Tichys Einblick
Unbegrenzte Einwanderung im Bundestag

Mehrheit gegen illegale Einwanderung: Der zähe Fall der „Brandmauer“

Der Bundestag hat einen der beiden Symbolanträge der Union zur Einwanderung angenommen. Damit bleibt unklar, ob das Parlament am Freitag den konkreten Vorschlag für eine Gesetzesänderung annimmt. Um Inhalte geht es im Bundestag nicht.

picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Markus Schreiber

Der Bundestag hat mit knapper Mehrheit einem der beiden Anträge der Union zur illegalen Einwanderung zugestimmt. Der hatte ohnehin nur Symbolcharakter. Entscheidend ist, dass es im Parlament mit Union, FDP und AfD nun eine Mehrheit gegen illegale Einwanderung gibt. Dem Getöse um die Brandmauer zu trotz.

Anke Rehlinger (SPD) spricht im Bundestag. Die saarländische Rekordhalterin im Kugelstoßen vertritt dort die Länder – und spricht gegen die Politik der Union. Die saarländische Ministerpräsidentin darf im Bundestag überhaupt nur reden, weil sie gerade Präsidentin der Länderkammer Bundesrat ist. Rehlinger soll die Interessen der Länder vertreten. Aber sie nutzt die Gelegenheit für eine parteipolitische Wahlkampfrede. Rehlinger macht damit deutlich, wie sehr sich die in Deutschland regierenden Parteien den Staat zu eigen gemacht haben. Wie offen und hemmungslos deren Vertreter ihre Ämter mittlerweile für egoistische Zwecke missbrauchen.

In der Debatte geht es um die Regierungserklärung des Kanzlers. Er habe alles richtig gemacht, er trage an Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen und Mannheim keine Schuld, die hätten die Behörden und seine Gedanken seien bei den Opfern. Doch das ist nur das Ablenkungsgehabe eines überforderten Regierungschefs. Selbst die Anträge der CDU-CSU zur Einwanderungspolitik sind nebensächlich. Eigentlich geht es um die „Brandmauer“. Die Ausgrenzung der AfD. Die Strategie, Kritiker und Gegner der eigenen Politik zu isolieren und durch Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zum Schweigen zu bringen.

Alice Weidel nennt die „Brandmauer“ eine „antidemokratische Kartellabsprache“. Die Kanzlerkandidatin der AfD glaubt der Union nicht, dass sie aus diesem Kartell ausbrechen wolle. Deren Kanzlerkandidat Friedrich Merz würde sich weiter an die Grünen anbiedern. Und weil das Kartell fortbestehe, werde die Migrationskrise anhalten. Diese Krise sei „politisch gewollter Kontrollverlust“. Die Opfer von Aschaffenburg, Magdeburg, Solingen und Mannheim nennt Weidel „Brandmauer-Tote“.

Drei Anträge hat die Union diese Woche im Bundestag eingebracht. Einen, der vor der Wahl nicht mehr wirksam werden kann. Einen anderen, der rechtlich nicht bindend ist. Aber auch den Antrag zum „Zustrombegrenzungsgesetz“. Den hat der Bundestag bereits im September besprochen. Deswegen könnte seine Forderung nach Begrenzung der Zuwanderung am Freitag zum Gesetz werden. Auch könnte die Bundespolizei dadurch Abschiebungen von sich aus einleiten. Ironischerweise hat der Bundestag diesen Antrag im September abgelehnt – um so die Forderung nach Folgen auf die Morde von Solingen ins Leere laufen zu lassen.

Drei wesentliche Änderungen hat es seitdem gegeben: Die FDP ist aus der rot-grünen Bundesregierung ausgetreten. Nach den leeren Versprechungen vor den Wahlen von Sachsen, Thüringen und Brandenburg ist die Bereitschaft der Wähler noch stärker gesunken, dem Pathos und den Versprechen der regierenden Parteien zu trauen. Und die Union spürt das im laufenden Wahlkampf. Friedrich Merz stand daher vor der Entscheidung: Mit den anderen regierenden Parteien an der „Brandmauer“ festhalten oder Anträge in den Bundestag einbringen, denen die AfD zustimmen könnten?

Die Angst vor einem Umkippen der Wahl zugunsten der AfD hat Merz getrieben. Zuerst hat der CDU-Chef die beiden Symbolanträge initiiert. Dann drohte die AfD damit, den Antrag zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ wieder auszupacken. Also tat die Union das selber. Auf die Gefahr hin, dass Merz Eingeständnisse gegenüber der „Brandmauer“-Politik zu weit gehen. Dass ihm die Merkelianer in der Partei die Gefolgschaft verweigern. So wie es der Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Daniel Günther, laut Medienberichten schon getan hat. Er will demnach Anträgen im Bundesrat nicht zustimmen, wenn die mit Hilfe der AfD eine Mehrheit erhalten haben.

Der ehemalige Koalitionspartner, Christian Lindner (FDP), wirft SPD und Grünen nun vor, sie wollten die Debatte über die Begrenzung von illegaler Einwanderung zum Dammbruch umdefinieren. Also: Sie wollten ablenken. SPD-Chef Lars Klingbeil spricht tatsächlich von „historischen Fehlern“ und einer „tektonischen Veränderung der politischen Landschaft“. Um die Sache geht es also nicht mehr. Die Frage zu einer Begrenzung der illegalen Einwanderung ist zur Entscheidung geworden: „Brandmauer ja oder nein?“

Rehlinger, die eigentlich für ihr Amt sprechen sollte, ist die lauteste Parteipolitikerin. Die Ministerpräsidentin, die eigentlich Realpolitik machen sollte, entfernt sich von dieser am weitesten. Denn was fordert die Union in einem der Showanträge vom Mittwoch? Eine Kontrolle der Grenzen. Das Verhindern illegaler Einreisen. Die Kontrolle von Ausreisepflichtigen. Die besondere Kontrolle von ausreisepflichtigen Gefährdern und Straftätern und die Unterstützung der Länder beim „Vollzug der Ausreisepflicht“. Im Wesentlichen fordert die Union also nur die Einhaltung der Gesetze. Aber daraus machen Amtsinhaber wie Rehlinger oder Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Tabubruch der Union. Lauterbach rückt deren Chef Merz dafür sogar in den Zusammenhang mit den Massenmorden der Nazis.

Es geht im Bundestag nicht mehr um Sachpolitik. Die Debatte dort ist auch mehr als Wahlkampf. Es ist die Frage, ob das Kartell, wie es Weidel nennt, fortbesteht. Damit entscheidet das Parlament auch darüber, ob die Strategie der Ausgrenzung von Kritikern und Gegnern der Politik von Union, SPD, Grünen, FDP und Linken fortbestehen kann. Die Union hat sich am Mittwoch als entschlossen genug gezeigt, die „Brandmauer“ zum Fall zu bringen. Doch noch hält die. Aber sie fällt. Langsam.

Die Realität bringt sie mit jedem weiteren Messermord zum Stürzen. Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg… Unklar ist nur, wie diese Reihe weitergeht. Nicht, ob diese Reihe weitergeht. Mit jedem mal wird es für die Vertreter des „Kartells“ schwerer, so zu tun, als ob sie an der „Brandmauer“ festhielten, weil es ihnen um eine Sache ginge. Am Freitag geht es dann weiter.

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