Tichys Einblick
Oberallgäu gegen Bund

Aufstand auf dem Dorf: Gunzesrieder wollen gegen Zuweisung von Zuwanderern klagen

Gemeinden stehen unter Druck, immer neue Antragsteller aufzunehmen – egal, ob das gewollt ist oder nicht. Der hohe „Zuweisungsdruck“ geht letztlich vom Bund aus, an den der Souverän (alias „das Volk“) seine Rechte abgetreten hat.

Gunzesried im Allgäu

Imago/ Zoonar

Die Gunzesrieder sind aufgebracht, halten das Vorhaben des Landratsamtes für eine Unmöglichkeit, beklagen Tiefschläge, weil sie sehr spät und quasi überfallartig von dem Beschluss gehört haben. 79 Einwohner hat das Dorf Gunzesried-Säge. Aber ebenda ist die Einquartierung von 45 Asylbewerbern im Heubethof geplant, einem ehemaligen Sporthotel und Schullandheim. Im Landkreis Oberallgäu leben derzeit insgesamt 2300 Asylbewerber und Flüchtlinge. Angeblich sind die aktuellen Notunterkünfte zu teuer und sollen durch andere Unterbringungsarten ersetzt werden.

Das Landratsamt spricht von hohem „Zuweisungsdruck“. Aber dieser Druck geht letztlich vom Bund aus, der die Grenzen nicht schließt, die Länder zu (willigen) Erfüllungsgehilfen macht und die Landkreise ebenso in die Pflicht nimmt, die dann wiederum einzelne Gemeinden dazu verdonnern, Raum für die Zuwanderer zu schaffen. Eine ganze Kaskade der Verantwortlichkeiten und Zwangsmittel. Aber auch dieser Fisch stinkt wie andere auch vom Kopfe her.

Die neu gestellten Asylanträge mögen bis zum März dieses Jahres gesunken sein. Aber die in drei Monaten erreichte Gesamtzahl bleibt dennoch erheblich hoch. Mehr als 41.000 Anträge konnten gestellt werden, trotz Faesers lückenhafter Grenzkontrollen. Das Zauberwort „Asyl“ steht den Ankommenden immer noch zur Verfügung, ganz nach dem Willen der SPD-Ministerin, obwohl jeder einzelne Einreisende aus einem sicheren Land zu uns kommt. Aufs Jahr hochgerechnet würde immer noch eine Großstadt durch die über 120.000 Antragsteller zusammenkommen, wenn man nur das erste Vierteljahr zum Maßstab nimmt.

Und das wirkt sich immer noch auf zahllose Gemeinden in Deutschland aus. Noch immer werden neue Flächen und Gebäude in Beschlag genommen. Alte Hotels manchmal, neue Zelte in anderen Fällen werden zu Migrantenwohnheimen, und das bald am vornehmen Starnberger See, bald in anderen Lagen, die sehr wenig geeignet für die Unterbringung von Asylbewerbern erscheinen. Aber welcher Ort wäre das schon? Bergdörfer sind es nicht, jedenfalls nach dem Dafürhalten der Einheimischen. Gunzesried-Säge liegt im Oberallgäu und ist Teil der Gemeinde Blaichach.

Tiefschläge und Unmöglichkeiten

Und natürlich gibt es auch andere Meinungen, sogar in Gunzesried-Säge. Der Betreiber des Heubethofs seit 2007 ist der Auffassung, sein Hotel sei als klassische „Begegnungsstätte“ bestens geeignet für die Unterbringung von Migranten: „Diese herrliche Natur lässt einen wieder herunterkommen.“ Der Hotelier will sich auch in der Integration hervortun, die Zuwanderer zumindest „bei einer Versammlung kennenlernen“. Aber natürlich würde er vor allem an den neuen Gästen verdienen.

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Die normalen Anwohner sind deutlich anderer Meinung, sprechen von unerwarteten, weil vollkommen unangekündigten „Tiefschlägen“ und der Unmöglichkeit des ganzen Vorhabens. Die Pläne zum Bau und Umbau der Unterkünfte werden den Anwohnern oft bis zum letzten Moment vorenthalten. Alles geht unter dem Schleier der Geheimhaltung vor sich – wenig angemessen einem demokratischen Gemeinwesen.

„Unser Ort liegt am Arsch der Welt ohne Anbindung. Ohne Auto ist man hier aufgeschmissen. Sie dürfen nicht arbeiten und liegen dann den ganzen Tag in der Sonne rum. Bin gespannt, wie die rumänischen Arbeiter, die hier leben und hart arbeiten, darauf reagieren“, meint eine Nachbarin des Hotels gegenüber Bild. Die Bürger von Gunzesried haben gar eine Petition im Bayerischen Landtag eingereicht, die von 700 Personen unterschrieben wurde.

Auch der Blaichacher Bürgermeister Christof Endreß (CSU) hält den Standort für ungeeignet, ebenso andere Liegenschaften in der Gemeinde. In dem kleinen Dorf gebe es „keine ausreichende Infrastruktur und schlechte Bedingungen für eine Integration“. Wo gäbe es die wohl bei Zuwanderern aus weit entfernten Kulturkreisen ohne schulische und Berufskenntnisse? Die Frage ist auch immer, ob die „Neuen“ sich überhaupt integrieren wollen, können und müssen. Denn Parallelgesellschaften machen längst gute Angebote, wenn auch nicht im Oberallgäu. Insofern haben die Gunzesrieder Recht, wenn sie den gleichsamen ‚Umweg‘ der Migranten über ihr Dorf unnötig finden.

Einige wollen klagen

Auch anderswo gibt es natürlich Probleme. In den Städten und verdichteten Gemeinden ist der Platz knapp, das Zusammenleben oft schwierig, weil die Asylbewerber sich nicht an Regeln und Gesetze halten. Aber auf dem Land ist es auch nicht anders. Deutsche Migrantenheime sind keine geschlossenen Lager, sondern erlauben den Freigang. Die Antragsteller dürfen sich dank Asylsozialleistungen selbst versorgen. Das gibt nicht nur ihnen von Tag 1 an erhebliche Freiheiten, sondern präformiert auch Belastungen für die einheimische Bevölkerung. Die Asylbewerber fühlen sich durch die überwiesenen Geldbeträge ermächtigt und benehmen sich nicht immer so, wie man es von Gästen oder Neuankömmlingen erwartet.

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Gunzesried-Säge im Allgäu rebelliert also, nicht anders als Seeshaupt bei Starnberg mit jeweils mehr oder weniger ähnlichen Gründen. Am Starnberger See werden auch die hohen Lebenshaltungskosten ins Feld geführt. Zuwanderer mit ein paar hundert Euro pro Monat könnten dort nur von Nudeln mit Tomatensauce leben, wie Bild berichtet. Aber das ist nicht der entscheidende Grund gegen die Zwangszuweisungen. Denn der Staat könnte das ja irgendwie ausgleichen, dank des berühmten Wohlstandes. Der eigentliche Grund ist die Begegnung mit kulturfremden Personen, die nicht unbedingt integrationswillig sind. Zuwanderung über Asyl regeln zu wollen, ist eben immer noch eine der schlechtesten Lösungen, die sich denken lässt.

Die Bewohner von Gunzesried-Säge würden sogar gegen eine Unterbringung von Migranten klagen, „auch per Eilverfügung“. Die Erfolgsaussichten stellt man sich eher mager vor. Denn der Souverän, der auch in Gunzesried und Blaichach sitzt, hat seine Rechte an die Bundesregierung abgetreten, die damit allerdings nach Gutdünken umgeht. Es ist ja bewusst, dass es nie auch nur eine wegweisende, verbindliche parlamentarische Debatte mit Abstimmung seit 2015 zu dem Thema gab.

Stolpern über Formalia? Auch darüber siegt die Herrschaft des Unrechts

Höchstens über Formalitäten könnte die Gunzesrieder Unterkunft noch scheitern. Der Bebauungsplan schließt für den Gasthof angeblich eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft aus. Die Statusänderung hätte das Landratsamt beantragen müssen. „Offenbar sollten die Betroffenen hier par ordre du mufti vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, formuliert der Anwalt der Betroffenen mit den Klageabsichten. Das ist ein Detail, das zeigt, wie jedes bestehende Recht letztlich gebrochen werden kann vor dem permanenten Notstand, den die widerrechtlich ausgeweitete Asylgewährung erzeugt. Man sieht hier die „Herrschaft des Unrechts“ im Kleinen.

Auch die Petenten sind der Meinung, dass „die Umnutzung einer Ferienunterkunft nicht den gesetzlichen Grundlagen“ entspricht. Denn laut „bayerischen Richtlinien“ könnten „Asylbewerberunterkünfte nur im Außenbereich gestattet werden, die unmittelbar an einen bebauten Ortsteil anschließen“. Das sei hier nicht der Fall. Aber sicher wurden solche Hindernisse schon in vielen Fällen einfach weggeräumt. Not bricht Gebot. Aber was ist eigentlich, wenn es sich um einen bewusst und gewollt herbeigeführten Notstand handelt?

„Zudem soll erörtert werden, ob die Anmietung des Anwesens aufgrund der zurückgehenden Asylbewerberzahlen wirklich notwendig ist“, heißt es im Allgäuer Anzeigenblatt. Offenbar ist es notwendig, wenn man den Zustrom nicht aufhält. Denn ein schon gut gefülltes Fass wird durch Regen immer voller und läuft letzten Endes über. Aber das ist ein krankes System, das nicht überleben kann. Die Gunzesrieder setzen sozusagen die Säge an dieses kranke System an.

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