Tichys Einblick
Urteil im Ballweg-Prozess

Ballweg-Prozess: Schwere Klatsche für Stuttgarter Staatsanwaltschaft

Nach einem ebenso fragwürdigen wie aufwändigen Prozess wurde der Kopf der Stuttgarter Querdenker-Bewegung, Michael Ballweg, vom Landgericht Stuttgart vom Vorwurf des Spendenbetrugs freigesprochen. Ob die Staatsanwaltschaft Stuttgart in Revision geht, bleibt abzuwarten.

picture alliance/dpa/dpa POOL | Bernd Weißbrod

Nach 44 Verhandlungstagen, in denen vor dem Landgericht Stuttgart 80 Zeugen vernommen und 2200 Urkunden-Seiten verlesen worden sind, wurde am 31. Juli das Urteil im Strafverfahren gegen Michael Ballweg, den Kopf der Stuttgarter Protestbewegung gegen die Corona-Politik der Jahre 2020 bis 2022 (Querdenken 711), verkündet. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart lautete auf Spendenbetrug sowie auf Steuerhinterziehung in sechsstelligem Bereich. Dies soll Ballweg in den Jahren 2020 und 2021 sowohl als Privatperson wie als Inhaber und Geschäftsführer seines früheren IT-Unternehmens (Media Access GmbH) begangen haben. Der zudem erhobene Vorwurf der Geldwäsche im Zusammenhang mit der Einnahme von Spenden für Querdenken711 war schon kurz nach Ballwegs Festnahme im Juni 2022 und neunmonatiger Festsetzung in Untersuchungshaft in sich zusammen gefallen. Er wurde daher von der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgt.

Vor Gericht stand Ballweg seit Oktober 2024 dennoch, obwohl das Landgericht Stuttgart auch die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn wegen Spendenbetrugs und Steuerhinterziehung mangels Beweisen abgelehnt hat. Eröffnen musste es das Hauptverfahren auf Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart, den die Staatsanwaltschaft Stuttgart dort gegen das zuständige Landgericht erwirkt hatte. In den 44 Verhandlungstagen, in denen das Gericht ebenso akribisch wie geduldig ein ziemlich komplexes und für Außenstehende schwer zu durchschauendes Finanzgeschehen um Ballwegs Verwendung der Spendengelder und seine privaten wie geschäftlichen Steuererklärungen der Jahre 2020 und 2021 rekonstruierte, kam es letztlich aber zu demselben Schluß wie vor Beginn des Verfahrens: Ballweg hat auf Basis seiner Spendeneinnahmen und -ausgaben für Querdenken711 weder Spendenbetrug noch Steuerhinterziehung begangen.

Vom Landgericht Stuttgart wurde er daher nun in diesen Anklagepunkten freigesprochen, wegen vollzogener Hinterziehung von Umsatzsteuer sowie versuchter Hinterziehung von Körperschaftssteuer und Gewerbesteuer in geringem Umfang aber gleichwohl verwarnt. Im Verlauf des Verfahrens hatte sich nämlich herausgestellt, dass Ballweg in den Steuererklärungen seiner Media Access GmbH einige Privatrechnungen (zum Beispiel für einen Hund und für eine Reise) verbucht hatte, die mit seinen Corona-Aktivitäten nichts zu tun, unabhängig hiervon aber als geschäftliche Ausgaben dort ohnehin nichts verloren hatten. Deswegen verwarnte ihn das Landgericht mit der Androhung von 30 Tagessätzen zu je 100.- Euro, die er zu zahlen hätte, sollte er sich in den kommenden zwölf Monaten so etwas erneut zuschulden kommen lassen.

Diese wie auch immer zu wertende Verwarnung dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass das Gericht dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft vorbeugen will, es habe sein Urteil ungenau und Ballweg gegenüber zu nachsichtig getroffen. Für die Staatsanwaltschaft ist der Freispruch ohne Zweifel eine schwere Klatsche, nachdem diese die vom Gericht vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens mangels Beweisen nicht nur vor dessen Beginn, sondern auch während seines Verlaufs abgelehnt hatte. Die Staatsanwaltschaft kann nun bestenfalls für sich in Anspruch nehmen, Ballweg der vollzogenen Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von rund zwanzig Euro überführt zu haben, nachdem sie ihn unter anderem wegen Spendenbetrugs in Höhe von 575 000.- Euro angeklagt hatte.

Ob die Staatsanwaltschaft sich damit zufrieden geben oder ein Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof beantragen wird, werden wir frühestens nach Ablauf der Frist von einer Woche wissen, die dafür vorgesehen ist. Gut möglich, dass insbesondere die für das Verfahren zuständige Staatsanwältin die vom Landgericht Stuttgart verpasste Klatsche nicht weckstecken, sondern gegen Ballwegs Freispruch vorgehen will, wie sie es an einem der letzten Verhandlungstage auch schon angekündigt hat. Das hat sie aber nicht alleine zu entscheiden, wie der Bemerkung der Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft zu entnehmen war, die im Anschluß an die Urteilsverkündung öffentlich erklärte, dass die leitende Staatsanwältin diesbezüglich etwas eigenmächtig vorgeprescht sei. Die Meinungen im Fall Ballweg scheinen in Stuttgart offenbar nicht nur zwischen Staatsanwaltschaft und Landgericht, sondern auch innerhalb der Staatsanwaltschaft widersprüchlich zu sein.

Es bleibt vorerst also weiter spannend, wie es im Fall Ballweg weitergeht. Das gilt nicht nur mit Blick auf ein mögliches Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, sondern auch mit Blick auf das anstehende Entschädigungsverfahren, das Ballweg einleiten muß, um seinen vom Gericht verfügten Anspruch auf Haftentschädigung materiell geltend zu machen. Ballweg will außerdem gerichtlich gegen die zuständigen Finanzbehörden vorgehen, denen er zum Vorwurf macht, ihm gegenüber nicht gesetzeskonform gehandelt zu haben. Was er damit genau meint, bleibt abzuwarten.


 


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