Tichys Einblick
Blamage für Faesers Verfassungsschutz

AfD: Nicht „gesichert“ rechtsextrem – Schlappe für Schlapphüte

Es ist eine sensationelle Schlappe für die gewesene Innenministerin Nancy Faeser, kaum wurde sie aus dem Amt gedrückt: Ihre sensationelle Festlegung, die AfD sei gesichert rechtsextrem, ist so nicht gesichert. Vorerst.

picture alliance / Geisler-Fotopress | Bernd Elmenthaler

Vor dem Verwaltungsgericht Köln hat das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Stillhalteerklärung abgegeben, um einen entsprechenden Eilantrag der AfD zu vermeiden. Das bedeutet: Vorerst werden das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Bundesregierung die Behauptung, dass die AfD gesichert rechtsextremistisch sei, nicht aufrechterhalten. Vorerst. Schon da ist jede Peinlichkeit für die flotten Verbotsbefürworter.

Ein Punktsieg für die AfD – vorerst noch nicht mehr. In der Hauptsache kann das Gericht gegenteilig entscheiden, nachdem es die schwer verdaulichen 1.100 Seiten durchgearbeitet hat und sich dann doch dem Urteil anschließen sollte. Das wird aber dauern.

Aber damit ist schon ein Teilsieg der AfD verbunden: So schnell geht es nicht. Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf beobachten – aber nicht verurteilen. Und schon gar nicht erst das Urteil veröffentlichen und die Begründung geheimhalten. Der Verfassungsschutz muss jetzt wohl reformiert werden, an Haupt und Gliedern.

Denn seit den Ampeljahren wurden sowohl der Bundesverfassungsschutz als auch die  Landesverfassungsschützer insbesondere im lange SED-regierten Thüringen gezielt nicht zur Beobachtung, sondern zur Herabwürdigung der AfD eingesetzt. Der Verfassungsschutz wurde zum Instrument der regierenden Parteien zur Gegnerbekämpfung.

Viele Bürger reagieren verständlicherweise negativ auf das Etikett „rechtsextremistisch“. Dass es längst ein Instrument der parteipolitischen Auseinandersetzung geworden ist, wird so noch nicht in der Breite wahrgenommen. ARD und ZDF senden keine Meldung über die AfD ohne den Zusatz „gesichert rechtsextrem“. Dabei ist gar nichts gesichert. In Thüringen wird die Bewertung weiterhin geheim gehalten; sie soll nur vier Seiten umfassen. Eine so gewichtige Aussage – geheim und so spärlich belegt? Das Bundesamt hat sich mehr Mühe gemacht und immerhin 1.100 Seiten vollgeschrieben, aber überzeugend ist auch das eben nicht: Irgendwelche Zitate sind schnell aus dem Zusammenhang gerissen und aneinandergekleistert.

In einer Partei mit 60.000 Mitgliedern finden sich sicherlich allerlei Dummheiten, übrigens auch bei anderen Parteien. Bei der in Die Linke umbenannten SED wird nicht genauer hingeschaut; die dürfen gern dazu aufrufen, „Reiche“ zu erschießen, zum Klassenkampf oder zur Abschaffung der Marktwirtschaft. Übrigens: Aufruf zum Erschießen ist verfassungsfeindlich, und müsste zu einem Verbot führen, weil der Schritt zur Gewalt, zum Gewaltaufruf genau der ist, der zum Verbot führen muss. Aufruf zur Abschaffung der Marktwirtschaft dagegen ist sogar legitim. Das Grundgesetz schreibt keine Wirtschaftsordnung zwingend vor. Man kann auch für eine DDR-Wirtschaft eintreten. Das mag bescheuert sein, ist aber Demokratie.

Zweierlei Recht beim Verfassungsschutz

Nur bei der AfD wird aus jedem zuwanderungskritischen Satz ein Rassismus-Urteil. Und auch das ist falsch. Man kann auf dem Boden des Grundgesetzes stehend jederzeit Angela Merkels Grenzöffnung von 2015 als grundfalsch verstehen. Dass es schon damals übrigens gesetzeswidrig war, darüber bestehen keine Zweifel.

Demokratie ist, wenn man über Entscheidungen diskutiert, pro und kontra äußert und sich gegenseitig anhört.

Verboten ist lediglich Gewalt, und das ist auch richtig so. Andere Meinungen sind gestattet – noch einmal: Das nennt man Demokratie.

Blamiert sind all diejenigen, die ein Verbot der AfD gefordert haben. Jene aus der Union wie der stets vorlaute bayerische Ministerpräsident Markus Söder von der CSU, der das vollmundig verlangt hat. Aus den Reihen der Grünen beispielsweise die Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann und viele andere.

Abgesehen davon, dass zwischen der Beurteilung „gesichert rechtsextremistisch“ und einem Verbot immer noch das Bundesverfassungsgericht und ein langwieriges, gründliches Verfahren mit Rede und Gegenrede auch der Beklagten steht: Schnelle Urteile aus parteipolitischer Vorteilsnahme sind unüberlegt und schaden ihrerseits dem Rechtsstaat wie der Demokratie.

Jetzt also sollten alle mal den Fuß vom Gaspedal nehmen.

Das Gutachten ist zu veröffentlichen und kann dann debattiert werden. Dann sehen wir weiter.

Und Nancy Faeser? Ist im Ruhestand, aber ordentlich blamiert. Und mit ihr alle, die sich ihrem vorschnellen Urteil angeschlossen haben. Besonders erfreulich: Der Rechtsstaat funktioniert – an dieser Stelle. Wie es weitergeht wird man sehen. Ein Teilsieg im taktisch betriebenen Verfahren, mit dem eine Bundesbehörde lästige Konkurrenz der Politik lahmlegen soll.

Offenbar hat man  die Veröffentlichung gezielt gewollt und die Rücknahme angesichts der massiven Proteste eingeplant, da in diesem Stadium rechtlich eigentlich gar nichts anderes möglich gewesen wäre/war, als eine Stillhaltezusage abzugeben.Davon, dass das den Juristen im Amt bewusst war, ist auszugehen. Man hat es aber in Kauf genommen, um die Botschaft nach draußen zu bringen, nach dem Motto „Etwas bleibt immer hängen“.  Wenn man momentan die Reaktionen der Öffentlichkeit sieht, scheint dieser Schuss nach hinten losgegangen zu sein – eine Schlappe der Schlapphüte und ihrer früheren Ministerin.


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