Tichys Einblick
Vier Tage vor der Bundestagswahl

Friedrich Merz versemmelt es auf den letzten Metern

Die Union stürzt in den Umfragen ab, die linken Parteien legen zu. Derzeit sieht es so aus, als ob Friedrich Merz die Wahl auf den letzten Metern versemmeln könnte. Plötzlich ist sogar eine rot-rot-rot-grüne Bundesregierung möglich.

IMAGO / Future Image

Der von Bill Gates mitfinanzierte Spiegel hat seine Investigativstory gegen die Oppositionspartei platziert. Die Wahl kann nicht mehr weit entfernt sein. Lange sah es so aus, als ob Friedrich Merz im Schlafwagen ins Kanzleramt fährt. Doch auf den letzten Metern entgleist der Fritz-Zug. In einer Umfrage von YouGov rutschte die Union auf 27 Prozent ab. Und dem CDU-Vorsitzenden droht noch ein anderes Szenario.

Die Linke ist laut allen Umfragen ziemlich sicher im 21. Bundestag vertreten. Aber auch ihre Abspaltung, das Bündnis Sahra Wagenknecht kann das noch schaffen. Dann kommt eine Rot-Rot-Rot-Grüne Koalition in Reichweite. Laut YouGov stünden diese Parteien zusammen bei 43 Prozent. AfD und Union kämen nur noch auf eine Sperr-Majorität von 47 Prozent. Eine Kanzlerschaft, getragen von einem „Hauptsache an der Macht“-Linksbündnis, wäre also durchaus möglich. Im Osten hat das BSW bewiesen, dass es zu einer solchen Allparteienkoalition bereit ist.

Auch vom Ergebnis her ist es möglich, dass Friedrich Merz die Wahl noch versemmelt. Denn zwei Prozent mehr für das Linksbündnis und zwei Prozent weniger für AfD und Union sind durchaus drin. Die Wahlforscher sagen in großer Übereinstimmung, dass die Zahl der Unentschlossenen so hoch ist wie bei kaum einer demokratischen Wahl zuvor. Bis zu einem Drittel der Wahlberechtigten weiß demnach noch nicht, wem es seine Stimme geben soll. Es würde blöd aussehen, an allen möglichen Entwicklungen Friedrich Merz die Schuld zu geben – inhaltlich ist es aber unausweichlich.

Merz trägt die Schuld daran, dass der Block AfD und Union noch Stimmen ans Linksbündnis abgeben wird. Die AfD hat keine realistische Regierungsoption, auch weil Merz weder die katastrophale wirtschaftliche Lage noch die außen- und sicherheitspolitische Hilflosigkeit Deutschlands zum Thema seines Wahlkampfs macht – sondern die Verhinderung der einzigen Partei, die in allen Landesparlamenten Deutschlands in der Opposition ist.

Damit verursacht Merz die hohe Entschlossenheit der Wähler – trotz einer Bundesregierung, die sich selbst als gescheitert erklärt hat. Denn es kommt keine Wechselstimmung in Deutschland auf, weil der einzige aussichtsreiche Gegenkandidat zu rot-rot-rot-grünen Modellen nicht für einen Wechsel steht.

Er will mit so vielen rot-grünen Parteien zusammenarbeiten wie nötig, um ins Kanzleramt zu kommen. Dort, so verspricht Merz dann, will er als Kanzler mit Standhaftigkeit eine nicht-linke Politik gegen seine linken Koalitionspartner durchsetzen. Angesichts seiner bisherigen Rückgratlosigkeit ist das ein derart lächerliches Versprechen, dass einem angesichts des nötigen Lachens über Friedrich Merz der Atem stockt.

Wie schon Angela Merkel (CDU) vor ihm macht Friedrich Merz damit linke Politik „alternativlos“. Manche Wähler sehen zwar das Versagen der rot-grünen Politik, nehmen aber diese vermeintliche Alternativlosigkeit als gegeben an und entscheiden sich auf den letzten Metern gleich für Parteien aus dem rot-grünen Block. Die Deutschen fürchten Veränderungen, die „German Angst“ ist international zu einem geflügelten Wort geworden. Ein Spitzenkandidat der Opposition, der so wie Merz für Mutlosigkeit steht, bestärkt diese German Angst und die gesellschaftlichen Beharrungskräfte, von denen vor allem linke Parteien profitieren.

Dazu kommt das Auftreten in den diversen Duellen, Quadrellen und Pippinellen. Die Kommentatoren von staatlichen und staatsnahen Medien haben Merz attestiert, souverän wie ein Staatsmann aufgetreten und damit zum Sieger der Auseinandersetzungen geworden zu sein. Da hätte bei der Union die Warnglocke läuten müssen. Gemeint haben die besagten Kommentatoren damit nämlich, dass sich Merz demütig genug in den Staub vor ihren Gesslerhut geworfen und die gemeinsame „Brandmauer“ gegen die AfD beschworen hat.

Ein Sieger der Duelle war Merz aber tatsächlich nicht. Der steife Sauerländer hat noch nie sympathisch gewirkt. Das war ein Grund, warum er „Mutti“ und ihre Anhänger 20 Jahre auf der Ersatzbank aussitzen musste. Statt auf sein nicht vorhandenes Charisma hat Merz darauf gewettet, dass CDU und Deutschland in seinen Jahren auf der Ersatzbank so sehr implodieren, dass sie danach sogar ihn als Anführer akzeptieren. Die CDU war verzweifelt genug, Deutschland überlegt es sich in den letzten Tagen vor der Wahl aber noch mal. Merz‘ Schlafwagen hält nicht automatisch am Kanzleramt. Es sah zwar so aus, als ob niemand einen solch hohen Vorsprung gegen einen derart schwachen Gegner versemmeln könnte – doch immerhin das könnte Merz möglich machen.


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