Tichys Einblick
Nächstes gebrochenes Versprechen

CDU, CSU und SPD agieren in Sachen Stromsteuer so chaotisch wie die Ampel

Fünf Stunden haben CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss getagt. Herausgekommen sind noch mehr Schulden und höhere Ausgaben in der Sozialversicherung. Nur für einfache Bürger hat Schwarz-Rot buchstäblich nichts übrig.

Koalitionsausschuss im Bundeskanzleramt, berlin, 02.07.2025

picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Die schwarz-rote Koalition will eine Entlastung nicht verkünden, weil sie zu schwach ist, um Bürger zu beeindrucken – und weil sie ihre Erzählung ruinieren würde. Die von der Regierung, die Disziplin in Sachen Haushalt durchzieht. Wer Politik in Erzählungen denkt und wer den Stromsteuer-Beschluss von CDU, CSU und SPD isoliert sieht, der kann zu dem Schluss kommen, dass der Beschluss klug war. Da gibt es nur ein Problem: Erzählungen in der Politik lassen sich nicht isoliert betrachten. Sie hängen immer vom Gesamtbild ab.

Das Gesamtbild der schwarz-roten Koalition ist verheerend: Noch vor dem Amtsantritt haben die Koalitionspartner die Schuldenbremse gelöst. Dann haben sie 850 Milliarden Euro neuer Staatsschulden verplant. Die Hälfte dessen, was die Bundesrepublik in 76 Jahren insgesamt aufgenommen hat. Wenn diese Regierung versucht, sich als disziplinierte Haushalter zu verkaufen – dann könnte es Jan Böhmermann auch als sympathischer, ausgeglichener und gut qualifizierter Mensch versuchen.

Führungsstil von Friedrich Merz
Genau wie unter Merkel: Jetzt kommt es auf den Kanzler an
Der Plan geht erst recht nicht auf, wenn man sich anschaut, was CDU, CSU und SPD im Koalitionsausschuss noch beschlossen und ausgelassen haben: Die erweiterte Mütterrente kommt ein Jahr vorher als geplant. Ein Geschenk für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU). Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) darf indes eine „Reform“ der Rente vorbereiten, die zu noch höheren Beiträgen führen wird. Die Länder dürfen noch mehr Schulden machen als bisher.

Und das Bürgergeld? Kommt in dem Papier zum Koalitionsausschuss nicht vor. Nicht mal den handelsüblichen Arbeitskreis, die Kommission, den Runden Tisch und so weiter nimmt sich die schwarz-rote Koalition vor. Im Endeffekt fördert Schwarz-Rot Staatsschulden und verpflichtet die Sozialkassen zu noch mehr Ausgaben und treibt damit die Lohnnebenkosten weiter nach oben. Die Erzählung von der Regierung der Haushaltsdisziplin hat keine Chance – ihr steht die Erzählung von der Regierung im Weg, die sich um Beschäftigte und mittelständische Betriebe keinen Deut schert und sie als einzige nicht entlastet.

Sowie die Erzählung von der Regierung, die ihre Versprechen bricht: Anfang Februar hat Kanzler Friedrich Merz (CDU) sich noch gegen neue Staatsschulden ausgesprochen, Ende Februar dafür. Nach der Wahl hat Merz seine Meinung schneller geändert als ein Mannequin seine Garderobe. Im Mai haben CDU, CSU und SPD eine Senkung der Stromsteuer in den Koalitionsvertrag geschrieben. Sofort. Für alle. Jetzt sei kein Geld dafür da. Trotz 850 Milliarden Euro neuer Staatsschulden. Und Rot-Schwarz werde sich als Regierung nicht so öffentlich zerlegen wie die Ampel. Vor allem sollen verkündete Beschlüsse nicht sofort wieder in Frage gestellt werden.

Über die Rentenvorschläge von Bärbel Bas:
„Die Koalition bringt mit der Verabschiedung solcher Pakete den Sozialstaat zu Fall“
Genau das ist aber mit der Stromsteuer passiert. Zwei Christdemokraten haben sie öffentlich in Frage gestellt. Der eine ist Hendrik Wüst. Dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten kann es recht sein, wenn es in Berlin nicht gut läuft. Spätestens seit Jens Spahn die Maskenaffäre an der Backe hat, gilt Wüst als potenzieller Ersatzkanzler für Merz. Der andere war Thorsten Frei. Als Kanzleramtsminister hat er nur einen Job: für einen reibungslosen Verlauf des Regierungshandelns sorgen. In der Aufgabe hat Frei in dieser Woche versagt.

Zum einen ist genau das passiert, was die schwarz-rote Koalition vermeiden wollten: Der Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verkündet den Entwurf eines Haushalts und sofort stellen die Koalitionspartner den in Frage. Obwohl sich Klingbeil mit Merz und den anderen Ministern zuvor entsprechend abgesprochen hatte. Kämen dann Einwürfe von Randständigen wie Ralf Stegner oder Roderich Kiesewetter, könnte eine Koalition gut damit leben. Doch dass der Chef des Kanzleramts ein solches Thema setzt, ist schon bemerkenswert.

Vor allem und zum anderen, wenn Frei sich nicht durchsetzen kann. Kommt ein solches Ansinnen wie die Senkung der Stromsteuer vom Kanzleramtsminister, darf, ja muss, der Koalitionspartner davon ausgehen, dass dahinter der Kanzler steht. Weist der Partner es dann doch zurück, stellt sich die Frage: Ist es Merz, der seinen Job nicht beherrscht oder Frei? Einigen wir uns auf beide. Doch am Ende fällt es so oder so auf den Kanzler zurück. Freis Fehler sind seine Fehler. Und geglänzt hat Merz bisher nur, wenn er durchs Ausland gereist ist und deutsches Geld großzügig verteilt hat. Wenn es darum geht, zuhause das Geld zu erwirtschaften und zusammenzuhalten, dann ist Friedrich Merz bisher ein Totalausfall.

Der Stromsteuerkotau
Merzens Motto: Die SPD bekommt, was die SPD will
Die schwarz-rote Koalition hat so wenig Reformkraft wie zuvor die Ampel und die Regierungen Angela Merkels (CDU). Über eine Billion Euro Steuern und Abgaben müssen Deutsche mittlerweile zahlen. Trotzdem nimmt ihre Regierung fast eine Billion Euro Schulden auf – und kommt mit dem Geld immer noch nicht aus. Reformen kündigt sie an. Allen voran in den ausufernd teuren Sozialversicherungen. Doch diese schiebt sie in Arbeitsgruppen ab, Kommissionen, Runde Tische und so weiter. Ansonsten hauen CDU, CSU und SPD die Steuergelder und Staatsschulden raus, als gäbe es kein Morgen mehr. Aber nur für Anliegen, hinter denen die Interessengruppen ihrer Parteien stehen. Für arbeitende Menschen und für kleine Betriebe haben sie buchstäblich nichts übrig. Damit arbeitet Schwarz-Rot sogar noch chaotischer als die Ampel.

Dazu passt: Schon am frühen Donnerstag geht wieder die Meldung um, dass die Senkung der Stromsteuer nun doch kommen soll. Noch in dieser Wahlperiode, wie etwa der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, der Rheinischen Post sagt. Was für ein verheerender, chaotischer Eindruck: Die Koalition kündigt tagelang an, sie treffe sich zum Ausschuss und beschließe dort die wichtigen Dinge. Abends um zehn Uhr tritt die Koalition vor die Presse und verkündigt die gewichtigen Beschlüsse – doch morgens um zehn Uhr stellen sie diese schon wieder in Frage.

Die SPD treibt damit das Spiel weiter, das sie schon in der Ampel mit so wenig Erfolg betrieben hat: Entlastungen versprechen, Belastungen beschließen und hoffen, dass dem Wähler die Versprechen und nicht die Beschlüsse im Gedächtnis bleiben. Die SPD hält sich für schlauer als den Bürger. Nur trifft das halt auf 83,6 Prozent der Wähler nicht zu. Für die SPD sieht so aus, als ob sie die Formulierung „historisch schlechtestes Wahlergebnis“ auf Wiedervorlage setzen könnte. Denn diese drei Worte werden die Genossen noch oft hören.

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