Tichys Einblick
Causa Brosius-Gersdorf

Erzbischof Gössl rudert zurück: Unterwerfung mit Folgen

Nach scharfer Kritik an den Positionen Frauke Brosius-Gersdorfs rudert der Erzbischof von Bamberg nun zurück, just als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, für die Juristin Partei ergreift. Die Mainstream-Medien basteln derweil an der Mär von einer alternativmedialen "Kampagne".

picture alliance/dpa | Daniel Vogl

Es hätte eine Trendwende sein können: Mit überraschender Klarheit hatten sich katholische Stimmen zur geplanten Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zu Wort gemeldet. Kritik war nicht nur von jenen Bischöfen ausgegangen, die als „konservativ“ gelten und sich durchaus ab und an öffentlich gegen den Zeitgeist wenden. Auch aus dem Reformlager der Kirche ließ sich vernehmen, dass mit der Wahl der Juristin zur Verfassungsrichterin eine Schmerzgrenze überschritten würde.

Zuletzt mahnte der Erzbischof von Bamberg, Herwig Gössl, in erstaunlicher Klarheit. Er machte auf den „Abgrund der Intoleranz und Menschenverachtung“ aufmerksam, den Brosius-Gersdorfs Haltung zur Menschenwürde offenlegt.

Kotau statt Klarstellung

Kurz darauf verteidigte er seine Aussagen noch gegen Kritik aus der SPD. Das war nicht weiter schwierig, denn der Vorwurf der „Hetze“ erwies sich als absurd. Gössl wies darauf hin, dass er nicht einmal den Namen der Juristin genannt, sondern sich lediglich inhaltlich mit ihren Positionen auseinandergesetzt hatte.

Doch der neu gefundene Mut kam dem Erzbischof gleich wieder abhanden. In einer „persönlichen Erklärung“ rudert er nun zurück. „Das Thema meiner Predigt war die Verantwortung vor Gott. Dabei kam als ein Beispiel unter anderen auch das Thema Schutz des ungeborenen Lebens zur Sprache. (…) Ich habe von einem ‚innenpolitischen Skandal‘ gesprochen und damit die Vorgänge im Bundestag um die geplante und dann vertagte Nominierung der Verfassungsrichterin gemeint. Dies war lediglich ein aktueller Anlass, um das Thema Lebensschutz in der Predigt aufzugreifen.“ Im Folgenden bekundet der Erzbischof sein Bedauern darüber, dass seine Predigt „instrumentalisiert“ würde.

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Anstatt überzogene Vorwürfe nochmals von sich zu weisen, dafür aber zugleich die inhaltliche Position zu bekräftigen, wählt Gössl eine einigermaßen unglaubwürdige Darstellung. Plötzlich will er in dem „innenpolitischen Skandal“ nicht mehr Partei ergriffen, sondern ihn lediglich zum Anlass genommen haben, um über Lebensrecht zu sprechen? Dabei belegen seine Äußerungen das Gegenteil, nämlich, dass er die tiefere Problematik der Brosius-Gersdorfschen Argumentation erkannt hat.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass sich ausgerechent jetzt der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, mit seiner Unterstützung für Brosius-Gersdorf zitieren lässt. Brosius-Gersdorf habe „es nicht verdient, so beschädigt zu werden“, in dieser Debatte sei „viel schiefgelaufen.“, es sei „kein Thema für einen Kulturkampf.“.

Vorauseilende Unterwerfung

Gössl unterwirft sich damit einem alten Muster. Die panische Angst vor Attacken durch die Presse und davor, sich nicht genug „gegen rechts“ abzugrenzen, sorgt dafür, dass er nicht an Aussagen festhalten will, die zufällig der Einordnung durch Medien wie TE, Nius, Apollo News etc. entsprechen. Denn diese werden schließlich als „rechte“ „alternative Medien“ dargestellt.

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Dass selbst die Vorsitzende des ZDK, Irme Stetter-Karp, erkannt hat, dass mit Brosius-Gersdorfs Aussagen eine rote Linie überschritten wird, tritt vor diesem Hintergrund zurück. Ebenso, dass der Widerstand gegen die Juristin aus der Mitte und Breite der Gesellschaft kommt, und getragen wird von dem Engagement von Bürgern, die ihre Abgeordneten kontaktiert und darum gebeten haben, in ihrem Sinne und im Sinne der Demokratie abzustimmen.

Sobald nicht erwünschte Stimmen dieselbe Haltung vertreten, fehlt dem Erzbischof das Rückgrat, dazu zu stehen. Würde Julian Reichelt eine reife Tomate als rot bezeichnen, wer weiß, womöglich kämen manche katholische Würdenträger zu dem Ergebnis, sie müsse blau sein – Hauptsache, man bietet rechter Propaganda keinen Raum.

Verrat an der Meinungsvielfalt

Der Erzbischof geht hier Teilen der Presse auf den Leim, die die verschwörungstheoretische Erzählung der „Kampagne“ gegen Brosius-Gersdorf zu installieren versuchen, um Kritik an ihr in Verruf zu bringen.

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Die Dreingabe eigener Überzeugungen unter dem Eindruck eines gegensätzlichen Narrativs ist immer problematisch. In diesem Fall ist das Mitläufertum noch fataler als sonst, weil das Narrativ ja noch nicht einmal etabliert ist. Das liegt daran, dass es der Realität so eklatant widerspricht, dass selbst die Übermacht eines öffentlich-rechtlichen Medienapparats es nicht vermag, einen solchen Unfug plausibel zu machen.

Es wäre hier also im Sinne der Pluralität und des echten Diskurses, die eigene Haltung offen und frei zu vertreten, um zu verhindern, dass Fakten, die bereits für jedermann sichtbar auf dem Tisch liegen, verdreht, vertuscht und umgedeutet werden. Das wäre ein echter Dienst an der Gesellschaft – ganz gleich, zu welchem Ergebnis diese am Ende in Bezug auf die Personalie Brosius-Gersdorf kommt.

Folgenreiche Selbstdemontage

Der Erzbischof schadet mit diesem vorauseilenden Gehorsam nicht nur der Meinungsvielfalt und -freiheit, sondern auch sich selbst. Er verpasst die Chance, sich für seine Wortmeldungen Respekt und Raum zu verschaffen, gesteht der Presse eine Macht zu, die sie gar nicht hat, und signalisiert ihr, dass er auch in Zukunft bereit ist, auf den leisesten Wink hin das zu verkünden, was sie ihm vorgibt.

Die zweite Unterwerfungsgeste erfolgt gegenüber dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Dieser hat theoretisch nicht die geringste Autorität über die anderen deutschen Bischöfe. Dennoch widerruft Gössl gerade zu dem Zeitpunkt, als Bätzing das Wort ergreift.

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Dessen Äußerung ist gewohnt stromlinienförmig: Sich mit der Politik anlegen? Auf keinen Fall! „Ich möchte mich nicht zu der Kandidatin äußern, das ist Aufgabe der Politik“, bekundet der Bischof brav. Machthaber der letzten zwei Jahrtausende drehen sich ächzend im Grab herum im Bewusstsein, wie viele Scherereien sie sich hätten sparen können, wenn die Kirche nur immer so devot gewesen wäre. Bußgang nach Canossa? Unnötig. Und der Löwe von Münster hätte geschnurrt wie ein Kätzchen.

Erzbischof Gössl ist betrübt darüber, dass seine Worte angeblich dazu geeignet seien, „um die Person Brosius-Gersdorf oder das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts zu beschädigen“. Dass er das Vertrauen seiner Gläubigen in die Integrität des Bischofsamtes beschädigt, scheint ihn weniger zu bekümmern.

Es geht auch anders: Klare Kante statt Kuschen

Dass es auch anders geht, beweist derzeit das Erzbistum Köln, wo kürzlich dem Amtsleiter der Kragen platzte: Seit Jahren werden das Erzbistum und insbesondere der Kölner Erzbischof mit schlechter Presse überzogen. Diese beschränkt sich nicht auf scharfe Kritik – das wäre angemessen und notwendig –, sondern ergeht sich in Diskreditierung, Diffamierung, Vorverurteilungen und Verdächtigungen, arbeitet mit suggestiven Schlagzeilen und allem, was dem böswilligen Journalisten an Instrumentarium zur Verfügung steht. Positivmeldungen hingegen werden unterdrückt, und wenn möglich in ihr Gegenteil verkehrt. Angetrieben wird die Hatz auf Kardinal Woelki maßgeblich von einem Redakteur des Kölner Stadtanzeigers, der seinen Einfluss auch überregional geltend macht, um mindestens latent zu desinformieren.

Hier nun reichte es einem Mitarbeiter des Erzbistums: Obwohl es in der Medienkommunikation kaum etwas Gefährlicheres gibt, als die Eitelkeit eines Journalisten zu verletzen, zog der Amtsleiter den Betreffenden persönlich und namentlich zur Verantwortung, und machte in einem gepfefferten offenen Brief das mediale Mobbing als solches transparent. Die Offenlegung journalistischer Bigotterie ist unüblich. In Köln aber wurde offenbar begriffen, dass Willfährigkeit und die Bereitschaft, alles mit sich machen zu lassen, nicht zu einem faireren Umgang führen, sondern noch mehr und noch heftigere Aggression provozieren.

Erzbischof Herwig Gössl glaubt augenscheinlich noch, durch schnellstmögliches Wegducken Angriffen entgehen zu können. Damit aber ergibt er sich genau jener intoleranten und menschenverachtenden Atmosphäre, die er selbst noch vor wenigen Tagen so hellsichtig kritisiert hat.

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