dieses Thema besetzt.

Eine Woche haben Union, SPD und Grüne noch Zeit, sich auf eine Änderung der Verfassung zu einigen. Die nächsten Verhandlungen finden an diesem Dienstagabend statt. Mit den Vorschlägen der Grünen könnte die kommende Regierung leben. Ob nur Ausgaben für die “Verteidigungsfähigkeit” von mehr als 1,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus der Schuldenbremse fallen, ist fast egal, wenn die “Verteidigungsfähigkeit” so beliebig ausgelegt wird wie nach den Vorschlägen der Grünen. Dazu käme dann noch der Draufschlag für den Klimaschutz.

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