Tichys Einblick
Zweifel bleiben

Aus für staatliche „Seenot“-Hilfe: Keine Gelder mehr für NGOs im Mittelmeer

Was jahrelang als „humanitäre Pflicht“ verklärt wurde, soll nun gestrichen werden: Keine Millionen mehr für NGOs, die mit ihren Schiffen mitten im Schleusersystem operieren. Die Frage ist nur: Ist dieser Kurswechsel ernst gemeint oder wieder nur Kosmetik?

IMAGO

Seit Jahren war die staatliche Finanzierung privater Seenotrettungsorganisationen im Mittelmeer ein politischer Zankapfel. Nun zieht die Bundesregierung an der Stelle offenbar die Reißleine. Johann Wadephul, heute Bundesaußenminister und 2023 außenpolitischer Sprecher der Union, hatte damals scharfe Worte gefunden: Die Rettungseinsätze der NGOs ermöglichten „faktisch, wenn auch ungewollt, das Geschäft menschenverachtender Schleuserbanden“. Es dürfe keine Steuerfinanzierung geben für Strukturen, die illegale Migration begünstigten.

Trotz dieser Warnungen flossen immer weiter staatliche Gelder, bis ins erste Quartal 2024 noch 900.000 Euro, insgesamt zwei Millionen im laufenden Jahr. Nun erklärte das Auswärtige Amt überraschend das Ende dieser Förderpraxis: Künftig sei keine weitere finanzielle Unterstützung der zivilen „Seenotrettung“ vorgesehen.

Begünstigt wurden bislang Organisationen wie SOS Humanity, Sea-Eye, RESQSHIP, SOS Méditerranée und die Gemeinschaft Sant’Egidio. Sie nahmen regelmäßig Personen von wahrscheinlichen Schleuserbooten auf, mit denen, so nehmen italienische und griechische Behörden an, sie sich auf offener See verabredet hatten, um diese Personen in die EU zu bringen. Die finanzielle Unterstützung dieser Akteure war insbesondere unter der Leitung von Annalena Baerbock (Grüne) etabliert worden. Der außenpolitische Kurs des Auswärtigen Amts unter ihrer Verantwortung war regelmäßig Ziel der Kritik – nicht nur aus der Opposition, sondern auch aus Fachkreisen, die eine „Pull-Faktor-Wirkung“ der NGO-Einsätze beschreiben.

Mit der Entscheidung, die Förderung zu beenden, wird hier möglicherweise ein Kurswechsel eingeleitet. Ob es sich bloß um eine symbolische Korrektur handelt ist noch unklar.

Scharfe Kritik kam umgehend von Sea-Eye. Vorsitzender Gorden Isler sprach von einem „fatalen Signal“: Die staatliche Hilfe habe konkrete Rettungseinsätze ermöglicht, nun drohe Stillstand im Hafen – auch im Fall akuter Seenot. Isler forderte eine Rücknahme der Entscheidung und betonte, dass durch die Mittel „Menschenleben gerettet“ worden seien.

Dass überhaupt Bundesmittel an private Seenot-NGOs flossen, war ein politisches Produkt der Ampel in ihrer ideologisch ungebremsten Anfangsphase. Im Jahr 2022 beschloss der Haushaltsausschuss des Bundestags in einer jener berüchtigten Nacht-und-Nebel-Sitzungen, u.a. jährlich zwei Millionen Euro an den Verein United4Rescue zu überweisen – gegründet auf dem Evangelischen Kirchentag, getragen von Diakonie, Caritas, DGB und sogar der islamischen Religionsbehörde Ditib. Wer da alles unter dem Banner der „Humanität“ versammelt war, sagte bereits viel über die eigentlichen Prioritäten aus.

Die Mittel gingen nicht direkt an Schiffe, sondern an einen steuerfinanzierten NGO-Vermittler, der mit Geldern aus dem Bundeshaushalt unter anderem Sea-Watch, Sea-Eye und SOS Humanity ausstattete – inklusive juristischer Unterstützung. Die Steuerzahler finanzierten unfreiwillig also nicht nur den eigentlichen Einsatz, sondern gleich auch die politische Flankierung dazu.

Vorsitzender von United4Rescue war ausgerechnet Thies Gundlach, auch heute immer noch im Vorstand, evangelischer Theologe und Lebenspartner von Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt. Öffentlich betonte er, es sei „zwingend“, Menschen aus Seenot zu retten – gleichgültig, warum sie auf dem Meer sind oder wohin sie wollen. Selbst fuhr er nicht mit – das überließ man anderen. Man kann das als moralische Pose interpretieren, die mit Staatsgeld alimentiert wurde.

Dass diese Konstruktion nun in sich zusammenfällt, ist hoffentlich kein Versehen.

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