Tichys Einblick
ARD hat angeblich Störer "ausgetrickst“

Banaszak im Sommerinterview: Alles so schön ruhig hier

Erstaunlich, welche Fortschritte die Audiotechnik macht! Nur zwei Wochen nach dem verkorksten Weidel-Sommerinterview schafft die ARD plötzlich einen glasklaren Ton. Grünen-Chef Felix Banaszak darf ausschweifend seine allerletzte Kugel reiten: die Warnung vor dem Faschismus. Von Brunhilde Plog

Matthias Deiß

Dass es kein Thriller werden würde, geschenkt. Aber die Art und Weise wie ausschweifend der Grünen-Chef Felix Banaszak seinen Teppich aus Polit-Phrasen unter dem blauen Berliner Himmel ausbreiten durfte, war dann doch erstaunlich. 29 Minuten und 30 Sekunden lang, also anderthalb Minuten länger als Weidel, durfte seine einstudierten Salbader-Salven abschießen, unterbrochen nur von zwei kleinen Einspielern von insgesamt gerade einmal vier Minuten. Bei Weidel hatte die ARD noch mehr als sechs Minuten mit Einspielern gefüllt und ihr damit die Chance genommen, selbst etwas zu sagen.

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Auch der Ton ist deutlich besser, technisch von bester Studio-Qualität, so als säße man gar nicht draußen an der Spree. Aber auch inhaltlich geht Moderator Matthias Deiß nur scheinbar auf Konfrontation. Als etwa die bösen Worte „Jette“ und „Nietzard“ fallen, reißt Banaszak ganz zu Unrecht die Augen auf. Denn Deiß verschweigt den eigentlichen Skandal, mit dem sich die Chefin der Grünen Jugend gerade vollends ins Abseits geschossen hat: Ihr Gedankenspiel in einem Podcast nämlich, ob man im Falle einer AfD-Regierung vielleicht mit Waffengewalt reagieren müsse. Dies spricht Deiß überhaupt nicht an, und so ist es für Banaszak ein Leichtes, sich aus dieser vermeintlichen Bredouille herauszulabern. Man dürfe „Radikalität im Sinne von ‚An die Wurzel gehen’ ja nicht mit Verbalradikalismus verwechseln“, sagt er. Die Grünen müssten „eine Partei der radikalen Ehrlichkeit bleiben“, was auch immer das heißen mag.

Affäre Gelbhaar, selbes Spiel: Dass der Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar mit falschen Anschuldigungen um sein Bundestagsmandat gebracht wurde, ist kurz Thema. Aber der Name Andreas Audretsch – der einzige Profiteur jener Intrige – fällt überhaupt nicht. Stattdessen darf Banaszak sich mit Floskeln rauswinden: „Keine Organisation ist frei von Grenzüberschreitungen“, sagt er. Besonders infam: Er wirft sich für all die armen Frauen in den Ring, denen es seit dem Vorfall deutlich schwerer gemacht werde, echte sexuelle Übergriffe zu melden. Um eine Entschuldigung an Gelbhaar laviert er sich unwidersprochen herum. Deiß hat keine Fragen mehr.

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Je länger Banaszak spricht, desto klarer wird die Erkenntnis: Er spricht wie alle anderen aus der grünen Kaderschmiede: einstudierte Floskeln, Parteiparolen, einschläfernde Ausschweifungen. Nur seine logopädischen Auffälligkeiten halten den Zuschauer auf unangenehme Weise wach: Bei „EssZet“-und Sch“-Lauten möchte man Banaszak am liebsten die heiße Kartoffel rausprokeln oder das Kaugummi oder was auch immer ihn da in seiner Mundhöhle stört.

Angeblich hatte die ARD im Vorfeld Demonstranten ausgetrickst, die ähnlich wie bei Weidel das Interview akustisch stören wollten. Das Gespräch wurde schon am Vormittag aufgezeichnet. Hoppla, so einfach kann es gehen – wenn ein Grüner zu Gast ist. Die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch war dennoch zur rechten Zeit am rechten Ort. In einem X-Video zeigte sie die Interview-Szenerie hoch über der Spree am gegenüberliegenden Ufer. Sie stand an der Stelle, wo zwei Wochen zuvor der Lautsprecherbus der Linksaktivisten geparkt und alles torbeschallt hatte. Genüsslich zeigte von Storch, dass diesmal das gesamte Areal sorgfältig und weiträumig abgesperrt worden war.

Auch im Interview selbst sieht man in Minute Zehn, wie ein Polizeiauto brav im Hintergrund auf den Platz fährt und genau zwischen den beiden Gesprächsteilnehmern Stellung bezieht.

Da hat der Obergrüne gerade – mal wieder – vor dem aufziehenden Faschismus gewarnt. Das tut er so oft in diesem Interview, dass auch der letzte Zuschauer erkennt: Es ist die letzte Kugel der Grünen.

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Ach ja, und der Klimawandel, klar. Dass die Klimakrise gerade von den USA als große Täuschung entlarvt und beendet wurde, ist bei Banaszak offenbar noch nicht angekommen. Beim Zuschauer auch nicht, dafür sorgt die ARD schon. Banaszaks Idee ist es, dass Unternehmen über die bereits bestehenden CO2-Steuern hinaus noch zusätzlich in einen neuen Klimafonds einzahlen sollen, aus dem sich dann Kommunen bedienen könnten, wenn mal wieder Hitze- oder Flutwellen kämen.

Dass solche Ideen vor allem im Osten des Landes überhaupt nicht gut ankommen, zeigt ein Einspieler aus Dömitz, wo die AfD bei 40 und die Grünen bei vier Prozent liegen. „Die finden hier überhaupt nicht statt“, sagt ein Einwohner verschmitzt, und die ARD dreht nochmal ordentlich an der Dramatikschraube: Abgeordnete dort würden „Ablehnung, Hass und Gewalt“ erleben. „Grünes Mitglied in Thüringen zu sein, ist gefährlich geworden“ zitiert Deiß aus einem Brandbrief verängstigter Parteimitglieder. „Wir geben den Osten nicht auf, und wir kämpfen darum, dass der Osten uns nicht aufgibt“, parolt Banaszak. Man werde jetzt nämlich eine „Präsenzoffensive im Osten“ starten.

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Schon zuvor hatte der Regisseur mächtig am Tränenrad gedreht, um Mitleid mit den Grünen zu erzeugen. Als Sahra Wagenknecht in einem Einspieler sagt, es sei „die gefährlichste Partei, die wir aktuell im Bundestag haben“, lässt sie ein geschickt eingesetzter Augenaufschlag in Superzeitlupe so bedrohlich erscheinen wie die böseste Hexe aus dem schlimmsten Märchen.

Banaszak ist derweil schon wieder beim Faschismus. Angesprochen auf die Kritik des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder an den Grünen, verlassen ihn allerdings kurz die linguistischen Fertigkeiten: „Wenn Markus Söder für sich nicht klar hat, ob tatsächlich die Grünen, eine klar in der Demokratie verhaftete, beheimatete Partei, der Hauptgegner sind, wo da eine eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei, da muss vielleicht auch er manchmal seinen Kompress zurechtrücken.“

Doch er fängt sich wieder. Der vielleicht wichtigste all seiner belanglosen Sätze: „Wer Sorge hat vor einem Ruck nach Links, nach Rechts, nach Oben oder nach Unten – fürchtet euch nicht, die Grünen werden jetzt wieder grüner.“

Eine unverhohlene Drohung.

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